Düsseldorf

Parteivorsitz: Die NRW-SPD und die Kandidatensuche

Mit dem ehemaligen Finanzminister Walter-Borjans könnten die Genossen an Rhein und Ruhr nun doch noch einen starken Kandidaten ins Rennen um den Parteivorsitz schicken.

Zieht eine Kandidatur für den SPD-Parteivorsitz in Betracht: Norbert Walter-Borjans. | © picture alliance / Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Lothar Schmalen
28.08.2019 | 28.08.2019, 19:48

Düsseldorf. Norbert Walter-Borjans, der frühere NRW-Finanzminister, greift in seiner Freizeit gerne zu Hammer und Meißel. Mit kräftigen Hammerschlägen treibt er seinen Meißel dann in einen Steinblock, um ihn in eine bestimmte Form zu bringen. Der 66-jährige Hobby-Bildhauer könnte bald im politischen Sinne auch die SPD mit Hammer und Meißel bearbeiten, um sie wieder in die Form einer kraftvollen Partei zu bringen. Denn Norbert Walter-Borjans, den in der Partei alle nur "Nowabo" nennen, will Vorsitzender der SPD werden - im Tandem mit der Baden-Württembergerin Saskia Esken, einer erklärten Linken in der SPD-Bundestagsfraktion.

An ihrem 58. Geburtstag bestätigt Saskia Esken die gemeinsame Kandidatur mit Walter-Borjans. Esken hat sich in der Partei einen Namen als Expertin für Digitalisierung gemacht. Ob die beiden aber tatsächlich ins Rennen gehen um den Parteivorsitz, hängt noch an einer Bedingung. Der frühere NRW-Finanzminister will nämlich nur mit einem überzeugenden Votum des SPD-Landesvorstands im Rücken antreten.

Und hier fängt die Geschichte an kompliziert zu werden. Denn außer Nowabo gibt es noch zwei weitere Bewerber aus der NRW-SPD. Da ist zum einen die Bielefelderin Christina Kampmann. Die Landtagsabgeordnete und frühere NRW-Familienministerin tritt gemeinsam mit Michael Roth, dem aus Hesse stammenden Staatsminister im Auswärtigen Amt. Das Tandem Roth/Kampmann ist vom SPD-Bezirk Hessen-Nord nominiert. In NRW hat Kampmann bislang nicht viel Unterstützung für ihre Kandidatur erhalten, nicht einmal ihr eigener Bielefelder Unterbezirk will sie nominieren.

Landesvorstand entscheidet am Freitag zwischen drei Bewerbern

Und dann ist da der Leverkusener Karl Lauterbach, der Gesundheitspolitiker mit der Fliege. Der GroKo-Kritiker Lauterbach tritt gemeinsam mit seiner Bundestagskollegin Nina Scheer (Schleswig-Holstein) an. Auch dieses Tandem ist inzwischen von genügend vielen SPD-Unterbezirken nominiert worden. Die SPD hat vereinbart, dass an den 23 Regionalkonferenzen und der anschließenden Mitgliederbefragung nur die Tandems oder Einzelbewerber teilnehmen können, die entweder von fünf Unterbezirken, von einem Bezirksverband oder Landesverband nominiert sind.

Am Freitag tagt in Dortmund der SPD-Landesvorstand. Dann werden die 38 gewählten und eine Handvoll beratende Mitglieder - dazu gehört übrigens auch Walter-Borjans - zu entscheiden haben. Wird Kampmann, wird Lauterbach oder wird Walter-Borjans nominiert? Dass der bei weitem mitgliederstärkste Landesverband überhaupt keine Nominierung vornimmt, gilt inzwischen als sehr unwahrscheinlich. Jedenfalls können sich am Freitag nun die drei NRW-Bewerber im Landesvorstand präsentieren. Nach Informationen der NW zeichnet sich in der Parteiführung inzwischen eine Mehrheit für die Nominierung des ehemaligen NRW-Finanzministers ab.

NRW-SPD-Chef Sebastian Hartmann hat dem Vernehmen nach die Kandidatur Walter-Borjans nicht aktiv betrieben. Es gab offenbar in seinem Umfeld auch die Überlegung, gemeinsam mit der ebenfalls mitgliederstarken Niedersachsen-SPD ein Bewerber-Tandem gemeinsam zu nominieren. Doch seitdem die Niedersachsen-SPD am vergangenen vorpreschte und den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius nominierte, hatte sich das erledigt. Mit der möglichen Kandidatur Walter Borjans hätte die NRW-SPD nun auch selbst einen starken und aussichtsreichen Bewerber. Offiziell hält Hartmann sich zurück. Er sagte ledigloch, er werde einzelne Kandidaturen nicht bewerten, „um ein offenes, faires und transparentes Verfahren für unsere Mitglieder zu ermöglichen".

Viele halten Nowabo für einen sehr guten Kandidaten, der sowohl die Linken in der Partei als auch die Gemäßigten hinter sich vereinen könnte. In seiner Zeit als NRW-Finanzminister (2010 bis 2017) ist bundesweit bekannt geworden durch seinen konsequenten Kampf gegen Steuerhinterziehung. Juso-Chef Kevin Kühnert, der selbst nicht als Kandidat antreten will, kündigte bereits seine Unterstützung für Walter-Borjans und Esken an. „Er hat als Finanzminister in Nordrhein-Westfalen mit dem Ankauf von Steuer-CDs begonnen, sich dabei mit unangenehmen Leuten angelegt undso bewiesen, dass er für echte Verteilungsgerechtigkeit steht," sagte Kühnert am Mittwoch.

KOMMENTAR DER REDAKTION


Nowabo – eine Marke der SPD

Als die rot-grüne Landesregierung in NRW und mit ihr auch deren Finanzminister Norbert Walter-Borjans im Mai 2017 abgewählt war und durch eine neue schwarz-gelbe Koalition ersetzt wurde, waren der Jubel und die Erleichterung in Schweizer Banker-Kreisen groß. Endlich konnte ihnen der Mann, der sich den Kampf gegen die Steuerhinterziehung der Reichen auf seine Fahne geschrieben hatte, nicht mehr gefährlich werden.

Längst trug Walter-Borjans da den Spitznamen „Robin Hood der Steuerzahler". Nowabo, wie er in der Partei respekt- und vielleicht auch ein wenig liebevoll genannt wird, hatte immer wieder mit dem Aufkauf von Steuer-CDs Schlagzeilen gemacht, auf denen Daten von Personen zu finden waren, die den deutschen Staat um viele Millionen Steuer betrogen. Manchmal reichte schon der öffentliche Hinweis auf einen solchen Kauf, dass sich hunderte von Steuerhinterziehern freiwillig bei den Ermittlungsbehörden meldeten. Im Wuppertaler Finanzamt saß eine Ermittlergruppe, die vielen Steuerbetrügern auf die Schliche kam.
Nowabo war zu einer Marke der SPD geworden. Einer Marke, die für Steuergerechtigkeit, für Gerechtigkeit schlechthin stand. Eben eine Marke, wie sie die dahin siechende Volkspartei SPD inzwischen dringend braucht. Nicht damit sich die Mitglieder und Parteifunktionäre wieder besser fühlen können, sondern damit die Partei für die Menschen in Deutschland wieder wählbarer wird. Denn wofür sonst als Gerechtigkeit soll denn die SPD stehen?
Mit Norbert Walter-Borjans hat die NRW-SPD endlich den starken Kandidaten, den der bei weitem mitgliederstärkste Landesverband braucht. Dass Nowabo den Landesvorstand ganz schön unter Druck setzt mit seinem Hinweis, dass er nur antrete, wenn er ein starkes Votum der NRW-SPD erhalte – stimmt. Dass die Kandidatur nicht besonders glücklich kommuniziert worden ist, weil wieder einmal ein Mann ankündigte, dass er kandidiere wolle, und die Frau an seiner Seite dann einen Tag später als Anhängsel hinterher bekannt wird – stimmt auch.
Dennoch wäre der NRW-Landesvorstand der SPD am Freitagabend mit Watte gepudert, wenn er die Chance nicht ergreifen und den Mann aus Köln nicht nominieren würde.