Sorge um Chancengleichheit: Fast 30.000 Privatschüler in OWL

Bielefeld/Berlin. Auf der einen Seite überwiegt die Freude über mehr Vielfalt in der Schullandschaft, auf der anderen Seite wächst die Sorge um Chancengleichheit: In Deutschland besuchen immer mehr Kinder eine Privatschule. Mittlerweile sind es eine Million Schüler auf 5.850 Privatschulen. Tendenz steigend, denn obwohl die Gesamtzahl der Schüler sinkt, steigt der Anteil der Privatschüler. Diese Entwicklung zeigt sich auch in Ostwestfalen-Lippe. Doch welche Folgen hat dieser Trend? Gewerkschaften machen Privatenschulen für eine soziale Spaltung verantwortlich. Die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW, Maike Finnern, fordert die Landesregierung deshalb auf, dem Boom entgegenzuwirken. &bdquo;Bildungspolitisch ist diese Entwicklung höchst problematisch. Die Existenz privater Schulen wirkt sozial selektiv." Finnern geht davon aus, dass der Zustand vieler öffentlicher Schulen zur Steigerung der Nachfrage beigetragen hat. Ausländeranteil ist an Privatschulen gering Mit dem schwindenden Vertrauen in das staatliche Schulsystem begründet auch der Paderborner Bundestagsabgeordnete Carsten Linnemann (CDU) die steigende Nachfrage. &bdquo;Bis tief hinein in die Mittelschicht erlebe ich Eltern, die ihre Kinder auf Privatschulen schicken, weil das Niveau an staatlichen Schulen sinkt", sagt Linnemann der Rheinischen Post. Die Absenkung des Leistungsniveaus hängt nach Angaben des deutschen Lehrerverbandes auch mit dem Migrantenanteil in Klassen zusammen. Schulklassen mit mehr als 35 Prozent Migrantenanteil führen nach Einschätzung von Präsident Heinz-Peter Meidinger zu Leistungsabfall und Integrationsproblemen. An Privatschule in NRW ist der Anteil ausländischer Schüler mit 5,5 Prozent in NRW tatsächlich deutlich geringer als an öffentlichen Schulen mit 12,6 Prozent. Doch ist das der Grund, warum Eltern Privatschulen bevorzugen? Nach Angaben des Bundeselternrats gibt in den meisten Fällen das pädagogische Konzept den Ausschlag für die Wahl einer Privatschule. Der Vorsitzende Stephan Wassmuth erklärt zudem, dass einige Privatschulen finanziell besser ausgestattet sind. Außerdem glaubt er, dass Lehrer an Privatschulen in vielen Fällen mehr Engagement zeigen, weil sie tendenziell mehr Gestaltungsfreiraum haben. In ländlichen Regionen haben Eltern oft keine Wahl &bdquo;Hinzu kommt, dass vor allem in ländlichen Regionen Privatschulen aus dem Engagement von Elterninitiativen entstehen, wenn staatliche Einrichtungen schließen", ergänzt die stellvertretende Geschäftsleiterin des Verbands deutscher Privatschulen NRW, Petra Stieb. &bdquo;Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass sich viele Eltern mit Zuwanderungsgeschichte bewusst gegen eine Privatschule und damit gegen Schulen entscheiden, die konfessionell gebunden sind oder alternative Unterrichtsformen anbieten." Das bestätigt auch die Bildungsforscherin Nele McElvany von der Universität Dortmund: &bdquo;Manchmal haben Eltern keine Wahl." Wenn auch die letzte öffentliche Grundschule schließe, sei die private Schule alternativlos. Vor allem sozial privilegierte Schüler besuchen Privatschulen Besucht werden Privatschulen laut McElvany in hohem Maße vor einer sozial privilegierten Schülerschaft. Das Bild einer elitären Schulausbildung entspreche allerdings nicht dem privaten Schulwesen in Deutschland. &bdquo;Es gibt Schulen, da geht es um Elite." Häufiger seien aber eine alternative Pädagogik oder ein christlicher Hintergrund wesentliche Merkmale. Besondere Ausrichtungen im sportlichen oder kreativen Bereich überzeugen Eltern zudem. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) sieht mit Blick auf das steigende Interesse an Privatschulen keinen Handlungsbedarf. Schulen in privater Trägerschaft ergänzten das öffentliche Schulwesen und böten Eltern weitere Auswahlmöglichkeiten. Auch McElvany warnt davor, den Trend zur Privatschule zu &bdquo;überdramatisieren". Gleichwohl müsse der Zulauf kritisch beobachtet werden. &bdquo;Die Frage ist: Bis zu welchem Grad wollen wir das – mitsamt der starken sozialen Selektivität?" Bundeselternrat freut sich über mehr Angebote Auch der Bundeselternrat begrüßt die steigende Vielfalt im Bildungssektor. &bdquo;Aber wir dürfen den Privatschulen nicht das Feld überlassen", sagt der Vorsitzende Wassmuth. Zentral über allem stehe das Ziel: &bdquo;Wir brauchen ein durchweg hohes qualitatives Niveau für unsere Kinder." Dafür müsse grundsätzlich mehr in Bildung investiert werden. Privatschulen finanzieren sich komplett oder nur zum Teil über Schulgeld. Unterschieden wird zwischen Ersatzschulen und Ergänzungsschulen, die in der amtlichen Schulstatistik nicht aufgeführt werden, da laut Bezirksregierung Detmold häufig kein staatlicher Abschluss erreicht werden kann. Ersatzschulen bieten dieselben Schulformen und Unterrichtsinhalte an wie die entsprechenden öffentlichen Schulen. Mit dem Besuch einer Ersatzschule erfüllen Schüler die gesetzliche Schulpflicht und der Abschluss ist mit dem einer öffentlichen Schule gleichwertig. Ersatzschulen erhalten Fördermittel vom Staat &bdquo;Ersatzschulen werden staatlich gefördert und decken damit zwischen 85 und 94 Prozent der Kosten. Schulgeld kann erhoben werden, wird dann allerdings von der Förderung abgezogen. Deshalb gleichen viele Schulen mit Hilfe von Kirchen, Sponsoren oder Spenden die Finanzierungslücke aus", erklärt Stieb. Zudem gibt es häufig Fördervereine, die mit Elternbeiträgen von bis zu 180 Euro im Monat rechnen. &bdquo;Das variiert aber stark." Mit Material der dpa.

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