
Dortmund. "Ich kenne Herrn Laschet sonst nur aus den Medien, jetzt erlebe ich ihn ganz nah", sagt die Frau aus Melle im Osnabrücker Land, die ihren Namen nicht bei nw.de lesen will. Sie ist eine von rund 500 Zuhörerinnen und Zuhörern, die den NRW-Ministerpräsident auf dem Kirchentag in einer ungewöhnlichen Rolle erleben.
Armin Laschet, bekennender Katholik, leistet im Dortmunder Konzerthaus einen ungewöhnlichen Beitrag zum Evangelischen Kirchentag. Umrahmt von geistlichen Liedern, die ein Jugendchor aus dem niedersächsischen Bramsche vorträgt, interpretiert der Christdemokrat einen Text aus dem alttestamentlichen Buch Hiob, in dem es um die alte Frage geht, ob leidende Menschen in Gott vertrauen können. Gott prüft die Glaubensfestigkeit Hiobs, indem er ihm Reichtum und Gesundheit nimmt. Hiob bleibt dennoch bei seinem Glauben.
"Hiob kann Vorbild für uns sein"
Laschet ordnet den Text in seinen Kontext ein, spricht von der alten theologischen Frage der Theodizee, als der Frage nach der Rechtfertigung Gottes hinsichtlich des von ihm zugelassenen Leid und Bösen in der Welt, und interpretiert das Hiob-Kapitel schließlich. "Hiob kann Vorbild für uns sein", sagt Laschet. "Ein Vorbild für Prinzipien- und Grundsatztreue. Und dann entfaltet er seine Vorstellungen, warum diese Prinzipientreue in der Politik von besonderer Bedeutung ist und wie sie sich mit der Notwendigkeit von Kompromissen in der Demokratie verträgt.
Es ist auch für den Politiker Laschet eine ungewöhnliche Veranstaltung. Ein wenig kokettiert er mit seiner katholischen Konfession: "Auch wir haben eine Bibel", gibt er verschmitzt zu Protokoll, als Kirchentagspräsidiumsmitglied Karin von Welck es als ungewöhnlich bezeichnet, dass der Katholik Laschet sich für die Bibelarbeit auf dem Evangelischen Kirchentag zur Verfügung stellt. Und das Publikum empfängt ihn, abseits jeder parteipolitischen Präferenz, wohlwollend, ja mit Sympathie.
Als der Ministerpräsident wegen eines Hustenreizes seinen Vortrag kurz unterbrechen muss, reicht eine Zuhörerin ihm hilfsbereit ein Hustenbonbon. Und der Jugendchor aus Bramsche springt ihm kurzfristig mit einem weiteren musikalischen Vortrag zu Seite, sodass er sich abseits der Bühne ein wenig erholen und seine Bronchien beruhigen kann.
Es ist diese besondere Atmosphäre, die den Reiz der Bibelarbeit, die viele als das Herz des Kirchentags bezeichnen, ausmacht. Sie findet an jedem Morgen der Kirchentagsveranstaltung statt, jeden Tag zu einem anderen Bibeltext. Bis zu 30 Bibelarbeitsgruppen - mit Referenten aus vielen kirchlichen und gesellschaftlichen Bereichen - finden dabei parallel jeweils um 9.30 Uhr statt. Die größte Resonanz an diesem ersten vollen Tag des Kirchentags hat die Bibelarbeit mit der ehemaligen Bischöfin Margot Käsmann, zu der rund 8.000 Menschen in die Westfalenhalle strömen.
Dortmund. Auf Druck der Kirchentagsleitung hat die der Linken nahestehende Rosa-Luxemburg einen für Freitag geplanten Workshop auf dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund abgesagt. In dem Workshop unter dem Titel "Imperien des Mammon oder Wege der Gerechtigkeit" sollten zwei Vertreter der antiisraelischen Boykottbewegung BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) teilnehmen.
Wie die Generalsekretärin des Kirchentags, Julia Helmke, bestätigte, hat die Kirchentagsleitung den Veranstaltern ein Ultimatum gesetzt, entweder die beiden BDS-Vertreter auszuladen oder den Workshop abzusagen. "Antijüdische oder antiisraelische Parolen haben auf dem Kirchentag nichts zu suchen", sagte Helmke. Die Veranstaltung sei daraufhin abgesagt worden.