Anwälte im Auschwitz-Prozess üben Druck auf Angeklagten aus

Detmold. Mit den Plädoyers der Nebenkläger ist der 18. Prozesstag gegen den ehemaligen SS-Wachmann Reinhold Hanning aus Lage fortgesetzt worden. Die Anwälte der Nebenkläger übten dabei Druck auf den Angeklagten aus und forderten ihn auf, in seinem Schlusswort endlich seine Erinnerungen an Auschwitz preiszugeben. Die Überlebenden und die Menschen heute hätten ein Anrecht darauf - auch, damit sich solche Taten nicht wiederholten. Onur U. Özata und Ernst von Münchhausen wählten die direkte Ansprache. "Sie schweigen in der Hoffnung, zu vergessen. Wir, die nachfolgende Generation, dürfen aber nicht vergessen", betonte Özata und mahnte vor den Gefahren von aktuellem Nationalismus, Antisemitismus, Rassenhass und Islamfeindlichkeit in Deutschland. Er forderte Antworten: Hanning spreche "die Sprache der Sprachlosigkeit, obwohl er 28 Monate, 827 Tage, in Auschwitz gewesen sei, während dort täglich im Durchschnitt 800 Menschen ermordet wurden", warf er dem 94-Jährigen vor. Von Münchhausen wertete Hannings Erklärung als Legende vom "guten Mann von Auschwitz": "Waren Sie stolz auf ihre Taten?", fragte er den Angeklagten, der die Worte, den Blick nach vorne gerichtet, offenbar aufmerksam verfolgte. Hanning habe Auschwitz zwar als Albtraum bezeichnet, in seiner Einlassung spiegele sich dieser Albtraum aber nicht wider, kritisierte von Münchhausen. Das Schweigen des Angeklagten hinterlasse seinen Mandanten und ihn ratlos: "Wie kann ein Mensch, der Kinder und Enkelkinder hat, der als angesehener Mann in einem kleinen Ort lebt, mit den Erinnerungen an Auschwitz leben?", fragte er. Christoph Rückel kritisierte nochmals das Verhalten des Gerichts, den Zeitzeugen Joshua Kaufmann nicht zu hören. "Ein zu viel vernommener Zeuge ist kein Fehler", sagte der Rechtsanwalt aus München. Nach Rückels Ansicht hat Reinhold Hanning Beihilfe zum Mord geleistet. "Zudem hat der Angeklagte keine echte Reue gezeigt", sagte Rückel. Die vom Staatsanwalt geforderten sechs Jahre Haft seien ein deutliches Signal. Er wertete die bisher abgegebene Erklärung der 94-Jährigen als nicht ausreichend und forderte den Angeklagten auf, in seinem letzten Wort eine ehrliche Betrachtung abzugeben. "Herr Hanning, trauen Sie sich." Im Gegensatz zu seinen Kollegen hält Donat Ebert die Angaben Hannings für authentisch. Sie seien zwar lückenhaft, dies könne aber auch seinem Alter und dem Umstand geschuldet sein, dass er nie mit jemandem über seine SS-Zeit gesprochen habe. Zumindest habe er mit seiner Aussage aber eine Grundlage für eine Verurteilung geschaffen. "Ob man ihm die Reue abnehmen kann, weiß ich nicht, ich tendiere aber dazu", sagte Ebert. Stefan Lode stellte in seinem Plädoyer die Frage nach der Verantwortung des Angeklagten. Er betonte, dass auch das Ausland auf diesen Prozess schaue und forderte, daraus "für eine zukünftige Zeit zu lernen". Seiner Meinung hat sich Hanning spät geäußert. Er solle "auch Schülern seine Zeit in Auschwitz erklären", forderte der Nebenklägervertreter. Er lobt die gute Führung des Verfahrens durch die Schwurgerichtskammer des Detmolder Landgerichts und hofft "auf ein Urteil mit Fingerspitzengefühl". Ob Reinhold Hanning am heutigen Samstag noch das Wort ergreift, ließen seine Anwälte offen. Zunächst plädieren noch vier Nebenkläger und anschließend die Verteidiger. Das Urteil soll voraussichtlich am Freitag, 17. Juni, gesprochen werden. Sollte der Angeklagte, der wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 170.000 Fällen im KZ Auschwitz vor Gericht steht, tatsächlich in diesem Sinne schuldig gesprochen werden, läge das Strafmaß zwischen 3 und 15 Jahren Haft. Käme es zu einer Verurteilung wegen Mittäterschaft, die der Nebenkläger-Anwalt Manuel Reiger in seinem Plädoyer als gegeben sah, läge die Strafe bei lebenslänglich, so Gerichtssprecherin Anneli Neumann.

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