
OWL. Im Kampf gegen eine Regelung zur Krankenversicherung für Rentner bleibt etlichen Betroffenen aus der Region nur noch der Weg zur EU in Brüssel. Die Rentner, meist Frauen, fordern eine Änderung der sogenannten 9/10-Klausel.
Die Klausel zwingt bestimmte Versicherte in eine freiwillige Krankenversicherung im Alter, die wesentlich teurer ist als eine Pflichtversicherung. „Wir schreiben jetzt an das Europaparlament, was sollen wir auch sonst tun?", sagt Eva Koslowski aus Bielefeld. Sie ist eine der Initiatorinnen der Protestbewegung und Betroffene der 9/10-Regelung.
Koslowski und 170 Mistreiter, darunter 31 aus OWL, hatten auf den Petitionsausschuss des Bundestages gehofft. Doch der teilt die Ansicht, dass die Betroffenen durch die Regelung benachteiligt werden, nicht. Das berichtete diese Zeitung exklusiv im Dezember. Inzwischen hat auch der Bundestag entschieden und ist der Empfehlung des Ausschusses gefolgt. Die offiziellen Antworten an die Petenten sind auch eingetroffen. „Doch darin geht man überhaupt nicht auf unser tatsächliches Anliegen ein", kritisiert Koslowski.
In dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt, wird erklärt, der Bundestag habe die Petition beraten und beschlossen, das Material an das Bundesgesundheits- und das Arbeitsministerium weiterzuleiten. Außerdem auch an die Volksvertretungen der Bundesländer. Allerdings nur hinsichtlich der Forderung, dass künftig bei einem Verlassen der gesetzlichen Krankenversicherung hin zur privaten über Konsequenzen zu informieren sei. Die Kassen sollen die Versicherten auf Spätfolgen wie die 9/10-Regelung und die erschwerte Rückkehr in eine gesetzliche Versicherung hinweisen.
„Zur Ungerechtigkeit der Regelung in vielen Fällen hat der Ausschuss im Prinzip nicht Stellung genommen, stattdessen werden alte Argumente wiederholt", sagt Eva Koslowski. Mit einer detaillierten Erklärung der Regelung sei ihr nicht geholfen, denn die Details kenne sie ja. Sie verfasste einen Widerspruch an den Ausschuss, erhielt aber als Antwort, dass ihre Petition abschließend behandeln worden sei. Eine erneute Prüfung sei nicht vorgesehen. Im Übrigen müsse der Petitionsausschuss seine Entscheidung nicht begründen.
Einen kleinen Erfolg haben die Gegner der Regelung allerdings gefeiert. Einige Betroffene sind doch noch in die Pflichtversicherung für Rentner aufgenommen worden. Bei ihnen war übersehen worden, dass auch Phasen mit einer Erwerbsminderungsrente als Zeit der Berufstätigkeit anzuerkennen ist. „Allerdings mussten wir das selbst herausfinden, da hat uns keine Behörde unterstützt", so Koslowski.
Die 9/10-Klausel trifft vor allem Ehepartner von Beamten oder Selbstständigen. Hintergrund ist, dass sie irgendwann über ihre Partner Mitglied einer privaten Krankenversicherung waren. Zwar kehrten sie später in die gesetzliche Versicherung zurück, doch die Klausel sieht vor, dass nur der Anspruch auf Pflichtversicherung hat, der 90 Prozent der zweiten Hälfte seines Erwerbslebens gesetzlich versichert war.
Der Inhalt der Regelung
Die 9/10-Regelung soll verhindern, dass Versicherte im Alter aus der teurer werdenden privaten Krankenversicherung in die günstigere gesetzliche für Rentner wechseln.Sie besagt, dass nur die Personen Pflichtmitglied in der Krankenversicherung für Rentner werden, die in der zweiten Hälfte der Erwerbszeit vor Einreichen des Rentenantrags zu 90 Prozent gesetzlich versichert waren. Ein Beispiel: Hat eine Frau 40 Jahre gearbeitet, muss sie in den letzten 20 Jahren (die Hälfte) ihres Berufslebens mindestens 18 Jahre gesetzlich krankenversichert sein.
Frauen, die über ihre verbeamteten Männer familienversichert waren und zu spät wechseln, erwischt die 90-Prozent-Regelung oft kalt. Ähnliches gilt für Selbstständige.