Leitfaden mit fünf Schritten

In OWL werden Chefs gesucht: So wird man Unternehmer

Viele Familienunternehmen stehen in den kommenden Jahren vor einem Generationswechsel. Oft fehlt der Nachfolger aus der eigenen Familie. Eine Chance für Gründer.

Auch ohne Teil der Familie zu sein, kann eine Nachfolgegründerin ein Familienunternehmen übernehmen. | © Symbolbild: Pexels/cottonbro studio

Jemima Wittig
18.09.2025 | 18.09.2025, 13:15

Bielefeld. Rudolf Neumann wusste schon als Kind, dass er Chef sein will – Oliver Höfer wusste wiederum seit 2019, dass er seine Firma abgeben will. Im Jahr 2023 hatten beide erstmals Kontakt. 2024 wurden dann die Verträge unterschrieben und Neumann ist jetzt der Geschäftsführer der HEB Systemtechnik in Vlotho. Was erst mal sehr einfach klingt, war für beide ein längerer Prozess. Dass es diese Möglichkeit der Unternehmensübernahme gibt, ist oft nicht bekannt und wirkt kaum finanzierbar.

Laut der IHK NRW stehen in den nächsten zehn Jahren in 29.000 Firmen in Ostwestfalen Nachfolgen an, die 181.000 Beschäftigte betreffen. Externe Nachfolgelösungen werden immer relevanter, da familieninterne Lösungen abnehmen. Um beide Seiten zusammenzubringen, gibt es diverse Angebote, wie den IHK-Nachfolge-Pool, über den auch Neumann und Höfer vermittelt wurden.

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Am 24. September ab 12 Uhr legen die Veranstalter der zweiten Nachfolgewerkstatt einen besonderen Fokus auf das Thema Nachfolgegründung – also dem Weg in die Selbstständigkeit durch die Übernahme eines bestehenden Unternehmens. Veranstalter ist das Institut für Familienunternehmen OWL (iFUn) der Universität Bielefeld, in Kooperation mit der IHK Ostwestfalen und der Handwerkskammer OWL.

Rudolf Neumann (r.) hat 2024 das Unternehmen in Vlotho von Oliver Höfer übernommen. - © Jemima Wittig
Rudolf Neumann (r.) hat 2024 das Unternehmen in Vlotho von Oliver Höfer übernommen. | © Jemima Wittig

Übernahme bringt Chancen und Herausforderungen mit sich

„Wer ein Unternehmen übernimmt, gründet im übertragenen Sinne neu – mit allen Chancen, aber auch allen Herausforderungen“, sagt Christina Hoon. Sie ist Direktorin des iFUn und Inhaberin der Stiftungsprofessur „Führung von Familienunternehmen“ und setzt sich mit ihrem Institut seit dessen Gründung vor zehn Jahren mit Nachfolgethemen auseinander. „Unternehmensnachfolge ist keine verstaubte Familienangelegenheit, sondern eine echte Chance für junge Menschen, Verantwortung zu übernehmen und den Mittelstand zukunftsfähig zu gestalten“, sagt Hoons Kollegin Alina Schauf.

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Beiden fehlen derzeit gezielte Bildungsangebote zu dem Thema und sie machen außerdem darauf aufmerksam, dass die starke lokale Verwurzelung vieler Betriebe in OWL Verkäufe an Käufer von außerhalb erschweren. Mit ihrer Akademie wollen sie nun beide Seiten begleiten und sie mit Finanzierern vernetzen.

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Leitfaden für Nachfolgegründer

Damit der Weg in die Nachfolgegründung gelingt, haben sie an ihrem Institut einen Leitfaden mit fünf Schritten entwickelt, die potenzielle Nachfolgegründer klären sollten:

  1. Man sollte seine Vorstellungen, Visionen, Werte und Ziele klären. Dafür sollte man seine persönliche Vision für den Weg ins Unternehmertum, samt Motiven und Erwartungen, die man sich durch die Nachfolgegründung erhofft, schriftlich festhalten.
  2. Zudem sollte man entscheiden, ob man die Nachfolgegründung allein oder mit einem Partner mit ergänzenden Kompetenzen an der Seite durchführen möchte.
  3. Wenn das geklärt ist, sollte man die Suche aktiv starten und dafür Netzwerke oder Plattformen nutzen. Parallel sollte man sich mit Mentoren, Beratern und Unternehmerverbänden austauschen und professionalisierte Markt- und Branchenanalysen einsetzen.
  4. Ist das passende Unternehmen gefunden, sollte man eine Finanzierungsstrategie entwickeln: Also einen belastbaren Businessplan mit realistischen Szenarien erstellen und Bankkredite, Förderprogramme und Beteiligungskapital vergleichen. Es muss geklärt werden, wie viel Eigenkapital eingebracht werden kann.
  5. In den ersten 100 Tage nach der Übernahme muss Vertrauen zu Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten aufgebaut werden. Parallel erfolgt die Einarbeitung in Prozesse, Zahlen und Strukturen. Es muss eine klare Strategie für die nächsten Schritte entwickelt werden, wobei die Kommunikation transparent sein muss, damit alle Beteiligten über Veränderungen und Ziele informiert sind. „Die ersten 100 Tage entscheiden, ob Nachfolger Akzeptanz gewinnen und ob sie den Betrieb stabil weiterentwickeln können“, sagt Hoon.

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