
Hiddenhausen. Es war vor allem das Verantwortungsgefühl für seine Mitarbeiter, das Christian Scholz angetrieben hat, einen Nachfolger für seine Lackiererei in Hiddenhausen zu finden. Weil es niemanden aus den eigenen Reihen gab, suchte Scholz auf verschiedensten Wegen. Erst als die Schließung besiegelt schien und Kündigungen schon ausgesprochen waren, ergab sich eine Lösung in allerletzter Sekunde.
Den Betrieb mit fünf Mitarbeitern gründete der gelernte Industrielackierer Scholz 1998 zunächst an einem Standort in Herringhausen. Der Liebe wegen war der gebürtige Mannheimer, der in seiner Heimat als Feintechniker bei Mercedes-Benz gearbeitet hatte, nach Ostwestfalen-Lippe gekommen und hatte in einem Betrieb in Lemgo angeheuert. „Dort gab es zunächst eine Übernahmeoption, als es jedoch keine Einigung gab, habe ich mich selbstständig gemacht“, erinnert sich der Industrielackierermeister.
„Angefangen bin ich mit zwei Angestellten mit dem Lackieren von Kleinteilen für die Küchenindustrie“, erzählt Scholz. Weil die Kellerräume für größere Aufträge bald zu klein wurden, zog Scholz mit seiner Firma nach Hiddenhausen. „Die Hallen boten viel mehr Möglichkeiten, und ich konnte direkt anfangen“, sagt der 64-Jährige.
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Wunschvorstellung: Ruhestand mit 55 Jahren
In den Ruhestand gehen wollte Scholz ursprünglich mit 55 Jahren. Auf der Suche nach einem Nachfolger beauftragte er einen Makler und sprach auch mit zahlreichen Mitbewerbern. „Mein Sohn hatte direkt gesagt, dass er den geruchsintensiven und schmutzigen Beruf nicht machen möchte“, sagt Scholz, der das Thema immer weiter aufschob, weil sich kein Nachfolger fand.
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„In den vergangenen Jahren hat es mir dann aber immer weniger Spaß gemacht, und herausfordernde Zeiten, wie zum Beispiel die Coronapandemie oder die Krise durch den Ukraine-Krieg, steckt man mit dem Alter schlechter weg“, räumt Scholz ein. Er beschloss, den Betrieb zum 1. August 2024 zu schließen.
Um die teils langen Kündigungsfristen einiger langjähriger Mitarbeiter einzuhalten, kümmerte sich Scholz pünktlich und sprach Kündigungen aus. „Das ist mir besonders schwergefallen“, erinnert sich der Unternehmer. Auch die Presse berichtete über das Schicksal.
Betriebsübernahme der Lackiererei in sechs Wochen
Erst als Scholz bei seinem Mitbewerber Industrielackierungen Tappe in Löhne anrief, um dort die Übernahme einiger Maschinen anzubieten, erfuhr er, dass das Unternehmen seit einiger Zeit mit Jan-Christoph Menke einen neuen Inhaber hat. Und dann ging alles sehr schnell: Menke entschloss sich, die Industrielackiererei Scholz ebenfalls zu übernehmen.
„Obwohl wir beruflich vorher nichts miteinander zu tun hatten, waren wir uns direkt sympathisch und nach vertrauensvollen Gesprächen überzeugt, dass die Übernahme funktionieren würde“, erinnert sich Menke. Der gelernte Farb- und Lackiertechniker bezeichnet sich selbst als grenzenlosen Optimisten. „Wir haben auch offen über die wirtschaftlichen Herausforderungen gesprochen, und es gab Menschen in meinem Umfeld, die den Kopf über meine Pläne geschüttelt haben“, gibt Menke zu.
Doch innerhalb von sechs Wochen war die Übernahme fix. Bereits gekündigte Mitarbeiter wurden zurückgeholt und Kunden, die sich schon umorientiert hatten, vom Bleiben überzeugt. Menke hat große Pläne. „Ich bin nicht angetreten, um den Status quo zu erhalten“, sagt der 37-Jährige. Er möchte den Betrieb effizienter machen, für neue Technologien öffnen und die Möglichkeiten nutzen, die Ausstattung und Größe des Unternehmens bieten.
Schwierige Suche nach Nachfolgern im Handwerk
Scholz, der noch immer seinen Schreibtisch hat, steht ihm dabei beratend zur Seite und fungiert als „Dosenöffner“ bei manchem Kunden. „Scholz und auch Tappe sind renommierte Namen in der Branche, deswegen haben beide Betriebe ihre Namen behalten“, sagt Menke, der sich zwar selbst als entscheidungsfreudig bezeichnet, sich aber auch freut, auf die Expertise zurückgreifen zu können. Für zwei bis drei Stunden pro Woche, so wie er gebraucht werde, arbeitet Scholz heute noch im Betrieb.
Rückblickend sagt er, hätte er die Nachfolger-Suche früher angehen, die Angebote der Kammern nutzen müssen. Doch Menke sieht auch die jüngere Generation in der Pflicht. Wenn auch die Unternehmensnachfolge für ihn noch kein Thema sei, habe auch er als Meister bereits die Erfahrung gemacht, dass sich die Suche nach geeigneten Mitarbeitern schwierig gestalte. „Darum braucht es natürlich Risikobereitschaft und auch Mut, die Verantwortung für einen eigenen Betrieb und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu übernehmen“, sagt Menke. Er würde sich immer wieder dafür entscheiden.
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Unternehmensnachfolge
Das Thema Betriebsnachfolge treibt die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Region um. Mit dem Erreichen des Ruhestands der geburtenstarken Jahrgänge steht die Übergabe in zahlreichen industriellen, handwerklichen und auch landwirtschaftlichen Betrieben in den kommenden Jahren bevor. Noch immer ist die Nachfolge innerhalb der eigenen Familie die beliebteste der Übergabevariante, doch immer öfter fehlt ein Nachfolger in den eigenen Reihen.
Vor diesem Hintergrund berichten wir in dieser Zeitung in loser Reihenfolge über alternative Übergabemodelle abseits der klassischen Senior-Junior-Übergabe.