Vorstoß der neuen Ministerin

Beamte in die Rentenversicherung: Warum das weniger bringt, als viele denken

Neu-Ministerin Bärbel Bas startet mit einem kontroversen Vorschlag in ihre Amtszeit. Doch ist er überhaupt sinnvoll? Fachleute sind skeptisch.

Die Debatte um die Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung gewinnt an Fahrt. | © Fernando Gutierrez-Juarez/dpa

Andreas Niesmann
14.05.2025 | 14.05.2025, 05:00

Kaum im Amt, hat Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) für neuen Streit in der Rentenpolitik gesorgt. Auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige sollten in die Rentenversicherung einzahlen, forderte sie in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe. „Wir müssen die Einnahmen verbessern.“

Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten: Beamtenbund, Wirtschaftsvertreter und der Koalitionspartner CDU liefen Sturm. Doch was bezweckt die Frau, die in dieser Woche auch ihre Kandidatur für den Co-Vorsitz der SPD bekannt gegeben hat, mit ihrem Vorstoß? Wie soll das funktionieren? Und was wären die Folgen einer solchen Reform?

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Was will Bas genau?

Das ist nicht ganz klar, denn außer ein paar dürren Interviewsätzen ist über den Plan der Ministerin wenig bekannt. Der Koalitionsvertrag zwischen SPD und Union sieht eine Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung ausdrücklich nicht vor – wohl aber die Einsetzung einer Expertenkommission, die Vorschläge für eine Rentenreform erarbeiten soll. In diesen Prozess will Bas ihre Vorstellungen einbringen. Sie sei in diesem Punkt nicht flexibel, erklärte die Ministerin im Interview. „Wir müssen mehr Leute an der Finanzierung der Rentenversicherung beteiligen.“

Wie ist die Rechtslage heute?

Wer sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, muss in die Rentenversicherung einzahlen. 18,6 Prozent des Bruttolohns werden dafür fällig, hälftig getragen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Beitrag wird bis zu einem monatlichen Verdienst von derzeit 8050 Euro erhoben. Jeder über diese Bemessungsgrenze hinaus verdiente Euro ist beitragsfrei. Bei Selbstständigen kommt es darauf an: Sind sie pflichtversichert wie Seelotsen, Hebammen oder viele Handwerker, müssen auch sie in die Rentenkasse einbezahlen, wobei die Beiträge anders berechnet werden. Nicht pflichtversicherte Selbstständige können auf freiwilliger Basis Beiträge zahlen und so für das Alter vorsorgen. Theoretisch stünde diese Möglichkeit auch Beamten offen, praktisch aber sind die über ihre Pensionsansprüche besser abgesichert als Rentner. Beiträge für Pensionen bezahlen Beamte nicht, ihre Abzüge vom Bruttolohn sind daher im Vergleich zu Angestellten geringer.

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Ist das Pensionsprivileg ungerecht?

Beamte haben bei ihrer Altersvorsorge einen doppelten Vorteil: Sie zahlen keine Beiträge, und das durchschnittliche Niveau der Altersbezüge ist deutlich höher. Auch gibt es für sie eine Mindestpension, die das Rentensystem nicht kennt. Grund dafür ist der Sonderstatus von Beamten. Für sie gilt das Alimentationsprinzip. Das heißt, der Staat übernimmt die Versorgung, wozu auch der Lebensunterhalt im Alter zählt. Im Gegenzug verzichten Beamte auf einige Rechte, etwa das Streikrecht. Die Frage, ob das ungerecht ist, hängt stark vom Standpunkt des Betrachters ab. In den unteren Besoldungsgruppen etwa bei der Polizei oder der Bundeswehr verdienen auch Beamte nicht besonders gut. In den höheren Besoldungsgruppen wiederum finden sich häufig besonders qualifizierte Beschäftigte, die in der Wirtschaft noch deutlich besser verdienen könnten. In beiden Fällen können die Pensionsansprüche ein Anreiz für den Einstieg in den Staatsdienst sein.

Warum will Bas das System ändern?

Die SPD wirbt seit Langem für eine Erweiterung des Kreises der Sozialversicherungspflichtigen. Im Gesundheits- und Pflegebereich verfolgen die Sozialdemokraten mit Bürgerversicherung ein ähnliches Modell. Ziel ist es, die Einnahmebasis der Sozialversicherungen zu verbessern und dadurch Beitragsanstiege abzumildern, die durch den demografischen Wandel absehbar auf die Beschäftigten zukommen.

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Kann man Beamten ihre Pensionsansprüche wegnehmen?

Nach allgemeiner Auffassung geht das nicht. Bestehende Beamte genießen Bestandsschutz. Ein Systemwechsel ließe sich nur für Neueinstellungen beschließen. Möglich wäre, dass der Staatsdienst ohne die Versorgungsansprüche für Bewerber an Attraktivität verlöre. In diesem Fall müssten die Gehälter steigen.

Würden Beamte das Rentensystem stabilisieren?

Fachleute sind skeptisch. Der Bas-Vorschlag würde einen Haufen neuer Probleme produzieren, ohne die bestehenden zu lösen, argumentiert das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln). Zwar würden bei einem Eintritt von Beamten in die gesetzliche Rente kurzfristig mehr Beiträge ins System fließen, langfristig aber würden auch die Ausgaben steigen, und das wegen der im Bevölkerungsschnitt höheren Lebenserwartung der Beamten überproportional. Bis der Kipppunkt erreicht ist, dürfte es allerdings eine Zeit dauern. Laut einer Berechnung der Wirtschaftsweisen würde eine Aufnahme der Beamten in das Rentensystem erst Mitte der 2070er-Jahre zu höheren Beitragssätzen führen.

Was wären die kurzfristigen Folgen der Reform?

Der kurzfristigen Entlastung der Rentenkasse stünde eine ebenso kurzfristige Belastung der öffentlichen Hand bei den Lohnkosten gegenüber. Rund 20 Milliarden Euro Rentenbeiträge müsste der Staat laut IW-Berechnungen für seine 1,9 Millionen Beamten bezahlen. Bei einer paritätischen Finanzierung wären es noch 10 Milliarden Euro, diese käme für die Beamten aber einer Nettolohnkürzung gleich.