Teilzeit-Trend

Junge Krankenschwester aus OWL erklärt, warum sie nicht Vollzeit arbeiten will

Katrin Hermann aus Bad Salzuflen hat sich nach der Ausbildung gegen eine Vollzeitstelle entschieden – trotz negativer Auswirkungen auf ihre Rente. Doch vieles spricht für die Krankenschwester dafür.

Weniger Arbeitsstunden bedeuten in der Regel ein geringeres Einkommen, das sich auf spätere Rentenbezüge auswirkt. Eine Krankenschwester aus Bad Salzuflen hat sich dennoch dafür entschieden. | © picture alliance / TT NEWS AGENCY

Mareike Köstermeyer
30.04.2025 | 30.04.2025, 08:07

Herford. Katrin Hermann ist Kinderkrankenschwester aus Überzeugung. Es macht ihr Spaß, Menschen zu helfen, und sie hat schon immer gerne mit Kindern zusammengearbeitet. Ein anderer Beruf wäre für die 30-Jährige nicht infrage gekommen. Trotzdem entscheidet sie sich direkt im Anschluss an ihre Ausbildung gegen eine Vollzeitstelle in dem Beruf und für ein 75-Prozent-Modell. Ein Schritt, der ein strukturelles ökonomisches Problem offenbart.

Obwohl die Schichtarbeit, für die Bad Salzuflerin nie ein Problem gewesen sei, sie es sogar als „ganz praktisch“ empfand, mal morgens und mal nachmittags frei zu haben, musste sie schnell feststellen, dass für Familie, Freunde und Hobbys zu wenig Zeit blieb. „Die wechselnden Arbeitszeiten habe ich im Bundesfreiwilligendienst zu schätzen gelernt, aber schon während der Ausbildung zur Kinderkrankenschwester musste ich feststellen, dass meine Lebensqualität unter der Arbeitsbelastung einer Vollzeitbeschäftigung leidet“, erinnert sie sich.

Für die junge Frau stand fest: „Eine 100-Prozent-Stelle kann und will ich nicht.“ Sie entschied sich darum direkt nach der Ausbildung gegen die Vollzeitstelle und für mehr Lebensqualität mit einem 75-Prozent-Modell. Schon seit Längerem steigt die Teilzeitbeschäftigung in Deutschland stetig an. Rekordniveau erreichte sie dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zufolge im Sommer 2024, als die Quote deutschlandweit bei 39,1 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen lag.

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Teilzeit als ein „selektives Phänomen“

Laut Stefan Diestel, der an der Universität Wuppertal zu den Themen Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie lehrt, seien junge Menschen in Teilzeit zwar ein „selektives Phänomen“, das jedoch vermehrt in Berufsfeldern auftauche, „in denen ein besonderes Maß an Selbstkontrolle und Emotionalität gefordert ist und psychische Ressourcen durch dynamische Anforderungen verbraucht werden“. Heißt: vor allem in der Pflege- und Dienstleistungsbranche oder in der Gastronomie.

„Die Arbeitsbelastung in diesen Branchen hat erheblich zugenommen, was sich auf die Psyche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer niederschlägt“, erklärt der Psychologe. Die Suche nach Sinn und Erfüllung, die Betroffene nicht in ihrer Arbeit finden, aber beispielsweise in Form von mehr Freizeitausgleich, nennt Diestel eine Schutzreaktion.

Bei ihrer Chefin stieß die Entscheidung der Kinderkrankenschwester für das 75-Prozent-Modell auf Unverständnis. Warum sollte eine 30-jährige Frau nicht Vollzeit arbeiten können? Doch neben Hermann entschieden sich weitere Schwestern und Ausbildungsabsolventen auf der Station gegen die Vollzeitstelle.

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Immer wieder ein paar Tage am Stück frei

Einen großen Nachteil beim Einkommen bemerkt die 30-Jährige durch die verkürzte Arbeitszeit ihren Angaben nach nicht. Sie könne ihr Leben gut bezahlen und habe zwischendurch immer wieder ein paar Tage am Stück frei. „Vor allem seit wir in der Klinik auch eine Fünf-Tage-Woche haben, macht sich das beim Freizeitanteil deutlich bemerkbar“, sagt sie.

Und auch um ihre Versorgung im Alter mache sie sich keine Sorgen. Obwohl die „gesetzliche Rente ein Spiegelbild der Erwerbsbiografie“ sei, wie Dirk Manthey von der Deutschen Rentenversicherung erklärt. Vereinfacht bedeute das: Je höher die eingezahlten Beiträge sind, die sich nach dem sozialversicherungspflichtigen Einkommen richten, desto höher falle die Rente aus.

Bei einem Jahreseinkommen von 30.000 Euro ergebe sich bei einer Vollzeittätigkeit eine Rentenanwartschaft in Höhe von 23,26 Euro. Bei einer Teilzeittätigkeit von 75 Prozent liege die Anwartschaft hingegen nur bei 17,52 Euro. Um darüber zu informieren, verschicke die Deutsche Rentenversicherung jährlich rund 30 Millionen Renteninformationen. Doch auch in der „Digitalen Renteninformation“ der Deutschen Rentenversicherung können Arbeitnehmer jederzeit sehen, wie hoch ihr Rentenanspruch zum aktuellen Zeitpunkt wäre.

Stabilität zeichnet Rentenversicherung aus

Der Sorge junger Menschen, später nicht mehr vom System der gesetzlichen Rentenversicherung profitieren zu können, widerspricht Manthey dabei deutlich. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich die gesetzliche Rentenversicherung durch ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit und Stabilität auszeichnet.“

Durch Reformen sei es bisher immer gelungen, die Renten zu stabilisieren und gleichzeitig die Beiträge in einem angemessenen Rahmen zu halten. „Es gibt daher auch für die junge Generation gute Gründe, optimistisch in die Zukunft zu blicken und sich auf die gesetzliche Rentenversicherung zu verlassen.“

Die Krankenschwester aus Bad Salzuflen hat dennoch zwei private Altersvorsorgen abgeschlossen. Inzwischen hat sie jedoch auch auf ein 85-Prozent-Modell aufgestockt. „Glücklicherweise wird das von meinem Arbeitgeber sehr flexibel angeboten.“ Sollte man auf absehbare Zeit ein höheres Einkommen brauchen, sei es kein Problem, kurzfristig auf 100 Prozent aufzustocken. Das sei für die 30-Jährige jedoch weiterhin keine Option, obwohl sie aus Überzeugung Kinderkrankenschwester ist.

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