Bielefelder Rentner will arbeiten – wenn nur die Abgaben nicht so hoch wären

Bielefeld. Eigentlich ist der Staat froh über Rentner, die auch im Ruhestand ein wenig arbeiten wollen – denn in vielen Branchen herrscht noch immer ein Fachkräftemangel. Der 78-jährige Bielefelder Ingo Schomburg allerdings fühlt sich ausgebeutet: &bdquo;Wer als Rentner etwas dazuverdienen möchte, sollte die Rechnung nicht ohne das Finanzamt und die Sozialversicherung machen“, warnt er. Im Extremfall und wenn man nicht aufpasst, könne &bdquo;der Fall eintreten, dass der Zuverdienst letztlich zum Verlustgeschäft wird“, klagt er aus leidvoller Erfahrung. Denn neben dem Fiskus und der Kranken- und Pflegeversicherung müssen noch weitere Kostenfaktoren einkalkuliert werden. Ingo Schomburg ist gelernter Krankenpfleger und studierter Pädagoge, viele Jahre lang hat er in Bethel als Lehrer für die Fort- und Weiterbildung in Pflegeberufen gearbeitet, wie er sagt. Und noch heute gibt er Unterricht für junge Pflegekräfte. &bdquo;Ich arbeite in einem Mangelberuf“, weiß er. Der 78-Jährige tut das gern, wie er betont. Er und seine Frau Karin möchten &bdquo;etwas mehr Qualität am Lebensabend genießen können“, wie er sagt. &bdquo;Und es macht mir einfach Spaß, ich möchte weitermachen.“ Doch hohe Steuern und Abgaben sowie weitere Hürden trübten die Freude deutlich. Natürlich sei ihm klar, dass der Fiskus an seinem Zubrot mitverdienen möchte. &bdquo;Was mir zunächst nicht so gegenwärtig war, ist die Tatsache, dass auch die Kranken- und Pflegeversicherung ihren Anteil aus den Honorareinnahmen verlangt“, erklärt er. Als Freiberufler müsse er den vollen Beitrag zahlen, einen Arbeitgeberanteil gibt es für ihn nicht. Lesen Sie auch: Krankenkassen erhöhen Beiträge: Lohnt sich ein Wechsel für Versicherte in OWL? Die Sache läppert sich: Volle 14,6 Prozent vom Lohn kassiert die gesetzliche Krankenversicherung, 3,6 Prozent die Pflegeversicherung. Und da die drei Kinder des Ehepaars alle über 25 Jahre alt sind – darunter die bekannte Schlagersängerin Bianca Schomburg, die 1997 in Dublin für Deutschland am ESC teilnahm – gibt es für die Schomburgs hier auch keine Ermäßigung mehr. .responsive23-oszbwIrwLrnFXhQF-bar-horizontal-wochenarbeitsstunden-von { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-oszbwIrwLrnFXhQF-bar-horizontal-wochenarbeitsstunden-von { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-oszbwIrwLrnFXhQF-bar-horizontal-wochenarbeitsstunden-von { padding-top: 142.86%; } } Von 30 Euro Stundenlohn bleiben nur 12 Euro Noch kräftiger kassiert das Finanzamt: &bdquo;Durch die Progression komme ich auf fast 30 Prozent Durchschnittssteuersatz“, rechnet der Pflegelehrer vor. Mehr als die Hälfte seines zusätzlichen Verdienstes müsse er abführen, von 30 Euro Stundenlohn blieben ihm letztlich nur 12 Euro. Insgesamt zahle er für den Nebenerwerb allein 6.000 Euro jährlich an Beiträgen für die Krankenversicherung. Lesen Sie auch: Das sollten Sie über Krankenversicherungen wissen Auch Fahrt- und Werbungskosten schmälern den Zuverdienst im Nebenjob. Um alle Möglichkeiten, diese Kosten steuerlich geltend zu machen, optimal auszuschöpfen, hatte Schomburg in der Vergangenheit einen Steuerberater beauftragt. Doch der langjährige Helfer hatte sich selbst in den Ruhestand verabschiedet. Also lautete die Frage: Selber machen? Das Elster-Verfahren über das Internet erwies sich jedoch als ziemlich kompliziert für ihn, &bdquo;es gibt eine ellenlange Liste mit Anlagen und Formularen für die verschiedenen Verwendungszwecke und Einkommensarten“, stellte der 78-Jährige fest. &bdquo;Eine Sisyphos-Arbeit“, knurrt er. Eine wie früher üblich auf Papier-Formularen erstellte schriftliche Steuererklärung sei generell für Rentner zulässig, nicht allerdings für freiberuflich Tätige wie ihn. Also suchte er nach einem neuen Steuerberater. Und hier begann für Schomburg eine weitere Tortur. Absagen von 20 Steuerberatern: Kein Interesse &bdquo;Von etwa 20 angeschriebenen Steuerberatern habe ich ausnahmslos abschlägige Antworten erhalten – wenn ich überhaupt eine Reaktion auf meine Anfrage erhielt“, sagt er genervt. In den Absagen sei die Rede von Überlastung oder schlicht von mangelndem Interesse gewesen. Ein Steuerberater habe ihm frank und frei erklärt, seine Kanzlei könne wegen der hohen Kosten für gutes Personal &bdquo;nur Mandanten betreuen, die wirtschaftlich für uns lohnend sind“, sprich: die viel verdienen. Die im Internet angebotenen Hilfsprogramme – angeblich &bdquo;überraschend einfach“ und &bdquo;in wenigen Minuten“ – erwiesen sich für ihn als nicht praktikabel, &bdquo;ich war ratlos, was ich wo eintragen sollte“. Und ein Lohnsteuerhilfeverein konnte ihm nicht helfen, weil die Dienste nur für angestellte Arbeitnehmer zur Verfügung stehen, bei Einkünften aus selbstständiger Arbeit dürften die Vereine nicht beraten. Lesen Sie auch: Arbeiten trotz Rente – das ist zu beachten Schomburg ist sauer: &bdquo;Es müsste bessere Anreize und Erleichterungen bei der Krankenversicherung geben, um Menschen im Rentenalter zu motivieren, noch weiter zu arbeiten – ohne dass diese Arbeit zum Bumerang wird“, fordert er. Immerhin gebe es jetzt Pläne der neuen Berliner Koalition, die Freibeträge für Zuverdienste zu erhöhen und vielleicht sogar die Steuererklärungen für Rentner ganz abzuschaffen. In Zukunft glaubt Schomburg, vielleicht doch noch einen Steuerberater finden zu können, der seine Steuererklärung für rund 1.000 Euro erstellt. Auch wenn dieser Preis seinen Zuverdienst empfindlich schmälert. Für das vergangene Jahr war noch einmal der alte Steuerberater eingesprungen. 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