Gildenhaus-Gespräch

Mangelnde Infrastruktur als Gefahr? So blicken OWL-Chefs jetzt auf die Wirtschaft

„Warum schaffen wir das nicht?“ Das war eine der Fragen, mit der sich Wirtschaftsgrößen im Bielefelder Gildenhaus-Verein befassten. Doch der Ausblick ist nicht nur düster.

Sebastian Göbel, Christian Harras-Wolff und Götz Dörmann diskutierten über die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland. | © Oliver Krato

Mareike Köstermeyer
17.04.2025 | 17.04.2025, 14:36

Bielefeld. Die deutsche Wirtschaft schwächelt. Gestiegene Energiekosten, überbordende Bürokratie, hohe Personalkosten und der Arbeits- und Fachkräftemangel gelten unter anderem als Ursachen für die unzufriedenstellende Konjunktur. Experten warnen: Eine mangelnde Infrastruktur bei Digitalisierung, Verkehr und Energie verhindern Investitionen und gefährden den Wirtschaftsstandort Deutschland. Aber ist das wirklich so?

Diese Frage ist Thema des jüngsten Gildenhaus-Gesprächs gewesen, zu dem der Bielefelder Verein alle Interessierten in den großen Saal der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) eingeladen hatte. Rund 50 Gäste waren der Einladung gefolgt und hörten sich zunächst die Impulsvorträge von Götz Dörmann, der als Geschäftsführer der IHK verantwortlich für die Bereiche Internationales, Handel und Verkehr zuständig ist, und von Sebastian Göbel, Geschäftsführer der Boge Kompressoren Otto Boge GmbH & Co. KG, an, bevor sie in die offene Diskussion starteten.

Die Grafiken, die Dörmann für das Publikum vorbereitet hatte, zeigten ein ambivalentes Bild. Zwar sei Deutschland, das noch immer 28 Prozent des BIP im Industriesektor erwirtschafte, weiterhin die größte Volkswirtschaft der EU, doch laut dem Standortindex des Instituts der Deutschen Wirtschaft lande Deutschland nur auf Platz vier hinter der Schweiz und Dänemark, die auch beim Ranking nach Innovationsfähigkeit auf den vorderen Plätzen landen. „Da hakt es in Deutschland eindeutig, denn da landen wir nur auf Platz 12, obwohl wir bei den Patentanmeldungen weltweit auf Platz 2 landen“, machte Dörmann eine Problematik deutlich.

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Deutschland hinkt im Europavergleich hinterher

Doch auch der Fachkräftemangel sei in Deutschland, das auch bei der Digitalisierung im Europavergleich hinterherhinkt, längst Realität. Besonders bedenklich: Während schon jetzt 54 Prozent der Stellen in der Industrie nicht besetzt werden können, beende derzeit jeder Zehnte in Deutschland die Schule ohne Abschluss und gelte somit als bildungsarm. „Da ist es verständlich, dass niemand am Standort investiert, wenn zusätzlich noch die wirtschaftspolitische Lage Umfragen zufolge als so unsicher wie in Großbritannien zu Brexit-Zeiten bewertet wird“, schlussfolgerte Dörmann.

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Etwas zuversichtlicher gab sich Göbel in seinem Beitrag, in dem er auch aus eigener Erfahrung über einige Schwierigkeiten durch die Bürokratie berichten konnte. Natürlich müsse Deutschland „mutiger, schneller und entschlossener agieren“, um als Wirtschaftsstandort relevant zu bleiben, sagte er.

Aber als Stärken des Standorts nannte der Unternehmer unter anderem die zentrale Lage in Europa sowie das weltweit einzigartige duale Ausbildungssystem in einer funktionierenden Demokratie. Und trotzdem bleibe laut Göbel die Frage: „Warum schaffen wir das nicht?“

Fazit in Bielefeld: Es gibt Hoffnung für Deutschlands Wirtschaft

Über die Frage, warum Deutschland es nicht aus der kriselnden Wirtschaftssituation schafft, entwickelte sich nach den Impulsvorträgen von Dörmann und Göbel eine offene Diskussionsrunde, die vom Gildenhaus-Vorstandsvorsitzenden Christoph Harras-Wolff geleitet wurde. Die Ansätze reichten von einem besseren Austausch zwischen Politik, Verwaltung und Unternehmern über eine effizientere Umsetzung der EU-Politik bis hin zu mehr Pflichtbewusstsein und Arbeitseinsatz. Eine Einordnung dieser Forderung blieb jedoch aus, weil Clea Stille, die Regionalgeschäftsführerin des DGB OWL, krankheitsbedingt absagen musste.

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In einer abschließenden Umfrage kamen immerhin zwei Drittel der Anwesenden zu dem Ergebnis, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland aufgrund der genannten Umstände bedroht sei. Doch für fast alle Diskussionsteilnehmer stand an diesem Abend auch fest: Es besteht noch eine Möglichkeit, da herauszukommen und den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder nach vorn zu bringen.