Negativpreis vergeben

Verbraucher haben entschieden: Das ist die „Mogelpackung des Jahres“

Über 32.000 Verbraucher haben bei der Wahl zur „Mogelpackung des Jahres“ abgestimmt – und waren sich sehr einig. Die Verbraucherzentrale sieht dringenden Handlungsbedarf.

Das waren die Kandidaten zur Wahl der "Mogelpackung des Jahres 2024". | © Verbraucherzentrale Hamburg

23.01.2025 | 23.01.2025, 06:45

Billiges Zuckerwasser statt teurer Orangensaft, doch der Verkaufspreis im Supermarkt bleibt gleich: Mit diesem Trick versucht der Fruchtsaft-Hersteller Eckes-Granini, höhere Kosten unbemerkt an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterzugeben. Denn nur der verschwundene Hinweis „100 Prozent Fruchtsaft“ könnte aufmerksame Kunden auf die Mogelpackung hinweisen. Darum ist das Getränk „Granini Trinkgenuss Orange“ zur „Mogelpackung des Jahres 2024“ ausgezeichnet worden.

„Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben Eckes-Granini zu Recht einen Denkzettel verpasst. Der Anbieter hat seinen hundertprozentigen Orangensaft gestreckt und auch noch versucht, dies zu vertuschen“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Weil der Preis im Einzelhandel unverändert blieb, entspricht das bezogen auf den Fruchtsaftanteil einer Verdoppelung des Preises. Für die Verbraucher Anlass genug, die Auszeichnung der Mogelpackung des Jahres zu vergeben.

Dass die Hersteller versuchen, höhere Kosten an ihre Kundinnen und Kunden weiterzugeben, findet Valet nachvollziehbar. Ernteausfälle durch den Klimawandel und eine Pflanzenkrankheit bei Orangenbäumen haben dem Verbraucherschützer zufolge zuletzt für massive Preissteigerungen für Orangensaftkonzentrat geführt, durch die die Saftproduzenten unter Druck geraten. „Aber schrumpfende Füllmengen oder der Verzicht auf wertvolle Zutaten sind der falsche Weg, um Margen zu sichern“, mahnt Valet.

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Das waren die Kandidaten für die „Mogelpackung des Jahres“

Mit ihrer Auszeichnung will die Hamburger Verbraucherzentrale auf Tricksereien beim Preis aufmerksam machen. Zur Auswahl standen fünf nominierte Produkte, bei denen die Hersteller bei Inhalt und Preis gemogelt haben:

Kandidat 1: Lebensbaum Tomaten-Gewürzsalz von Ulrich Walter

Kandidat 1: Lebensbaum Tomaten-Gewürzsalz von Ulrich Walter. - © Verbraucherzentrale Hamburg
Kandidat 1: Lebensbaum Tomaten-Gewürzsalz von Ulrich Walter. | © Verbraucherzentrale Hamburg

Beim Gewürzsalz der Ulrich Walter GmbH schrumpfte der Inhalt laut Verbraucherzentrale im Jahr 2024 von 150 auf 80 Gramm, also um fast die Hälfte. Gleichzeitig stieg der Verkaufspreis von 2,99 Euro auf 3,99 Euro. Das entspricht einer Preissteigerung von 150 Prozent, ohne dass sich die Rezeptur verändert hätte.

Zudem betrage der Luftanteil fast 40 Prozent. Die vorherige Dose sei nahezu bis zum Rand gefüllt worden. Die neue Kunststoffdose täusche nach Auffassung der Verbraucherzentrale Hamburg mehr Inhalt vor und sei für Verbraucherinnen und Verbraucher irreführend.

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In ihrer Stellungnahme nennt die Ulrich Walter GmbH drei Gründe für den Preisanstieg: eine nachhaltigere Verpackung, eine bedarfsgerechte Füllmenge und gestiegene Kosten für Rohstoffe, Transport und Energie.

Kandidat 2: Cremissimo Bourbon Vanille von Unilever

Kandidat 2: Cremissimo Bourbon Vanille von Unilever. - © Verbraucherzentrale Hamburg
Kandidat 2: Cremissimo Bourbon Vanille von Unilever. | © Verbraucherzentrale Hamburg

Beim Cremissimo-Eis der Sorte Bourbon Vanille schrumpfte laut Verbraucherzentrale die Füllmenge von 1.300 auf 900 Milliliter. Bei gleichem Verkaufspreis im Handel betrage die versteckte Preiserhöhung bis zu 44 Prozent.

Laut einer Stellungnahme von Unilever im März 2024 soll die große Familienpackung des Cremissimo Bourbon Vanille weiterhin erhältlich sein. Wie oft und zu welchen Anlässen das Produkt angeboten werden soll, bleibe jedoch unklar.

Kandidat 3: Granini Trinkgenuss Orange von Eckes-Granini

Kandidat 3: Granini Trinkgenuss Orange von Eckes-Granini. - © Verbraucherzentrale Hamburg
Kandidat 3: Granini Trinkgenuss Orange von Eckes-Granini. | © Verbraucherzentrale Hamburg

Wie die Verbraucherzentrale mitteilt, stecken statt 100 Prozent Fruchtsaft nur noch 50 Prozent Orangensaft in der Flasche. Den Rest fülle der Hersteller mit Zuckerwasser auf. Im Handel stehe der „gestreckte Saft“ jedoch weiterhin zum selben Preis im Regal.

Auch auf die neue Zusammensetzung des Getränks werde nicht transparent hingewiesen. Auf der Flasche des „Granini Trinkgenuss Orange“ fehle lediglich der Hinweis „100 % Fruchtsaft“. Hersteller Eckes-Granini verweist in einer Stellungnahme auf höhere Preise für Orangensaft aufgrund von Missernten.

Kandidat 4: Biscotto Waffelblättchen von Aldi Nord

Kandidat 4: Biscotto Waffelblättchen von Aldi Nord. - © Verbraucherzentrale Hamburg
Kandidat 4: Biscotto Waffelblättchen von Aldi Nord. | © Verbraucherzentrale Hamburg

Bei den Waffelblättchen schrumpfte die Füllmenge von 200 auf 100 Gramm. Bei gleichem Verkaufspreis von 1,99 Euro ist das Waffelgebäck trotz unveränderter Rezeptur plötzlich um 100 Prozent teurer. Für einen Discounter, der mit Tiefstpreisen werbe, sei das ein ziemlich drastischer Preisanstieg, teilt die Verbraucherzentrale mit.

Beworben sei das Gebäck im Rahmen einer „Aktion“, was jedoch nicht für einen besonders günstigen Preis stehen würde. Vielmehr handele es sich um ein zeitlich begrenzt verfügbares Produkt. Der Discounter Aldi Nord rechtfertigt den Preisanstieg der Biscotto Waffelblättchen mit gestiegenen Kosten für die Hauptzutat Kakao, wobei die Verbraucherzentrale darauf verweist, dass die Kakaopreise zuletzt wieder gesunken sind.

Kandidat 5: Dove Duschcreme von Unilever

Kandidat 5: Dove Duschcreme von Unilever. - © Verbraucherzentrale Hamburg
Kandidat 5: Dove Duschcreme von Unilever. | © Verbraucherzentrale Hamburg

Ein scheinbar höherwertiges Produkt entpuppte sich laut Verbraucherzentrale als „alter Wein in neuen Schläuchen“. Trotzdem koste die neue Duschcreme fast doppelt so viel wie die alte Pflegedusche. Die Füllmenge sinke, und der Preis steige. Die Inhaltsstoffe seien aber fast identisch geblieben. Bei der Sorte „Reichhaltige Pflege“ unterscheiden sich nur zwei von 29 Zutaten.

Hersteller Unilever spricht in einer Stellungnahme dennoch von einem neuen, höherwertigen Produkt und verweist unter anderem auf dessen innovative Flaschenform.

Weniger Mogelpackungen, aber höhere Preisaufschläge

Weniger Inhalt zum gleichen oder sogar zu einem höheren Preis, das Phänomen wird als „Shrinkflation“ bezeichnet. Das Phänomen „Shrinkflation“ kombiniert das englische Wort „to shrink“ (auf Deutsch: „schrumpfen“) mit „Inflation“. Gemeint ist damit, dass sowohl Verpackungsgröße und Preis eines Produkts gleich bleiben, der Inhalt aber kleiner wird. So können Hersteller auf eine für den Kunden offensichtliche Preiserhöhung verzichten.

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Die Hamburger Verbraucherzentrale fordert gesetzliche Vorgaben, die Hersteller zur klaren Kennzeichnung von Mogelpackungen verpflichtet. In anderen Ländern sei das schon längst üblich: In Ungarn und Frankreich etwa müssten Lebensmitteleinzelhändler seit dem vergangenen Jahr Mogelpackungen mit einem Hinweis am Regalkenntlich machen. In Brasilien seien sogar Warnhinweise direkt auf der Verpackung vorgeschrieben. „Aber in Deutschland gibt es trotz Ankündigungen und Versprechungen praktisch keine Vorgaben, um dreiste Mogeleien einzuschränken. Die Politik lässt Verbraucherinnen und Verbraucher seit Jahren im Stich“, so Valet.