
Bielefeld. Kälte, Kameraüberwachung bei der Arbeit und mangelhafter Datenschutz – die Vorwürfe der drei Männer gegen ihren Arbeitgeber sind hart. „Wir wollen miteinander die Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten verbessern und so das Unternehmen voranbringen“, sagen die Männer, die vorerst unerkannt bleiben möchten, aus Angst ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Sie wollen nun einen Betriebsrat gründen. Ihr Arbeitgeber ist Oetker-Tochter Flaschenpost mit mehr als 430 Mitarbeitenden am Standort Bielefeld.
Der Lebensmittel-Lieferant hat sich 2016 in Münster nach eigenen Angaben als erster deutscher Getränkesofortlieferdienst gegründet. Seit Ende 2020 gehört Flaschenpost zur Oetker-Gruppe und liefert unter anderem auch nach Bielefeld. 2021 wurde der Getränkesofortlieferdienst zum Online-Supermarkt umstrukturiert. Oetker zufolge verfügt das Unternehmen über mehr als 30 Standorte. Ende Oktober dieses Jahres wurde die geplante Schließung des Düsseldorfer Lagers bekannt gegeben. Laut einer Bilanz aus dem Sommer dieses Jahres konnte der durchschnittliche Bestellwert der Kunden im vergangenen Jahr konsequent gesteigert werden. Das Versprechen an die Kunden: In 120 Minuten wird geliefert.
120 Minuten, die für die Angestellten sowohl im Lager als auch in der Auslieferung viel Arbeit bedeuten – und die getrackt werden. Wie lange braucht jemand zum be- und entladen? Wo befindet sich der Fahrer auf der Route? All das sei auslesbar. Aber was ist wirklich nötig? Unter anderem mit dieser Frage soll sich der neue Betriebsrat beschäftigen. „Bei solchen Themen muss ein Betriebsrat einbezogen werden“, betont Nina Begemann, Gewerkschaftssekretärin für den Handel im Verdi-Bezirk Ostwestfalen-Lippe.
Lesen Sie auch: Große Übersicht: Welche Lebensmittel-Lieferanten wo in OWL liefern
Verdi: Es gab Kündigungen im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen
Im Sommer hat sich eine kleine Gruppe der Angestellten an die Gewerkschaft gewendet. Es folgten Beratungsgespräche und ein Gang zum Notar. In der Vergangenheit habe es bei Flaschenpost Berichte über Kündigungen von Arbeitnehmenden im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit Betriebsratswahlen gegeben, erklärt Begemann. Diesbezügliche Erfahrungen weckten die Befürchtung, dass die anstehende Wahl ebenfalls auf Widerstände stoßen könnte.
„Gerade in einer Stadt wie Bielefeld, die so eng mit dem Traditionsunternehmen Dr. Oetker verbunden ist, erwarten wir eine respektvolle Zusammenarbeit im Sinne aller Beteiligten“, sagt sie. Die Wahl eines Betriebsrats wird von Verdi als entscheidender Schritt zur Stärkung von Arbeitnehmerrechten angesehen. „Demokratie darf in Unternehmen nicht außen vor bleiben. Wir hoffen, dass die Mitbestimmung bei Flaschenpost ebenso positiv aufgenommen wird, wie die traditionellen Werte, für die Dr. Oetker steht.“
Lesen Sie auch: Großer Überblick: So wird der Oetker-Konzern jetzt aufgeteilt
„Wir stehen einer Betriebsratsgründung grundsätzlich offen gegenüber“, heißt es auf Anfrage aus der Pressestelle von Flaschenpost. „Eine gerechte Mitbestimmung unserer Mitarbeitenden ist uns sehr wichtig.“ Des Weiteren heißt es: „Wir werden weiterhin alles dafür tun, dass sich unsere Mitarbeitenden bei uns wohlfühlen, in einem Umfeld, in dem jeder die gleiche Chance auf Mitbestimmung hat und dieses Privileg nicht nur einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vorbehalten ist.“
Über die geäußerten Vorwürfe zeigt man sich überrascht. Es gebe vierteljährlich interne Mitarbeiterbefragungen. Zuletzt habe die Mitarbeiterzufriedenheit im Schnitt bei 85 Prozent Weiterempfehlungsquote der Flaschenpost als Arbeitgeber gelegen. „In Bielefeld liegt die Zufriedenheitsquote sogar regelmäßig bei fast 90 Prozent.“
Wenn alles wie von den Flaschenpost-Angestellten geplant läuft, sieht der Ablauf wie folgt aus: Am Mittwochnachmittag wurde die Einladung zur Betriebsversammlung ausgehängt. Darauf stehen auch die Namen der sechs Einladenden, die damit unter Kündigungsschutz stehen. Am 9. Dezember soll dann bei der Betriebsversammlung ein Wahlvorstand gewählt werden, der die Wahl eines Betriebsrates durchführen soll. Im ersten Quartal des kommenden Jahres soll schließlich ein Betriebsrat feststehen.