Wirtschaftsjunioren Ostwestfalen: Was junge Unternehmer noch motiviert

Bielefeld. Die deutsche Wirtschaft ist ins Straucheln geraten. 2024 droht der drittgrößten ökonomischen Macht der Welt das zweite Rezessionsjahr in Folge. Derweil streitet die bröckelnde Ampel-Koalition um einen Kurs aus der Wachstumskrise – mit unklarem Ausgang. Und dennoch gibt es Menschen, die in jungen Jahren Unternehmen gründen, die Familienbetriebe weiterführen oder Führungsrollen übernehmen – auch in Ostwestfalen-Lippe. Doch was motiviert sie, anzufangen oder weiterzumachen, was gibt ihnen Kraft? Und was denken sie über die Region und die Wirtschaftslage? Lesen Sie auch: Arbeitgeber-Chef Kampeter: &bdquo;Wir brauchen eine höhere Wertschätzung von Arbeit“ Bei Jungunternehmer Frederik Frommholz ist von Trübsal wenig zu spüren. Die Freude überwiegt. Denn am 6. November feiern die Wirtschaftsjunioren Ostwestfalen in der Dr. Oetker-Welt in Bielefeld ihr 50-jähriges Bestehen. Das Jubiläum mache ihn ein &bdquo;stückweit stolz“, sagt der Vorsitzende mit Blick auf das langjährige Bestehen und das Selbstverständnis des Vereins als &bdquo;Stimme der jungen Wirtschaft“ in den Kreisen Bielefeld, Gütersloh, Herford und Minden. Das jüngste Mitglied sei gerade 25 Jahre alt, sagt Frommholz mit Blick auf den bei der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld angesiedelten Verein. 120 Gäste werden zur Jubiläumsveranstaltung erwartet. Eingeladen sind auch die Mitglieder benachbarter Juniorenkreise, also aus dem Hochstift und Lippe, wo man im kommenden Jahr schon das 75-jährige Jubiläum begeht. Wirtschaftsjunioren: Mitglieder dürfen nicht älter als 40 Jahre alt sein Frommholz selbst ist seit 2018 bei den Wirtschaftsjunioren. Mitglieder dürfen nicht älter als 40 Jahre sein. Frommholz ist 31 und übernimmt von seinem Vater den Bielefelder Elektrotechnik-Betrieb &bdquo;Elektro Götsch“. Er wolle etwas bewegen, sagt Frommholz – und das gehe eben am besten, &bdquo;wenn man wenig Hierarchie über sich hat“. Andere junge Unternehmer formulieren das ähnlich. Ihr Antrieb sei es zu gestalten, sagt etwa Katharina Himmerich, 39 Jahre alt, und Mitgründerin der Bielefelder Unternehmensberatung &bdquo;2bessential“. 2020 kam sie zu den Junioren. &bdquo;Ich habe Bock, etwas zu leisten“, betont Himmerich. Lesen Sie auch: &bdquo;Null-Bock-Tage“ für Arbeitnehmer: Das braucht Deutschland gerade nicht Ostwestfalen-Lippe schätzen die jungen Unternehmer als Standort sehr: Für seinen starken Mittelstand, viele Hidden Champions und eine lebendige Start-up-Kultur, die der Region aus Frommholz’ Sicht sogar eine gewisse Ähnlichkeit zum &bdquo;Silicon Valley“ verleiht, dem Technologiezentrum in den USA. &bdquo;Die Region ist ein Schmelztiegel für Know-how, für Entwicklungen und Wachstum“, schwärmt Himmerich. Doch in ihrer Macher-Mentalität fühlen sich die jungen Unternehmer ausgebremst. Ihr größter Kritikpunkt: überbordende Bürokratie und politische Regulierungswut. Und die trifft gerade kleinere Unternehmen besonders hart, sagt Jan Ottensmeyer, Geschäftsführender Gesellschafter der &bdquo;Agoform GmbH“. Das Löhner Unternehmen stellt unter anderem Schubladeneinsätze her. In großen Unternehmen gebe es Angestellte, an die bürokratische Aufgaben delegiert werden könnten. &bdquo;In kleinen Unternehmen macht das der Chef nebenbei“, so der 53-Jährige, der vor 20 Jahren zu den Junioren kam und als Fördermitglied weiterhin an vielen Veranstaltungen teilnimmt. Scharfe Kritik an zunehmender Bürokratie und Regulierungswut &bdquo;Unternehmer sind oft gezwungen, die Extra-Meile zu gehen, weil es sonst kein anderer tut“, sagt Ottensmeyer. Allerdings wird die durch die zunehmende Bürokratie immer länger und zehrender. Von der regelmäßigen Prüfung aller Netzwerkstecker bis hin zu Anforderungen durch das Lieferkettengesetz: Anstatt ihre Unternehmen zu entwickeln, brüten sie über Papierbergen, kritisieren die Junioren. Währenddessen herrscht Stillstand. Zum Beispiel bei einem Projekt, für das Ottensmeyer mehr als fünf Monate auf die Bewilligung eines Förderantrags warten musste, wie er sagt. Sich an alle Vorgaben zu halten, werde immer schwieriger, betonen die Unternehmer. Die Lust aufs Dasein als Führungskraft trifft bei ihnen auf den Frust über fehlendes Vertrauen, fehlende Flexibilität, fehlendes Tempo. &bdquo;Es wird doch nicht besser, wenn immer mehr Bürokratie aufgebaut wird“, sagt Frommholz. &bdquo;Wir müssen wieder mehr ins Tun kommen und schauen, wie dafür die Wege geebnet werden können.“ Dass die Spitzen der Ampel-Koalition derzeit in unterschiedliche Richtungen streben, ist dabei nicht hilfreich, sind sich die Unternehmer einig. Lesen Sie auch: Dramatisches Ringen um Auswege aus Koalitionskrise Was ihnen dennoch hilft, weiterzumachen? Der Austausch mit anderen jungen Firmenchefs vermittelt über die Organisation der Wirtschaftsjunioren Ostwestfalen mit ihren 250 Mitgliedern, Anwärtern und Ehemaligen sowie dem Bundesverein und sogar weltweiten Zusammenschlüssen, sagen die jungen Unternehmer. Netzwerk bietet regen Austausch unter Wirtschaftsjunioren Dabei heben sich die Wirtschaftsjunioren als Netzwerk von vielen anderen ab, betont Katharina Himmerich. Die Unternehmerin schätzt zum Beispiel die &bdquo;echten Verbindungen“, die bei gemeinsamen Aktivitäten entstehen. Ob bei Partys und gemeinsamen Theaterbesuchen. Oder beim Weiterbildungsprogramm der Wirtschaftsjunioren, bei Workshops etwa zum Debattieren und zu Präsentationstechniken. Dabei bleiben die Wirtschaftsjunioren nicht bei sich, sondern setzen sich unter anderem für junge Menschen ein, die vor dem Übergang von der Schule zum Beruf stehen. Für sie gibt es an Schulen zum Beispiel Trainings dazu, wie man Bewerbungsgespräche führt. Die Wirtschaftsjunioren bilden laut Frommholz ein &bdquo;belastbares Netzwerk“, in dem sich junge Unternehmer gegenseitig stützen - auch und gerade bei schwierigen Themen: drohenden Insolvenzen etwa oder beim Anwerben von Arbeitskräften. Taucht ein Problem auf, kennt jemand aus dem Netzwerk vielleicht schon die Lösung, betonen die Unternehmer einhellig. &bdquo;Junges Unternehmertum ist eine treibende Kraft für unseren Wirtschaftsstandort“, erklärt Petra Pigerl-Radtke, Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld. &bdquo;Junge Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Nachwuchsführungskräfte tragen nicht nur neue Ideen und Innovationen in die Region, sondern sie schaffen auch Arbeitsplätze und fördern die lokale Wirtschaft.“ Junge Unternehmer denken dabei oft unkonventionell, so Pigerl-Radtke, seien offen für neue Ansätze und engagieren sich leidenschaftlich für ihre Ideen. &bdquo;Dieser Unternehmergeist inspiriert nicht nur bestehende Unternehmen, sondern schafft auch ein attraktives Umfeld für neue Investitionen und Talente.“ Deshalb sei in Ostwestfalen auch ein positiver Gründungstrend festzustellen. 10.915 Menschen seien 2023 im IHK-Bezirk in die Selbstständigkeit gestartet, ein Plus von 10,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Pigerl-Radtke spricht auch deswegen von &bdquo;wachsender Lust und Freude am Unternehmersein“.

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