DHL-Packstationen und Microsoft stehen als Datensünder am Pranger

Bielefeld. Das Prinzip Packstation ist eigentlich praktisch: Kunden können ihr Paket sieben Tage lang zu jeder Uhrzeit abholen – in Zukunft aber vielleicht nur noch, wenn sie ein Smartphone besitzen. Makel bei diesem Service bringen dem Unternehmen DHL jetzt einen unrühmlichen Negativpreis ein: den Big Brother Award. Mit diesem Preis prangert der Bielefelder Verein Digitalcourage traditionell Firmen, Organisationen oder Politiker an, die persönliche Daten missbrauchen oder den Schutz dieser aushöhlen. Auch die US-Unternehmen Microsoft und Zoom sowie das Bundesfinanzministerium stehen diesmal auf der Liste. Am Freitagabend sind die Preisträger in der Bielefelder Hechelei gekürt worden. Verbraucherschutz: Deutsche Post & DHL Die Unternehmensgruppe steht am Pranger, weil sie Kunden von Packstationen künftig dazu zwingen wolle, die “Post & DHL”-App zu nutzen, so die Jury. Menschen ohne Smartphone, ohne App oder mit schlechtem Internetempfang vor Ort könnten den Service bei den neusten Modellen nicht nutzen. &bdquo;Die Deutsche Post wird ihrem Grundversorgungsauftrag so nicht mehr gerecht“, sagt Laudatorin Rena Tangens. Dieser Digitalzwang, ausgeübt durch ein ehemaliges Staatsunternehmen, gehöre besonders gerügt. Die App sei zudem datenschutzrechtlich &bdquo;eine Katastrophe“. Sie sende im Hintergrund Daten an Tracking-Firmen weiter, noch bevor der Kunde dazu befragt werde. Das Unternehmen kann die Kritik auf Anfrage nicht nachvollziehen: "Mit unseren App-gesteuerten Packstationen bieten wir besonders Smartphone-affinen Zielgruppen eine zusätzliche Möglichkeit des Paketempfangs an. Dieser kostenfreie Service kann von Kundinnen und Kunden selbst ausgewählt werden", schreibt ein Sprecher. Die Packstationen ergänzten die anderen Empfängerservices nur. Außerdem werde der Schutz personenbezogener Daten sehr ernst genommen und erfolge im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben. Lebenswerk: Microsoft Microsoft erhält den Negativpreis schon zum dritten Mal. Der Vorwurf: Gestützt durch seine Marktmacht zwinge das Unternehmen Nutzer dazu, Daten über die eigenen digitalen Aktivitäten in die USA zu übermitteln. Früher sei die Software des Unternehmens lokal auf den Geräten installiert gewesen, heute laufe alles über die Cloud. &bdquo;Das passiert immer, wenn wir ein Spiel über Microsoft laufen lassen, ChatGPT, Bing oder Microsoft Office 365 nutzen“, sagt Laudator Thilo Weichert von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz und Netzwerk Datenschutzexpertise. Damit würden Privatpersonen, Unternehmen und Behörden in Echtzeit überwachbar. Microsoft Deutschland wehrt sich dagegen. Die Darstellung entspreche nicht den Fakten. "So erfüllen wir die strengen EU-Datenschutzgesetze nicht nur, sondern übertreffen sie sogar oft", schreibt das Unternehmen auf Anfrage dieser Redaktion. Microsoft speichere Kundendaten schon bisher weitgehend regional in Rechenzentren in der EU, Kunden aus dem öffentlichen Sektor sowie Unternehmenskunden könnten seit Jahresbeginn darauf bestehen. Verwaltung: Bundesfinanzministerium Das seit Jahresbeginn gültige Plattformen-Steuertransparenzgesetz (PStG) sollte zu einer gerechteren Besteuerung von Internet-Portalen führen. Tatsächlich zwinge es die Plattformanbieter zu einer umfassenden Vorratsdatenspeicherung – auch da, wo es gar nicht nötig ist, beklagt die Jury. Denn: Die Plattformen müssen Anbieter, die innerhalb eines Kalenderjahres dreißig Verkäufe und mehr als 2.000 Euro Gesamtumsatz erreichen, an das Bundeszentralamt für Steuern melden. Dafür müssen aber alle Nutzer ausgewertet werden. Außerdem müssen die Daten dann für zehn Jahre vorgehalten werden. &bdquo;Das Gesetz ist eindeutig verfassungswidrig und diskriminiert Verkäufer, die ihre Sachen statt auf dem Flohmarkt im Internet loswerden wollen“, heißt es von der Jury. Steuerpflichtige private Verkäufe seien die Ausnahme. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums wollte sich auf Anfrage nicht zum Negativpreis äußern. Er betonte allgemein: "Mit dem Gesetz werden keine zusätzlichen Steuerpflichten beziehungsweise Besteuerungsrechte geschaffen." Weitere Preisträger: Zoom & Finleap In der Kategorie "Kommunikation" werde nicht nur das Unternehmen Zoom ausgezeichnet, sondern auch jeder Nutzer, betonte die Jury. Das Programm für Videokonferenzen lasse sich wegen mangelhafter Datensicherheit in Deutschland nicht legal einsetzen. Das liegt auch an der Unternehmensstruktur: Als US-Unternehmen müsse Zoom Daten mit dortigen Geheimdiensten teilen. Weil relevante Teile der Entwicklung in China stattfänden, sei es aber auch chinesischer Kontrolle und Zensur ausgeliefert. &bdquo;Ich finde es schrecklich, dass Firmen auf die Art und Weise Geschäftsgeheimnisse ausplaudern“, sagte Künstler und Jury-Mitglied Padeluun. &bdquo;Und was ich wirklich befremdlich finde, ist, wenn politische Organisationen unter den Augen von Geheimdiensten über Zoom Aktionen planen.“ Es gebe sichere Alternativen. Das Berliner Unternehmen Finleap, Hersteller von technischen Lösungen für die Finanzbranche, schickte nach Angaben von Digitalcourage im Rahmen eines Kontowechsel-Services jahrelang fälschlicherweise Informationen von Kunden an völlig unbeteiligte Firmen. Enthalten: Namen, Geburtsdaten und neue Kontonummern. Anders als bei den anderen Preisträgern handele es sich dabei eher um Technikversagen als mutwillige Datenweitergabe, betonte Laudator Frank Rosengart. &bdquo;Solche detaillierten Informationen aus den Irrläufer-Briefen sind in der Hand von Kriminellen aber Gold wert“, monierte er. Zoom und Finleap ließen eine Anfrage dieser Redaktion unbeantwortet. Finleap wollte den Preis nach Angaben von Digitalcourage jedoch als einziges annehmen und beteuerte gegenüber dem Verein, den Fehler bereits 2021 behoben zu haben. Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels konnte der Eindruck entstehen, Packstationen ließen sich generell nur noch mit App nutzen. Tatsächlich trifft dies aber nur auf die neusten Modelle zu. Inwieweit Pakete auch ungewollt dort landen können, ist umstritten. DHL verneint das, laut Digitalcourage ist es in der Realität aber doch der Fall.

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