Bielefelder Wirtschaftskanzlei Streitbörger ist auf Wachstumskurs

Bielefeld. Beliebte TV-Serien wie "Liebling Kreuzberg" oder "Die Heiland" haben das Bild von Rechtsanwälten geprägt. Edle Einzelkämpfer mit netten Assistenten. Der Anwalt, Dein Freund und Helfer. Und natürlich gibt es weiterhin Einzelanwälte und kleine Kanzleien. "Aber die Branche hat sich völlig verändert", sagt der Bielefelder Rechtsanwalt und Notar Jost Streitbörger. "Die meisten Anwälte waren früher Generalisten - aber die Spezialisierung ist in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden." Und damit der Trend zu immer größeren Kanzleien. Der Bielefelder ist Partner in der Sozietät Streitbörger, die sich auf Wirtschaftsrecht ausgerichtet hat und von Arbeitsrecht und Erbrecht bis hin zu Insolvenzrecht oder Vertragsrecht für alle Fragen die richtigen Lösungen finden will. "In OWL bieten wir einen Vollservice für Unternehmen", erklärt Streitbörger. Die meisten Mandanten seien inhabergeführte mittelständische Unternehmen. Weil aber viele Aufgaben - zum Beispiel Firmenübernahmen oder Restrukturierungen - facettenreich und kompliziert sein können, braucht die Kanzlei zahlreiche verschiedene Spezialisten. Die Entwicklung kam aus den USA nach Europa: Große US-Kanzleien wie Freshfield, Latham, Linklaters oder White & Case sind heute global aktive Unternehmen mit Tausenden Mitarbeitern und Büros auch in deutschen Metropolen. Deutsche Wirtschaftskanzleien wie Noerr oder Hengeler Mueller sind inzwischen ähnlich große Gesellschaften mit hunderten Rechtsanwälten. Der Deutsche Anwaltsverein hat der "Kanzlei an der Ecke" bereits vor zehn Jahren ein schwierige Zukunft vorausgesagt, weil "die Großen die Kleinen fressen". Oetker-Jurist Manfred Streitbörger hat Sozietät gegründet Wie wichtig ist die Größe? "Wir haben uns Gedanken gemacht, und wir sind überzeugt, dass wir Wachstumspotenzial haben", sagt Streitbörger. "Die Zahl der Rechtsanwälte wollen wir in den nächsten Jahren verdoppeln", kündigt er an. Mit insgesamt 75 Rechtsanwälten (davon allein 28 in Bielefeld) und 200 weiteren Mitarbeitern ist die Wirtschaftskanzlei bereits an sieben Standorten vertreten. Die Sozietät zählt schon zu den größten ihrer Art in NRW, sieht sich aber nicht als Großkanzlei, sondern als mittelständisches Unternehmen. Manfred Streitbörger, ein ehemaliger Richter am Bielefelder Landgericht, hatte die Rechtsabteilung des Oetker-Konzerns aufgebaut, bis er die Möglichkeit wahrnahm, sich als Notar niederzulassen. Seine Kanzlei wuchs langsam, aber beständig, neben anderen Anwälten kamen Friederike (1985), Jost (1991) und Yorck T. (1998) Streitbörger hinzu. Doch es sollte mehr als 30 Jahre dauern, bis die Streitbörgers und ihre Partner neue Standorte erschlossen. Die Expansion in neue Standorte begann erst 2002 Als nach dem Jahr 2000 die sogenannte Singularzulassung für Anwälte an Oberlandesgerichten (OLG) aufgehoben wurde, ein Exklusivrecht für die Aktivität an den höheren Gerichten, nutzten die Bielefelder die Gunst der Stunde und taten sich 2002 mit der Kanzlei Rinsche Speckmann in Hamm zusammen. Die hatte bis dahin Streitbörger-Mandate am dortigen OLG übernommen und zudem auch einen Standort in Potsdam. Der Fusion folgten weitere Expansionsschritte: Nach Münster, weil dort nebenbei auch nach gutem Nachwuchs gesucht werden kann. Ein Büro in Düsseldorf war wichtig, "weil wir viele Banken vertreten". Ein besonders kleiner Ableger befindet sich im Emsland-Städtchen Lingen, der neueste Standort wurde gerade in Herford eröffnet. Für das weitere Wachstum wird vor allem geeignetes Personal gebraucht, betont Streitbörger. Und der Kampf um die jungen Juristen sei hart. Berufsanfänger mit Prädikatsexamen würden von sehr großen international aktiven Wirtschaftskanzleien mit Einstiegsgehältern von teilweise deutlich über 120.000 Euro pro Jahr angelockt. Solche Beträge könnten geleistet werden, weil die Manager vieler Konzerne dazu neigten, schnell eine Großkanzlei einzuschalten. In OWL sei die typische Firmenkultur anders: "Hier fragt der Inhaber, wofür er denn selbst Juristen einstelle, wenn die immer nur externe Experten beauftragen." Allzu junge Anwälte seien bei vielen Mittelständlern auch nicht so gern gesehen: "Die ostwestfälischen Unternehmen erwarten, dass der eigene Anwalt nicht mit vielen hochbezahlten Youngstern im Schlepptau kommt." 70-Stunden-Wochen sind bei Streitbörger nicht üblich Streitbörger zahlt dem Nachwuchs also etwas weniger, bietet aber andere Vorteile: Zum Beispiel vernünftigere Arbeitszeiten ("nicht 70 Stunden pro Woche wie bei manchen Konkurrenten"). Und die Unterstützung für Auslandsaufenthalte. Dabei könne es um ausländische Abschlüsse wie den LL.M gehen, noch wichtiger seien heute aber der Erwerb von Fremdsprachenkenntnissen und der Einblick in andere Rechtsordnungen, sagt Streitbörger, der selbst in den 90er Jahren im kalifornischen San Diego den US-Titel MCL erworben hat. Eingestellt werde nur, für den die Sozietät reale Chancen sieht, selbst Partner oder Partnerin zu werden. Vor allem in Bielefeld und Münster pflegt Streitbörger auf der Suche nach Talenten den Kontakt zu den Universitäten. Praktikanten und studentische wissenschaftliche Mitarbeiter würden gern eingestellt. Und die zum 50. Kanzlei-Jubiläum 2021 gegründete Streitbörger-Stiftung unterstütze Doktorandinnen und Doktoranden, die im Wirtschaftsrecht promovieren, zudem mit Kurzstipendien, damit sie ihre Dissertationen ohne Geldnot fertigstellen können. Die Nachwuchsarbeit wird in Zeiten des Fachkräftemangels immer bedeutender, zumal die Konkurrenz nicht schläft. Als stärkste Konkurrenz in OWL gilt für Streitbörger die Bielefelder Großkanzlei "Brandi Rechtsanwälte", die in der Region über weitere Büros in Detmold, Gütersloh, Paderborn und Minden verfügt sowie auch in Hannover, Paris und Peking vertreten ist. Und neue Wettbewerber drängen auf den Markt: Die in Hamburg und Berlin stark vertretene BRL (eine Partnerschaft von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern mbB mit 380 Mitarbeitern) hat sich mit der Bielefelder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mader & Peters GmbH zusammengeschlossen. In OWL will BRL einen weiteren Full-Service-Standort aufbauen.

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