Genial und einfach: Die kleine Revolution in der Lagerhalle

Halle. Sie klingt wie ein Klischee, die eine geniale Idee für ein Unternehmen. Doch es gibt sie tatsächlich. Ralf Schauties und Lars Wellerdiek aus Halle hatten sie. Die beiden sind keine jungen Gründer. Als sie mit ihrer Firma SW-Paratus begannen, waren der Vertriebsexperte und der Logistiker 56 und 46 Jahre alt. Das Duo nahm sich ein Alltagsproblem vor, das Laien kaum kennen, das Betroffene aber zur Verzweiflung treibt: den Wechsel von Ware von einer Palette auf eine andere. Was trivial klingt, ist jeden Tag in Deutschland tausendfach notwendig. Ware wird geliefert und muss vor Ort umgesetzt werden. "Das dauert bis zu 15 Minuten", sagt Lars Wellerdiek. "Bei Firmen, die jeden Tag Hunderte Paletten umsetzen, bindet das Zeit und viele Arbeitskräfte." Es gibt viele Gründe für ein Umsetzen. Bei Pharmaherstellern dürfen Holzpaletten nicht in den Produktionsbereich gelangen. Sie könnten Schädlinge enthalten. Im Supermarkt werden schmutzige Paletten vom Lkw im Verkaufsraum ungern aufgestellt. Woanders werden nur Aluminium- und Kunststoffpaletten verwendet, Spediteure aber nutzen die günstige Holzvariante. "Dann gibt es noch das Problem mit den Maßen", sagt Ralf Schauties. Seefracht-Container sind nach US-Maß konstruiert - in Fuß. Europaletten dagegen im metrischen System. Deshalb passen im Container nicht drei Europaletten nebeneinander. Die Ware wird umgeladen auf Paletten mit US-Maß. Für Joghurtbecher ist das nicht zu empfehlen Wie aber wechselt man die Palette? Früher musste die Ware einzeln umgehoben werden. Später entstanden Vorrichtungen, mit denen das in einem Schwung geht. "Die sind aber für viele Waren eher ungeeignet", erklärt Lars Wellerdiek. Dabei werde die Ware entweder auf den Kopf gedreht oder von den Seiten gequetscht. "Machen Sie das mal mit Joghurtbechern, das ist nicht zu empfehlen." Bei der Methode von Schauties und Wellerdiek, auf die sie ein europäisches Patent halten, passiert der Ware gar nichts. Während drei leicht angewinkelte Wände das Transportgut schonend halten, gleitet die neue Palette unter das Ladegut und schiebt die alte behutsam hinaus. Weil die Paletten dicht aneinander liegen, kann die Ware nicht herunterfallen. Der rein mechanische Vorgang dauert wenige Sekunden und kommt ohne Motor oder Hydraulik aus. Als Schauties und Wellerdiek ihre Paletten-Schiebe-Vorrichtung PSV 2017 auf einer Fachmesse präsentierten, wurden sie von Interessenten überrannt. "Wir haben sogar die Ausstellungsstücke vom Stand verkauft. Das ist völlig ungewöhnlich." Bis heute haben sie, trotz eines durch die Pandemie gebremsten Geschäfts, mehr als 500 ihrer PSV installiert. Weltweit. Zu den Kunden gehören große ostwestfälische Namen wie Oetker, Arvato, Schüco und Hettich, aber auch Amazon, Kuehne und Nagel und DHL sowie Firmen in Amerika und Saudi-Arabien. Die Idee aus Halle ist sogar auf den Weltmeeren unterwegs. Mehrere Schiffe der AidaCruises wurden damit ausgestattet. "Legt ein Kreuzfahrtschiff im Hafen an, hat es nur wenige Stunden, um Hunderte Paletten mit Versorgungsgütern abzufertigen - inklusive Palettenwechsel. Das muss schnell gehen", sagt Ralf Schauties. "Bei allen neuen Aida-Schiffen, die gebaut werden, gehört unsere Anlage jetzt zum Standard." Noch lässt SW-Paratus die PSV durch externe Maschinenbauer in Lizenz produzieren, will aber selbst in die Produktion einsteigen. Die weiterentwickelte PSV Ultra ist in Dortmund zu sehen Wie es sich für Erfinder gehört, haben sie bereits neue Ideen umgesetzt. Wie das Verpackungssystem Flexabox, einen mitwachsenden Karton, der Laderaum ideal ausnutzen kann. Auch hier gibt es ein Patent. Oder die weiterentwickelte PSV Ultra, die sie demnächst in Dortmund beim Test Camp Intralogistics präsentieren. Die Anlage kann noch flexibler auf Palettentypen und -maße reagieren Anfangs trieben die Haller ihr Projekt noch als Hobby voran. Irgendwann ging das nicht mehr. "Der Tag hat eben nur 24 Stunden" sagt Lars Wellerdiek. Sie stiegen aus ihren Jobs aus und machten das Hobby zum Beruf. Inzwischen gibt es Mitarbeiter, und das Büro befindet sich nicht mehr im Wohnhaus von Lars Wellerdiek. Wichtig ist dem Duo, dass es nicht nur ein Standardprodukt anbietet. "Wir suchen für die Kunden nach Gesamtlösungen und passen die Anlagen den Bedürfnissen an", sagt Wellerdiek. Das sei im Logistikbereich entscheidend.

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