Erneuter Tarifschock für viele privat Krankenversicherte

Bielefeld. Zum Ende des Jahres hin veröffentlichen die Krankenkassen für gesetzlich Versicherte die Zusatzbeiträge für das nächste Jahr. Und je nach Kasse steigt oder sinkt der Zusatzbeitrag um Zehntelprozentpunkte. Das macht auf der Lohnabrechnung meist nur wenige Euro aus. Ganz anders sieht das bei einigen Privaten Krankenversicherung aus. Hier sorgen die Mitteilungen über die Tarifanpassungen bei etlichen Versicherten immer wieder für blankes Entsetzen. Das trifft vor allem auf Rentnerinnen und Rentner zu. &bdquo;Mittlerweile hat die PKV Beitragshöhen erreicht, die viele ältere Versicherte nicht mehr bezahlen können", sagt Javier Garcia, Assekuranzmakler aus Bad Oeynhausen, der auf Tarifwechsel in der Privaten Krankenversicherungen spezialisiert ist. Insgesamt gibt der Verband der PKVen die Erhöhung in diesem Jahr mit durchschnittlichen 4,1 Prozent an, doch &bdquo;diese Zahl bildet die Realität vieler Altversicherter in geschlossenen Tarifen, die teilweise mehrere extreme Erhöhungen in wenigen Jahren hinnehmen mussten, nicht ansatzweise ab", kritisiert Garcia. Das Tarifgeflecht der PKVen ist aufgrund der großen Anzahl verschiedener Tarife und Leistungen sowie anderen Faktoren schwieriger für Vergleiche heranzuziehen als das der GKV. Eine Rückkehr in die GKV ist ab 55 Jahren kaum möglich Um die Dramatik der Erhöhungen zu verstehen, hilft in der Regel nur der Blick auf den jeweiligen Versicherten selbst. Javier Garcia kennt viele Versichertenscheine im Detail, denn an ihn wenden sich etliche Betroffene mit der Frage, wie sie den Verteuerungen entfliehen können. Das aber geht nur innerhalb der PKV, denn eine Rückkehr in die GKV ist nach dem 55. Geburtstag fast unmöglich. Einer der extremsten Fälle, die Garcia begegnet sind, ist ein altes Ehepaar, das jetzt gemeinsam pro Monat 1.829 Euro Krankenversicherung bei der AXA zahlen muss. &bdquo;Dabei haben sie keinen besonderen Luxustarif gebucht, sondern eher einen leistungsschwachen", sagt der Spezialist. Bei dem Ehemann wurde der Tarif zuletzt um 111 Euro erhöht, bei der Frau um 75,77 Euro. Aufgefallen ist Garcia auch die BBKK, die bei vielen Versicherten die Tarife um mehr als 100 Euro angehoben hat. &bdquo;In der Spitze kommen wir auf Steigerungen von 34,4 Prozent." Ein eher mittelmäßiger Tarif mit 1.200 Euro Selbstbehalt liege für einen 72-Jährigen bei 892 Euro Gesamtbeitrag. In einem Fall gab es letztes Jahr 110 Euro Erhöhung und dieses Jahr weitere 70 Euro. Auch beim Münchener Verein ist ihm ein Beispiel bekannt, wo jetzt um 138 Euro und letztes Jahr um 66 Euro erhöht wurde. &bdquo;Zusammen sind das mehr als 200 Euro." Andere Versicherte der BBKK erhielten Mitteilungen über Anpassungen von 33, 27 und 24 Prozent. Weietre Kassen zogen in einigen Fällen um 15 bis 22 Prozent an. "Am Ende zahlt der Versicherte trotzdem eine höhere Summe" Garcia betrachtet bei den Auswertungen grundsätzlich den reinen Tarifbeitrag ohne Zusatztarife, Krankentagegeld, Krankenhaustagegeld und Pflegeversicherung. &bdquo;Rechnet man das alles mit ein, fällt die Erhöhung prozentual zwar niedriger aus, doch am Ende bezahlt der Versicherte ja trotzdem eine deutlich höhere Summe." Hart seien die Tarifanpassungen auch dadurch, dass sie oft jährlich erfolgten und sich in kurzer Zeit eine dramatische Gesamtsteigerung ergebe. Die Liste der Beispiele ist lang. Bei der Allianz hat Garcia Kunden, die innerhalb von zwei Jahren 150 Euro Erhöhung hinnehmen müssen (plus 30 Prozent insgesamt). Im Fall eines 72-jährigen Versicherten der BBKK stieg der Tarif von 356,26 auf 488,40 Euro – ein Plus von 33 Prozent. Aufs Jahr muss der Mann somit 1.477 Euro mehr berappen. Die Erhöhungen werden in einigen Fällen indirekt gestaffelt, so dass sie auf den ersten Blick weniger deutlich wirken: &bdquo;Einige Gesellschaften mildern die Anpassung ab, in dem sie eine Gutschrift geben, die in der Regel bis zum Ende des Jahres befristet ist." Garcia nennt einen Fall der Generali. Dort soll ein Versicherter 137,32 Euro mehr zahlen (plus 23 Prozent). Er zahlt aber bis Ende 2022 nur 70,57 Euro mehr. Der Rest wird durch eine Gutschrift abgefangen. Fällt diese 2023 weg, greift die volle Erhöhung. Laut dem Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. in Köln ist rund ein Viertel der Privatversicherten 2022 von Beitragssteigerungen betroffen. Die großen Sprünge bei der Anpassung begründet der Verband mit gesetzlichen Vorgaben, laut denen &bdquo;eine nachholende Anpassung erst nach Überschreitung der Schwellenwerte" möglich sei. Diese Schwellenwerte beziehen sich auf die Mehrausgaben der Kassen für Leistungen. Werden sie überschritten, darf die Versicherung die Beiträge anheben. Man habe den Gesetzgeber aufgefordert, die Kalkulationsvorschriften zu reformieren, so der Verband. Dies werde von Verbraucherschützern unterstützt. Langfristig sei die PKV nicht teurer als die GKV, dies hätten Untersuchungen ergeben.

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