Unternehmer des Jahres: Zwei ausgezeichnete Leit-Wölffe

Bielefeld. Die Großmutter hat eine zentrale Rolle gespielt. Doris Wolff, die 2016 verstorbene frühere Mehrheitsgesellschafterin des Bielefelder Kosmetik- und Pharmaunternehmens Dr. Wolff, hatte schon früh konkrete Vorstellungen vom Engagement ihrer Enkel im Familienunternehmen. Ihre Wünsche wurden weitgehend erfüllt, und sie hatte den richtigen Riecher. Eduard R. Dörrenberg (53) stieg 1998 ein, Christoph Harras-Wolff (50) folgte zunächst in den Beirat und 2006 auch in die Leitung – als Gesellschafter und Geschäftsführer kümmern sich die beiden Cousins seither gemeinsam um die Dr.-Wolff-Gruppe. Weil sie &bdquo;innovative Ideen mutig umgesetzt, neue Märkte erobert" und viele weitere Dinge richtig gemacht haben, sind beide nun als &bdquo;Unternehmer des Jahres in OWL" ausgezeichnet worden. Dabei war die Karriere als Vertreter der vierten Generation an der Spitze einer Traditionsfirma, die mit Marken wie Alpecin und Alcina, Plantur, Karex und Linola heute breiten Erfolg hat, zunächst keine Selbstverständlichkeit, wie beide beteuern. Der in Düsseldorf geborene Dörrenberg studierte Maschinenbau statt Chemie oder Pharmazie und kam oft nur einmal im Jahr nach Bielefeld, &bdquo;um die Oma zu besuchen". Harras-Wolff war als Kind aus Bielefeld nach Melle fortgezogen, studierte später Jura in München und arbeitete als Anwalt. Gemeinsam mit der Oma nach Amerika Heute würde man wohl von &bdquo;Teambuilding" sprechen: Doris Wolff brach mit beiden Enkeln Anfang der 90er Jahre zu einer Reise nach New York und anderen Städten an der amerikanischen Ostküste auf und sorgte so für gemeinsame Erlebnisse. Später hatte auch der Bielefelder Unternehmer Richard Oetker als Vorsitzender des einflussreichen fünfköpfigen Beirates seinen Anteil an der Aufstellung der Unternehmensführung – man spürt, dass Dörrenberg und Harras-Wolff auf seinen Rat vertrauen. Dass die beiden Männer – der ruhige, konzentrierte und introvertierte Harras-Wolff und der redegewandte, dynamische und extrovertierte Dörrenberg – trotz aller Unterschiedlichkeit offenbar gut harmonieren und sich ergänzen, obwohl sie nicht ständig aneinanderkleben und nicht einmal täglich miteinander konferieren ("wir trennen das Private und das Geschäftliche"), mag an den Zahlen ablesbar sein. Ein wenig Spott über vollmundige Werbeversprechen So habe sich der Umsatz der Gruppe innerhalb von zehn Jahren bis 2020 um rund 150 Millionen auf 340 Millionen Euro erhöht, wie Fred Becker in seiner Laudatio respektvoll anmerkte - vor einer coronabedingt handverlesenen, nur 15-köpfigen Zuhörerschaft in einem Bielefelder Restaurant. Die Zahl der Mitarbeiter stieg von knapp 500 auf 780. &bdquo;Die Rendite ist ordentlich", fügte der BWL-Professor hinzu, was im ostwestfälischen Jargon für "gute Gewinne" steht. Ein wenig Spott über vollmundige Werbeversprechen und milde Zweifel, ob Dörrenberg und Harras-Wolff tatsächlich die eigentlichen Väter des Erfolges der Dr.-Wolff-Gruppe sind, mussten beide sich von Fred Becker gefallen lassen. &bdquo;Haben sich die Ober-Wölffe nur zurückgehalten und die anderen nicht bei ihrer Arbeit gestört?", fragte der Hochschullehrer. Der Jury-Chef erinnerte daran, dass das Unternehmen auf gute externe Manager wie Finanzchef Christian Mestwerdt bauen kann. Andererseits, so Becker, sei ja auch die Fähigkeit, &bdquo;andere tun lassen zu können", durchaus erfolgsträchtig. Im Gespräch allerdings wird klar, dass Dörrenberg und Harras-Wolff wiederholt selbst als Entscheider gefragt waren. Etwa kurz nach dem Jahr 2000, als die Kosmetiksparte Dr. Kurt Wolff kriselte und die Marke Alpecin bleischwer in den Regalen lag. Die noch recht neuen Produktanlagen seien nicht mehr ausgelastet gewesen, Entlassungen wurden nötig, in einem Jahr wurden Verluste geschrieben. Damals habe es Gerüchte gegeben, er fahre die Firma an die Wand, erinnert Dörrenberg sich. Unter seiner Führung wurde massiv in neue Produkte und die Marke investiert, und seit vielen Jahren bereits sei Alpecin das meistverkaufte Männershampoo Deutschlands. Auch die Corona-Krise wurde vom Risiko zur Chance Dörrenberg und Harras-Wolff finden, dass Unternehmer bereit sein müssen, etwas zu unternehmen - also zu investieren. Manchmal zahle sich das Risiko nicht aus, auch bei Dr. Wolff seien Millionenbeträge zum Beispiel in die Entwicklung neuer Arzneimittel versenkt worden: "Fehlschläge, die uns weh tun". Trotzdem seien Innovationen entscheidend, und so wurde auch die Corona-Krise (Dörrenberg: "Eine brutal anstrengende Zeit") für das Unternehmen zur Chance. Diesmal vor allem für die Pharmasparte Dr. August Wolff. Ein neues Desinfektionsmittel von Linola kam im März 2020 – schon kurz nach Ausbruch der Pandemie – auf den Markt. Linolas Mund- und Rachenspülung folgte, &bdquo;klinisch getestet", wie Bielefelder Mediziner bestätigen. Jetzt bereiten Materialknappheit und erhöhte Rohstoffkosten vielen Firmen Sorgen, und bei Dr. Wolff muss der für Lieferketten zuständige Christoph Harras-Wolff (&bdquo;Kunststoffgranulat ist so teuer wie nie zuvor") etwa für eine optimierte Lagerhaltung sorgen. Becker jedenfalls kassierte die Zweifel zum Abschluss seiner Lobrede und beförderte die ausgezeichneten Unternehmer beiläufig von Ober-Wölffen zu Leit-Wölffen.

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