
Bielefeld. Ein Problem auf den Baustellen in OWL wächst rasant. Das Holz wird immer knapper. Und das trifft nicht nur die Handwerker. Auch Familien, die ein Häuschen errichten lassen, bereitet der Rohstoffmangel Sorgen.
„Ich war gestern auf einer Baustelle und dann kam die Frage, wann der Dachstuhl errichtet sein wird", sagt Klemens Hüttche. Er ist Baubetreuer beim Verband Privater Bauherren und leitet das Regionalbüro Bielefeld: „Die Antwort des Bauleiters war, dass er keinen Termin nennen könne. Es fehlt am Holz."
Eine Szene, wie sie sich derzeit auf vielen Baustellen in OWL abspielt. Niemand kann sagen, wann wieder ausreichend Bauholz verfügbar ist. Und nicht nur der Faktor Zeit steht im Fokus – auch der Preis. Denn wenn Holz zu haben ist, dann zu anderen Konditionen als früher. Hüttche spricht davon, dass der Kubikmeter derzeit 800 Euro kostet – statt 400 wie bisher.
So viel teurer wird ein Dach fürs Einfamilienhaus
Den Mangel bekommen auch Martin Lang und seine Branchenkollegen zu spüren. Lang ist Obermeister der Dachdecker- und Zimmererinnung Bielefeld. „Ein Kollege hat errechnet, dass ein normales Dach für ein Einfamilienhaus im Moment rund 6.000 Euro teurer wird als sonst. Und das liegt allein am Holzpreis." Für Dachstühle wird vor allem Fichtenholz verwendet.
„Ohne Holz geht es nicht, wir können nicht auf andere Materialien ausweichen." Ein Stahldach etwa sei eine ganz andere Konstruktion und wirke sich auf das gesamt Haus aus. „Das kann man nicht eben mal schnell ändern." Auf billigeres und vielleicht verfügbares Holz können die Handwerker auch nicht ausweichen. „Zum einen ist die Qualität klar genormt, zum anderen wäre das lebensgefährlich", warnt Lang: „Stellen Sie sich vor, ein Dachdecker steht auf einer minderwertigen Dachlatte, die bricht. Dann stürzt er vier Meter tief."

Der Mangel an Bauholz ist so dramatisch, dass einigen Dachdeckerbetrieben der Stillstand droht, meint Lang. Härter noch als Dachdecker trifft es die Zimmerer. „Die können ja ohne Holz gar nicht arbeiten." Der Meterpreis habe sich mehr als verdreifacht derzeit.
Wen treffen die hohen Preise?
Die hohen Preise treffen zunächst die Firmen, denn meist sind für die Hausbauprojekte mit den Bauherren Festpreise vereinbart. „Aber wie soll ein Handwerker das in bestehenden Verträgen noch rechnen?", fragt Lang. Wenn der Rohstoff sich so verteuere, sei eine wirtschaftliche Planung für den Betrieb kaum möglich. Es sei nicht auszuschließen, dass schon bald Handwerksbetriebe in Existenznot kommen.
Das veranlasst die ersten offenbar, trotz vereinbarter Festpreise mit den Kunden nachzuverhandeln. Das macht eine Mitteilung der Handwerkskammer OWL deutlich. Sie rechtfertigt darin nachträgliche Preisanpassungen. „Ich werbe an dieser Stelle für Verständnis bei der Kundschaft unserer Betriebe, wenn wegen der unverschuldeten Kostensteigerungen entsprechende Preisanpassungen nötig sind", sagt Kammerpräsident Peter Eul. Ein Auftraggeber gewinne nichts, wenn der Betrieb während der Vertragsausführung an seine Grenzen stoße „und das Bauvorhaben unvollendet bleibt". Sprich: Das Haus wird nicht fertig.
Und wenn die Wohnung bereits gekündigt ist?
Für die Bauherren wie Familien hat die Holzkrise noch eine Folge. Der Fertigstellungstermin wird zum Problem. Der Einzug ins neue Heim kann oft nicht wie geplant erfolgen. Was aber, wenn die Wohnung bereits gekündigt ist und die Familie ausziehen muss? „Derzeit garantieren viele Baufirmen statt der üblichen acht Monate Bauzeit für ein Einfamilienhaus nur noch zwölf Monate", erklärt Klemens Hüttche.
Er weiß, dass es nicht beim Holzmangel bleibt. „Auch bei Dämmstoffen gibt es große Lieferschwierigkeiten", sagt Hüttche. Styropor etwa sei kaum fristgerecht zu bekommen im Moment. Ein Grund seien Engpässe in der Rohölförderung in Texas „ Viele Kunststoffe werden aus texanischem Rohöl erzeugt." Auch bei Trapezblechen aus Stahl sind die Bestände weitgehend aufgebraucht, wie es in der Branche heißt.
"Wir können ja nicht an den Bäumen ziehen"
Und nun? Die Perspektive teilt sich in zwei Lager: Bei Öl oder Stahl besteht die Möglichkeit, dass die Produktionsmengen erhöht werden und sich die Engpässe erledigen. Aber beim Holz? „Da sieht es düster aus. Wir können ja nicht an den Bäumen ziehen, damit sie schneller wachsen", sagt Martin Lang und er klingt dabei konsterniert: „Ich weiß derzeit nicht, wie sich die Lage mittelfristig bessern soll. Ich hoffe aber, dass ich mich irre."
INFORMATION
Der nächste Rückschlag droht aus Russland
Die Lage an der Bauholzfront dürfte sich absehbar nicht entspannen. Das
nächste Ungemach droht bereits: Ab 2022 will Russland ein Exportverbot
für Rundholz aus seinen Wäldern in Kraft setzen. Dieses Exportverbot
träfe vor allem den Großabnehmer China, der dann wiederum woanders Holz
kaufen wird. Und das wird er nach Meinung von Experten unter anderem in
Europa tun. Damit würden aus dem heimischen markt weitere Kapazitäten
abgezogen. Die Lage fürs heimische Baugewerbe dürfte das noch einmal
verschärfen.