Neu im Vorstand: Diese Frau will Gerry Weber auf links ziehen

Bielefeld/Halle. Angelika Schindler-Obenhaus ist die neue starke Frau beim Damenmode-Konzern Gerry Weber. Allerdings ist sie auch die einzige Frau im dreiköpfigen Vorstand und die erste Frau in der Chefetage des Konzerns, seit Marketing-Vorstand Doris Strätker das Unternehmen vor mehr als sieben Jahren 2013 verlassen musste. Wenn es ihr gelingt, ihre Vorstellungen trotz der Widrigkeiten durch die Corona-Krise umzusetzen, dann wird sich bei Gerry Weber in Halle vieles ändern. Zum Beispiel das Bild der Frauen, die Gerry Weber ansprechen möchte: &bdquo;Wir Frauen über 50 sind unabhängig und befreit groß geworden", stellt sie voran. Entsprechend solle die Marke Gerry Weber künftig ausgerichtet werden: &bdquo;Cooler, lässiger, frecher, vielleicht auch mal provokant – mit einer anderen Haltung." Plötzlich war von "die Gerry" die Rede - eine weibliche Marke Schindler-Obenhaus kommt vom Bielefelder Modelhandels-Dienstleister Katag AG, wo sie 10 Jahre lang dem Vorstand angehörte. Bei dem Familienunternehmen sah sie für sich keine Perspektiven mehr, und sie freute sich, als Gerry-Weber-Chef Alexander Gedat sie für den Neuaufbau nach Halle holte. Die Mode-Expertin bedauert, dass all die tollen Frauen der Baby-Boomer-Generation heute im Modemarkt kaum noch bedient würden, nicht zuletzt, weil viele Marken verschwanden. &bdquo;Aber das ist auch unsere Chance", glaubt die 58-Jährige. Als bei Workshops mit Designern über die vier Kernmarken der Gerry Weber AG nachgedacht wurde – Gerry Weber und Gerry Weber Edition, Taifun und Samoon – sei plötzlich von &bdquo;die Gerry" die Rede gewesen. Eine weibliche Marke, gemacht für Frauen, die mitten im Leben stehen. Verändern soll sich auch die Führungsphilosophie. Sie habe in ihren ersten 100 Tagen im Unternehmen viele Gespräche mit Mitarbeitern geführt und sich ihre Sorgen angehört. Und ihr sei klar geworden: &bdquo;Hier hat es so viele Zwänge gegeben und Vorgaben, was man darf und was nicht." Und sie nennt Beispiele: T-Shirts mit Schriftzügen waren ein Tabu, T-Shirts mit weißem Rücken auch. &bdquo;Oh Gott, das wird schwierig hier", habe sie manchmal gedacht. Nicht "sexy", aber durchaus "sinnlich" Und alle Oberteile mussten einen &bdquo;Mailänder Ärmel" haben, der Schultern und Oberarme verdeckt. &bdquo;Was für eine antiquierte Vorstellung", empört sich die Vorstandsfrau: &bdquo;Viele Frauen wollen Arm zeigen." Dabei will Gerry Webers Mode – etwa auch die für Jüngere zugeschnittene Marke Taifun – nicht &bdquo;sexy" sein, aber durchaus sinnlich. Das gelte ebenso für die Plus-Size-Marke Samoon, die sich an Frauen jeden Alters wendet: &bdquo;Weiblich, wertig und sehr selbstbewusst." Denn: &bdquo;Frauen gehen heute stolz mit ihren Kurven um", so Schindler-Obenhaus. Das Motto sei &bdquo;I am what I am". "Gerhard Weber war genial - aber er hat alles selbst entschieden" Die offiziell seit August als &bdquo;Chief Operating Officer" engagierte Managerin hat eine breite Zuständigkeit für Design, Produktion, Beschaffung, Marketing und Kommunikation. Ihren Mitarbeitern will sie mehr eigenverantwortliche Entscheidungen zubilligen, dafür gewährt sie eine gewisse Fehlertoleranz. Eine Wende zum patriarchalischen System der Zeiten unter Gerhard Webers Führung, wie sie andeutet: &bdquo;Gerhard Weber war genial, aber er hat alles selbst entschieden." Auch andere Fehler des Gründers will sie überwinden – etwa die scharfe Konkurrenz zu Einzelhändlern, die einerseits Gerry-Weber-Mode verkaufen sollten, dann aber einen Gerry-Weber-Store vor die Nase gesetzt bekamen und vielleicht noch verspottet wurden. &bdquo;Wir brauchen eigene Geschäfte – auch zum Testen und als Vorbild", sagt sie. Aber als Konkurrenten möchte sie Wholesale-Partner und das eigene Retail nicht sehen. "89 Prozent Markenbekanntheit sind ein Riesenwert" Doch man dürfe die erfolgreichen Jahrzehnte des 1973 gegründeten Unternehmens nicht vergessen: &bdquo;89 Prozent Markenbekanntheit sind ein Riesenwert", betont Schindler-Obenhaus. Eine besondere Stärke von Gerry-Weber-Mode sei etwa die gute Passform, fast ein Alleinstellungsmerkmal der Hauptmarke. Gerry Weber bleibe im Mainstream und setze weiterhin auf gute Qualität und Passform, verspricht die Managerin. Die Marke müsse ihren Wert behalten und dürfe daher nicht verramscht werden. Ihr hehres Ziel: &bdquo;Wir wollen keine Produkte mehr anbieten, die die Kundin nicht will." Denn das sei auf Dauer zu teuer. Dass die Corona-Pandemie die Lage der Branche verschärft hat, kann Schindler-Obenhaus nicht verhehlen. Sie habe aber ein sehr schlankes, flexibles und kostenoptimiertes Unternehmen vorgefunden. Hilfreich seien die wachsenden Erfolge im Onlinehandel. Sie ist optimistisch. Ob sie einmal als Nachfolgerin für Vorstandschef Alexander Gedat in Frage kommt? Nun, was könnte sie auf diese Frage antworten. &bdquo;Das entscheidet der Aufsichtsrat", sagt sie weise.

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