Stephan Prinz zur Lippe

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"Das Waldsterben ist ein Weckruf für die Gesellschaft"

Die Schäden durch Dürre und Borkenkäfer treffen das Detmolder Fürstenhaus finanziell, aber Prinz zur Lippe erkennt darin vor allem die Folgen eines Klimawandels, der Konsequenzen erfordert.

Eine Kahlschlagfläche am Übergang zwischen Teutoburger Wald und Eggegebirge. | © Martin Krause

Martin Krause
11.09.2020 | 11.09.2020, 22:06

Detmold. Stephan Prinz zur Lippe (61) klingt besorgt. Vor seinen Augen spielt sich ein dramatisches Waldsterben ab, bedingt durch Trockenheit und Stürme, aber vor allem durch den Borkenkäfer. „Ja, wir sind ganz erheblich betroffen", sagt er. Der 61-Jährige führt als Rechtsanwalt in Detmold eine eigene Kanzlei, im Privatleben ist er Vater von fünf Kindern und Oberhaupt des Hauses Lippe. Und ganz nebenbei ist er einer der großen Waldbesitzer des Landes.

Zwar verwaltet der Landesverband Lippe seit 1949 den Großteil der fürstlichen Ländereien, einen Teil der Wälder behielt die Familie aber in Privatbesitz – über 2.000 Hektar. 55 Prozent der vom „Fürstlichen Forstamt Berlebeck" verwalteten Wälder seien überwiegend mit Buchen bestanden, 45 Prozent mit Fichten.

"Der Fichtenanteil ist aus heutiger Sicht viel zu hoch"

Stephan Prinz zur Lippe ist besorgt über Klimawandel ud Waldsterben. - © LZ
Stephan Prinz zur Lippe ist besorgt über Klimawandel ud Waldsterben. | © LZ

Der Anteil sei „aus heutiger Sicht natürlich viel zu hoch", weiß Prinz zur Lippe. Entstanden sei der große Fichtenbestand in der Zeit zwischen den Weltkriegen und unmittelbar danach: Weil Teile der Reparationen durch Holz beglichen wurden, waren erhebliche Kahlschläge die Folge. Zur Wiederaufforstung bot sich die schnellwachsende Fichte an.

Seit einigen Jahren rächt sich der monokulturelle Anbau: „Die Altfichte stirbt zu 100 Prozent", sagt zur Lippe. Die durch die extreme Wärme und Trockenheit der Jahre 2018 und 2019 geschwächten Fichtenbestände werden von Borkenkäfern dahingerafft. Und auf den kahlen Flächen? Wächst ohne forstwirtschaftlichen Eingriff vor allem wieder die Fichte, denn die Böden sind voller Fichtensamen. „Einerseits sind wir froh, überhaupt etwas auf den Flächen stehen zu haben", räumt zur Lippe ein. Die zentrale Frage aber sei: „Wie viel Naturverjüngung durch Fichten wollen wir akzeptieren?"

"Wenn es so weitergeht, müssen wir Zypressen pflanzen"

Die goldene Regel laute: „Wir müssen mischen, mischen, mischen". Welche Baumarten dafür geeignet sind? „Wenn es so weitergeht, müssen wir Zypressen pflanzen", sagt zur Lippe im Scherz. Selbst die widerstandsfähige Buche zeige schon viele Schäden durch die Trockenheit. Neben der Buche biete die Eiche sich an, auch Lärchen und Ebereschen, vielleicht Tannen oder Douglasien. Am Ende aber seien alle Bäume gefährdet, wenn sie durch äußere Einflüsse geschwächt sind: „Für alle Arten gibt es Schädlinge."

Viele Naturliebhaber haben es Prinz zur Lippe bis heute nicht verziehen, dass er sich vor knapp zehn Jahren den von Landrat Friedel Heuwinkel (CDU) und den Grünen verfolgten Plänen für einen Nationalpark in Teutoburger Wald und Senne entgegenstellte. Es ging ihm damals um die Bewahrung der Kontrolle über den jahrhundertealten Familienbesitz – und die für die Erhaltung des Detmolder Schlosses nötigen Ressourcen.

"Zwei Jahre Dürre sind kein zufälliger Ausschlag mehr"

Eine Anti-Grüne Position offenbart zur Lippe nicht, im Gegenteil: „Im Wald sehen wir jetzt die Folgen des Klimawandels", sagt er: „Es wird trockener, wärmer und stürmischer". Der Klimawandel beschere uns eine völlig neue Welt. „Zwei Jahre Dürre sind kein zufälliger Ausschlag mehr", befürchtet er – das Waldsterben sei „ein Weckruf für die Gesellschaft".

Die nötigen Aufräumarbeiten seien aufwendig und auf hunderten Hektar kaum ohne schweres Gerät wie Harvester zu bewältigen. Das Pflanzen selbst sei Handarbeit, für die es schwierig sei, genügend Arbeitskräfte zu finden: „Die Aufgaben sind auch nicht ungefährlich." Eine andere Herausforderung sei es, an genügend Jungpflanzen zu kommen: „Es gibt einen riesigen Bedarf, wenn halb Deutschland wieder aufgeforstet wird", sagt zur Lippe.

Die Preis für Holz sind massiv eingebrochen

Waldbesitzer sind es gewohnt, in langfristigen Zeiträumen zu denken. Der Umbau der Wälder sei „ein langwieriger Prozess", der ihn und das Land zehn bis 20 Jahre beschäftigen werde. Unter dem Strich fielen für Waldbesitzer erhebliche Kosten an, für die Wiederaufforstung müsse mit 15.000 Euro pro Hektar gerechnet werden. „Da ist die derzeit gewährte Förderung von bis zu 30.000 Euro pro Jahr für jeden Waldbesitzer nur ein Tropfen auf dem heißen Stein", sagt zur Lippe, zumal die beim Holzverkauf erzielbaren Preise massiv eingebrochen seien.

Forstwirtschaft sei aktuell kaum profitabel. „Und da wir die Überschüsse aus dem Wald stets in die Erhaltung des Schlosses in Detmold gesteckt haben, fehlen uns heute die entsprechenden Rücklagen."

"Baumprämie" könnte Bindung von CO-2 honorieren

Der Detmolder, selbst politisch in der FDP engagiert, plädiert dafür, ein Gegenstück zur CO2-Abgabe zu entwickeln, um den Waldbauern zu helfen: Analog zur fälligen Abgabe für die Emission von Kohlendioxid könnte eine „Baumprämie" eingeführt werden, die die langfristige Bindung von CO2 im Holz honoriert.

Es sei keine Lösung, nun den Kopf in den Sand zu stecken, mahnt zur Lippe. Es gelte, die Konsequenzen zu ziehen. Der Weg müsse fort von der Kohlenstoff-basierten Energiegewinnung und hin zu erneuerbaren Energien und einer Wasserstoffwirtschaft führen. Das sei nicht parteipolitisch zu sehen. Es sei „eine übergeordnete Aufgabe".

INFORMATION


Millionen-Einbußen durch Preisverfall

 - 680 der 8.471 Quadratkilometer Wald in NRW gelten als Schadflächen, die aufgeforstet werden müssen, so Nicole Fiegler vom Landesbetrieb Wald und Holz NRW. Zu 98 Prozent gehe es um Fichtenwälder, vermehrt aber auch um Buchenbestände (2,2 Prozent).

- Der Preis für Fichtenstammholz sei wegen des Überangebotes seit 2014 um mehr als 50 Prozent auf weniger als 50 Euro pro Kubikmeter Fichtenstammholz gesunken. Auf hundert Hektar Wald (ein Quadratkilometer) ergeben sich Einbußen von mehr als einer Million Euro.

- Jedem Waldbesitzer werden bis zu 30.000 Euro Unterstützung zur Überwindung der Extremwetterfolgen gewährt. Inklusive weiterer Sondermittel  will NRW die Branche 2020 mit insgesamt 57,5 Millionen Euro unterstützen.