Corona-Tests für Urlauber, Erzieher und Lehrer, aber nicht für Ärzte und Pfleger

Bielefeld. Im Kampf gegen eine Ausbreitung des Coronavirus über die Sommerreisezeit können sich heimkehrende Urlauber bald gratis testen lassen - zweimal. Die Kosten will der Staat tragen. In NRW haben auch Kita-Beschäftigte und Schulpersonal alle 14 Tage Anspruch auf einen Corona-Test auf Landeskosten. Pflegekräfte und Ärzte in Heimen und Kliniken warten auf dieses Angebot allen Forderungen zum Trotz vergeblich, obwohl sie täglich mit möglichen Covid-19-Patienten zu tun haben - und Risikopatienten vor einer Infektion schützen müssen. Aktuell deutet nicht viel darauf hin, dass sich das ändert. Auf Anfrage von nw.de teilt das NRW-Gesundheitsministerium mit: "Die Teststrategie des Landes sieht vor, dass die untere Gesundheitsbehörde bei einem positiven Fall in einer Klinik Ärzte und Pflegepersonal in Kliniken testen soll." Heißt: Nur wenn es schon einen Fall gibt, sind Reihentests möglich. Und nur dann übernehmen auch die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten. Gesundheitsministerium bewertet Gefahr als "grundsätzlich hoch" Das Gesundheitsamt kann zwar grundsätzlich zweiwöchentliche Tests anordnen, aber nur wenn es durch die regionale Lage geboten ist. "Damit wird die Entscheidung, wer zu testen ist, auf diejenigen verlagert, die in der Covid-19-Pandemie ohnehin schon besonders stark belastet sind", kritisierte Susanne Johna, Vorsitzende der Ärztevereinigung Marburger Bund, bereits Ende Mai. Dabei erklärt das Ministerium gleichzeitig, die Gefahr für das Personal sich zu infizieren, sei "grundsätzlich [...] als hoch zu bewerten" und verweist auf Arbeitsschutzstandards des Robert-Koch-Instituts, die einzuhalten seien. "Dass Kita-Mitarbeiter und Einreisende aus Risikogebieten regelmäßig getestet werden, Krankenhaus- und Pflegepersonal aber nicht, verstärkt das Gefühl mangelnder Wertschätzung gegenüber diesen Berufen", sagt Burkhard Zieger vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe. Er ist überzeugt: "Natürlich wäre es sinnvoll, hier zu testen, am besten einmal die Woche oder noch häufiger." Er habe aber keine Hinweise, dass darüber gerade diskutiert werde. Testkapazität wird nicht einmal zur Hälfte genutzt "Und so wie die Tests aktuell funktionieren, können die Ergebnisse Stunden später ja auch schon wieder veraltet sein", sagt Zieger. Eine vermeintliche Sicherheit, nicht infiziert zu sein, sei also auch mit Tests nicht unbedingt gegeben, gibt Zieger zu. Die Testkapazitäten wären, richtig verteilt, womöglich da. Das Bundesgesundheitsministerium erklärt auf Anfrage, von wöchentlich 1,2 Millionen möglichen Tests würden aktuell rund 500.000 genutzt. In NRW ist das Ministerium vorsichtiger. Für eventuelle lokale Ausbrüche müssten Kapazitäten vorgehalten werden, auch für die Reiserückkehrer und Kita-Mitarbeiter. Aktuell würden pro Woche rund 140.000 Tests durchgeführt. Über die Kapazität machte das Ministerium keine Angaben, im März wurden sie aber extra erhöht. Pflegeträger befürchten Anstieg der Zahlen zum Ende der Ferien Im Moment, so erklärt es Zieger, gebe es zwar Beispiele von Einrichtungen, die Reihentests auf eigene Kosten durchführen. "Aber das Gros macht das nicht." Stattdessen folgten noch immer viele der Empfehlung des Robert-Koch-Instituts, dass bei Personalmangel auch solche Mitarbeiter weiterarbeiten dürfen, die zwar positiv getestet sind, aber keine Symptome haben. Die Sorge in den Einrichtungen ist groß, wenn auch laut Zieger nicht mehr so wie in den ersten Tagen der Pandemie. Trotzdem fordern Träger von Altenheimen und ambulanten Pflegediensten in NRW Corona-Reihentests in der Pflege. Es sei zu befürchten, dass zum Ende der Sommerferien das Risiko von Corona-Infektionen in Pflegeeinrichtungen wieder deutlich steigen werde. Die Tests könnten bei weiteren Lockerungen, etwa bei den Besuchsregelungen, einen wesentlichen Beitrag zum Schutz vor Infektionen bieten. Ähnlich grundsätzliche Forderungen stellte vor Wochen die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Am Freitag stimmte auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) ein und fordert kostenlose Corona-Tests für Polizeibeschäftigte. "Die innere Sicherheit kann nur mit gesunden Kolleginnen und Kollegen aufrecht erhalten werden", heißt es in einer Mitteilung. Die Gewerkschaft fordert: "Vor die Lage kommen, vorher testen und nicht nur nach positiven Tests reagieren!" Krankenhäusern fehlt wichtigste Einnahmequelle Im Moment überwiege bei den Pflegekräften aber eher die Sorge um die Existenz der Einrichtungen, sagt Zieger. 57 Prozent der Krankenhäuser rechnen laut "Krankenhausstudie 2020" für das laufende Jahr mit einem Defizit. Im Vorjahr verzeichneten nur 32 Prozent der Kliniken ein Minus. Jetzt rechnen die Manager von Kliniken mit mehr als 1.000 Betten sogar in 72 Prozent der Fälle mit Verlusten. In der Corona-Pandemie konnten sie die meisten nicht überlebensnotwendigen Behandlungen (Wahleingriffe) nicht mehr durchführen, um jederzeit genug Betten für Corona-Patienten vorhalten zu können, erklärt Zieger. "Damit ist ihnen auch die Haupteinnahmequelle weggebrochen." "Mallorca-Reisende sind offenbar systemrelevant" Er erinnert daran, dass sich die Diskussion vor Corona um die Frage drehte, ob es in Deutschland nicht zu viele Krankenhausbetten gebe. "Das hat sich erledigt. Die Frage wird sein: Werden wir hinterher anders über Unterfinanzierung diskutieren, als nur mit der Idee, Krankenhausbetten zu reduzieren?" Die Entscheidungen der Regierung hätten in jedem Fall zuletzt eher keinen guten Eindruck bei Ärzten und Pflegepersonal hinterlassen. "Mallorca-Reisende sind offenbar systemrelevant, Ärzte und Pfleger nicht."

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