Belgische Anleger klagen wegen ostwestfälischer Schrottimmobilien

Bielefeld/Bad Oeynhausen. Belgische Anleger fühlen sich betrogen: Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen sollen ihnen Eigentumswohnungen untergejubelt worden sein, die sich schnell als erbärmliche Schrottimmobilien erwiesen. Rund 160 Anleger aus allen Gesellschaftsschichten - darunter etliche Rentner, Schwerbehinderte und Menschen mit geringen Vermögen - haben sich in einem Opferverein zusammengetan, um von der Immobilienfirma "Creadomus" im nordbelgischen Gent ihr Geld zurückzufordern. Vertreten werden sie von dem Bad Oeynhausener Rechtsanwalt Thomas Grohmann: "Wir sehen eine vorsätzliche sittenwidrige Täuschung und gehen von arglistiger Täuschung aus", sagt Grohmann. Einen ersten Prozesstermin hatte es bereits am 19. Dezember am Bielefelder Landgericht gegeben. Insgesamt soll es um rund 130 verkaufte Wohnungen in Herford, Löhne und Vlotho sowie in südwestfälischen und niedersächsischen Städten gehen. Einige Verfahren sind daher in Bielefeld anhängig, andere in Braunschweig (Prozessauftakt am 20. Januar) und Arnsberg. Die Wohnungen sollen schwere Mängel aufweisen und keinesfalls kürzlich renoviert und "wie neu" sein, wie es den Käufern versprochen worden war. Rechtsanwalt setzt auf den "Wucherparagraphen" Grohmann führt zunächst Zivilprozesse und verlangt die Rückabwicklung der Kaufverträge. Er stützt die Klagen auf den Vorwurf der Sittenwidrigkeit, weil der Kaufpreis der Wohnungen jeweils um 80 Prozent oder mehr über den Verkehrswerten gelegen habe - wenn ein solcher "Wucher" vom Gericht festgestellt würde, wären die Kaufverträge laut Paragraph BGB 138 nichtig. Dem Vernehmen nach könnte es sein, dass die Richterin am Bielefelder Landgericht schon am 23. Januar 2020 die Einsetzung eines Gutachters verkündet. In Bielefeld geht es in zwei Verfahren zunächst um zwei Wohnkomplexe aus den 50er Jahren mit je acht Wohnungen in Löhne und Herford. Sie wurden im Oktober 2016 und im Januar 2017 verkauft. Die Streitwerte liegen in einem der Verfahren bei insgesamt 554.000 Euro, im anderen bei 580.000 Euro, so ein Sprecher des Landgerichts Bielefeld. Den Käufern seien mündlich und in einem Prospekt viele falsche Versprechungen gemacht worden, sagt die Belgierin Liesbeth Beeckman. Sie gründete den Selbsthilfeverein "Samen sterk" ("Zusammen stark"), nachdem sie festgestellt hatte, dass ihre beiden Wohnungen in Vlotho das Geld nicht wert sind, das sie investiert hat. Dabei hatte die 39-Jährige den Verkäufern der Firma Creadomus wie all die anderen Anleger zunächst vertraut, wie sie sagt. Doch als sich die Rechnungen und Komplikationen häuften, machte sie sich auf den Weg nach Ostwestfalen, um nach dem Rechten zu schauen. Ein Makler habe ihr dann die Fehlinvestition klar gemacht: Eine der Wohnungen, für die sie 65.000 Euro bezahlt hatte, sei in Wahrheit kaum 10.000 Euro wert. Die belgische Zeitung De Morgen sprach auch mit zahlreichen anderen Anlegern, die sich genauso getäuscht fühlen. Mehr als 70 von ihnen kamen deswegen zum ersten Verhandlungstag nach Bielefeld. Versprochen wurden hohe Renditen und ein prima Zustand In dem recht vage gehaltenen Prospekt der Firma Creadomus (bzw. Creahaus) ist unter dem Titel "Investieren Sie in deutsche Immobilien" die Rede davon, dass den Investoren ausgezeichnete Renditen und Wertsteigerungen garantiert werden. Die Philosophie des Anbieters sei es, dass "alle wichtigen Elemente des Gebäudes" - etwa Dach, Heizung, Fenster - sich in einem "einwandfreien Zustand befinden" müssten, um die Käufer vor unangenehmen Überraschungen zu bewahren. Genau das aber soll in vielen Fällen nicht der Fall gewesen sein. Die neuen Eigentümer ärgern sich etwa über defekte Heizungen oder überalterte Fenster. Noch mehr falsche Versprechungen sollen den oft unerfahrenen Käufern dann mündlich bei Hausbesuchen gemacht worden sein - etwa, dass die Mieteinnahmen garantiert und die Kosten gering seien, dass die Immobilen erst kürzlich renoviert wurden oder dies schon bald geschehe. Auch sei den Belgiern erklärt worden, die Wohnungen befänden sich direkt in Bielefeld, nicht im Umland, so Beeckman. Erbbaurecht und Grunderwerbssteuer überrascht die Käufer Auf der anderen Seite gab es manche Information gar nicht oder erst sehr spät - etwa, dass die Häuser auf Erbpachtgrundstücken stehen, für die ein regelmäßiger Pachtzins fällig wird. Ein Umstand, der den Wert der Anlage drückt: "Es ist hanebüchen, denn Creadomus hat die Immobilien selbst für kleines Geld gekauft und dann erst in Erbbaurecht umgewandelt", kritisiert Rechtsanwalt Grohmann. Grund und Boden blieben also im Eigentum der Firma Creadomus. Dass für die Erbbaurechts-Käufer trotzdem in Deutschland auch eine erhebliche Grunderwerbssteuer fällig wird, sei den Anlegern auch nicht richtig klar gewesen. Die belgischen Käufer sollen Unterlagen in deutscher Sprache erhalten haben, auch vom belgischen Notar seien sie nicht näher aufgeklärt worden, so wird beklagt - und die Kaufverträge wurden in vielen Fällen nicht einmal wie üblich vorgelesen, so heißt es. Von einer Besichtigung der Immobilie seien die Interessenten im Vorfeld etwa durch Hinweis auf die große Nachfrage und entsprechend hohe Eile abgehalten worden. Das ganze Vorgehen hat Methode, und zwar seit vielen Jahren, glauben die Käufer. Creadomus gehöre zur verzweigten Firmengruppe der Unternehmerfamilie Debucquoy - und die sei auf vielfältige Weise auf dem europäischen Immobilienmarkt aktiv.

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