Wirtschaft

Drei Start-up-Geschwister aus OWL auf dem Weg zur digitalen Messe

Lara, Lena und Arne Farwick war schon als Kindern klar, dass sie auch beruflich gemeinsam etwas auf die Beine stellen wollen. Ihr Unternehmen „Enra“ hilft Firmen, auf der Messe Kosten und Zeit zu sparen

Bester Laune: Arne, Lena und Lara Farwick (v. l.) bringen ihr Unternehmen gemeinsam nach vorn. | © Stefan Schelp

Stefan Schelp
29.10.2019 | 10.08.2020, 17:26

Herzebrock-Clarholz. Wer hat eigentlich behauptet, dass erfolgreiche Start-ups in kalifornischen Auto-Garagen gegründet werden? In einem Kinderzimmer in Gütersloh geht das ebenso gut. Mindestens. „Wir haben immer schon gewusst, dass wir später mal was zusammen auf die Beine stellen", sagt Lena Farwick (23). „Hat geklappt", freut sich ihre Zwillingsschwester Lara. Auch wirtschaftlich: Im Oktober 2017 ging’s los mit dem Farwick-Familien-Start-up „Enra". „Und seit Mitte 2018 sind wir profitabel", erklärt der Dritte im Bunde, Arne Farwick (24).

Die Idee zur Firma stammt von Lara Farwick. Sie hat ein duales Studium absolviert. Inklusive langen, anstrengenden Tagen auf Fachmessen. Viel reden, viel erklären, reichlich Visitenkarten tauschen und jede Menge Prospekte an den Kunden bringen. Aus Unternehmenssicht: Hohe Kosten mit schwer einzuschätzendem Erfolg. „Ich habe versucht, mir das aus der Vogelperspektive anzusehen", sagt Lara Farwick. Wie lassen sich Kosten reduzieren und gerade deshalb die Erfolgsaussichten vergrößern, lautete die Frage. Und die Erkenntnis: „Ich glaube, da kann man was machen."

Die analoge Standfläche wird digital erweitert

Im Farwick’schen Kinderzimmer wurden die Dinge diskutiert, dabei entstand ein Konzept, das hilft, die analoge Standfläche eines Unternehmens durch eine digitale Etage zu erweitern. Zwei Messetrends wirken für die Farwicks als Katalysatoren: Unternehmen reduzieren aus Kostengründen ihre Standfläche, gleichzeitig werden aber die Produkte immer komplexer. Die Farwicks helfen den Unternehmen, die schwierigen Erklärungen in die digitale Welt zu exportieren. Kunden können zum Beispiel den QR-Code an der neuen Supermaschine scannen und bekommen auf ihrem Smartphone alle wichtigen Informationen zum Produkt. Sie können per Mail Kontakt aufnehmen, in den Online-Katalogen stöbern und sich nach der Messe mit einem Wischen auf dem Handy die Messe-Highlights noch einmal vergegenwärtigen. All das regelt die Software des Farwick-Start-ups „Enra".

Und der Aussteller? Kann mit dem gleichen Programm die Visitenkarte des zukünftigen Kunden scannen, wichtige Stichpunkte ergänzen und die Besucher nach der Messe digital verwalten. Super einfach zu handhaben ist das Konzept außerdem. „Proved by Oma Farwick" haben die Geschwister ihr ureigenes Qualitäts-Versprechen getauft. Dahinter steckt ein Handhabungscheck durch Oma Farwick vor der Veröffentlichung neuer Funktionen.

13.000 Euro - ein starkes Argument

Falls der als sparsam bekannte Ostwestfale abwinkt und erklärt, das sei zwar schicker, aber unnötiger Firlefanz, präsentieren die Farwicks ihre Zahlen. Und rechnen anhand der realen Kennzahlen eines Maschinenbauers vor: Der verfügt über ein Messebudget von 150.000 Euro bei neun Messetagen und 4 Mitarbeitern. Diese schaffen 540 Kontakte. Wenn dank Enra-Technik pro Messekontakt zwei Minuten eingespart werden, bedeutet das unterm Strich einen Kostenvorteil von gut 7.500 Euro. Hinzu kommt die Zeitersparnis bei der Nachbearbeitung der Messe – noch einmal 5.500 Euro. Alles in allem also 13.000 Euro. „Und das ist ein starkes Argument", sagt Arne Farwick.

70 Unternehmen haben sich vom Verfahren bereits überzeugen lassen und setzen es ein. Das Potenzial ist natürlich noch viel größer. In Deutschland gibt es 180 internationale Fachmessen, dazu eine Unmenge von Fachkongressen und Tagungen. 55.000 Unternehmen präsentieren sich, zehn Millionen Besucher sind auf diesen Messen unterwegs. „Der Markt ist da", sagt Lena Farwick. Und die digitalen Möglichkeiten sind immens.

Die geschützte Blase war schon vorher weg

Bei der „FMB Zulieferermesse Maschinenbau" im November zeigen die Farwick-Geschwister gemeinsam mit dem Unternehmen Blechwerk Bürger GmbH, was noch alles in „Enra" steckt. Wie sich komplexe Prozesse eines Unternehmens darstellen lassen und welche Möglichkeiten sich aus dem Einsatz digitaler Technik für potenzielle Kunden ergeben. „Wir wollen noch besser entertainen, erklären und darstellen", sagt Arne Farwick. Mit dem Projekt auf der FMB fällt der Startschuss für eine umfangreiche Weiterentwicklung auch im Bereich künstlicher Intelligenz. Fehlt nur noch eins: ein Investor, der sich mit einem mittleren sechsstelligen Betrag am Unternehmen beteiligt. Und damit gewissermaßen die „Abnablung" vom „Kinderzimmer".

Ob das ein komisches Gefühl ist, jetzt einen Investor an Bord zu holen? „Nö", sagt Lena. „Das ist für uns eine Bestätigung." „Die geschützte Blase war ja schon vorher weg", ergänzt Lara. Und der kaum ältere Bruder stellt klar: „Wir nehmen die Herausforderung gern an."

INFORMATION


Die Menschen hinter Enra

Lara Farwick (23) hat ein duales Studium bei einem Unternehmen in Osnabrück absolviert und kümmert sich im Familien-Start-up „Enra" um Marketing und Personal.

Zwillingsschwester Lena Farwick hat Maschinenbau studiert und ist bei Enra für die Entwicklung zuständig.

Arne Farwick hat sein Studium als Wirtschaftsingenieur absolviert und kümmert sich um den Vertrieb.

Enra hat drei weitere Beschäftigte, das Unternehmen ist nach eigenen Angaben seit Mitte 2018 profitabel.