Athen (dpa) - Ein neuer Waldbrand in Griechenland gefährdet das Dorf Olympia auf der Halbinsel Peloponnes. Der griechische Zivilschutz ordnete am Mittwochnachmittag per SMS an die Einwohner an, den Ort zu verlassen. In unmittelbarer Nähe befindet sich die berühmte antike Stätte Olympia, bei der vor den Spielen stets das Olympische Feuer entzündet wird.
„Wir haben eine Verteidigungslinie rund um die antike Stätte und das Dorf gebildet", sagte der Gouverneur der Region Nektarios Farmakis im Staatsfernsehen.Reporter vor Ort berichteten, das eigene Löschsystem der antiken Stätte sei aktiviert worden. Wasserkanonen besprühen alles um und in Olympia. Kulturministerin Lina Mendoni sei auf dem Weg von Athen nach Olympia, berichtete derweil das griechische Staatsradio.
„Wir haben all unsere Einsatzkräfte nach Olympia geschickt, um Menschenleben und unsere antike Tradition zu retten", sagte der Bürgermeister von Pyrgos dem griechischen Sender Open.Innerhalb von acht Stunden seien rund um Olympia sieben Brände ausgebrochen, sagte der Chef des griechischen Zivildienstes, Nikos Chardalias, im Staatsfernsehen. Damit verstärkte er Vermutungen von Einwohnern, dass es sich um Brandstiftung handeln könnte.
Bei verheerenden Bränden waren 2007 in dieser Region im Westen des Peloponnes Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Auch die antike Stätte von Olympia war damals schwer beschädigt worden, das eigene Löschsystem hatte nicht funktioniert. Betroffen war vor allem die Anhöhe über dem Heiligen Hain, die unter dem Namen „Kronoshügel" bekannt ist. Dort findet jeweils einige Monate vor den Sommer- und Winterspielen das Zeremoniell zur Entfachung des Olympischen Feuers statt. Das Museum von Olympia konnte 2007 im letzten Moment gerettet werde, als ein Löschpanzer eingesetzt wurde.
Teufelskreis in Athen
In Athen sprach die Feuerwehr am Mittwoch von einem Teufelskreis: Der Wind in der Brandregion im Norden der Hauptstadt ließ nach, so dass das Feuer dort weitgehend eingedämmt werden konnte. Dafür steckt die ganze Stadt jetzt unter einer gewaltigen Rauchglocke, die sich mangels Wind auch nicht verflüchtigt. Helfen würden nur frische Böen, die jedoch das Feuer neu entflammen könnten. Die vorläufige Ruhe an der Feuerfront ist momentan also nur das: vorläufig.
Mehr als 80 Häuser sind den Flammen bisher zum Opfer gefallen, seit der Brand am Dienstag seinen Lauf nahm. Der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis sprach bei einem Besuch in der Region am Mittwochmorgen von einem „Alptraumbrand".
Die Augen tränen, die Luft kratzt im Hals
Derweil leiden so gut wie alle Bewohner Athens nicht nur unter der Gluthitze, sondern auch unter einer enormen Feinstaubbelastung durch die Rauchschwaden. Zwischenzeitlich meldete die griechische Gesundheitsbehörde für das Stadtzentrum eine Belastung von bis zu 465 Mikrogramm Feinstaub je Kubikmeter. Zum Vergleich: EU-weit gilt als Grenzwert ein Tagesmittelwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.
Wer auf den Balkon tritt, merkt das sofort: Die Augen tränen, die Luft kratzt im Hals, das Atmen fällt schwer. Die Bewohner sind aufgerufen, die Häuser nicht zu verlassen und die Fenster geschlossen zu halten. Feuer gab es auch auf den Urlaubsinseln Rhodos und Kos sowie auf der Insel Euböa.
Auch die Feuer auf der Insel Sizilien, Sardinien und an der Adria wüteten in Touristengegenden oder teilweise direkt am Strand. Etliche Ortschaften wurden evakuiert, Touristen teilweise auf Booten in Sicherheit gebracht. In Italien waren besonders der Süden, die großen Inseln und Teile der Adriaküste betroffen.
Kohlekraftwerk geräumt
In der Türkei sind seit vergangenem Mittwoch über 150 Brände ausgebrochen. Für acht Menschen kam dort jede Hilfe zu spät. Unter den Toten war auch ein deutsch-türkisches Ehepaar, wie türkische Medien berichteten. Der Mann und die Frau seien leblos auf einem Weg in der Nähe ihres Hauses in Manavgat in der Region Antalya gefunden worden. Das Auswärtige Amt bestätigte die Berichte am Dienstag vorerst nicht. Der regierungsnahen türkischen Nachrichtenagentur Demirören Haber Ajansi (DHA) zufolge hatte das in Deutschland geborene Paar versucht, zu einem nahe gelegenen Brunnen zu fliehen. Die Brände in der Türkei toben vornehmlich an der Mittelmeerküste, besonders betroffen sind die Regionen Antalya, Mugla aber auch Adana. Vieh wie Kühe und Hühner sowie in den Wäldern lebende Tiere sind in großer Zahl in der Flammen verendet.
In den Waldbrandgebieten in der Türkei haben die Flammen auch ein Kohlekraftwerk erfasst. "Die Flammen sind auf das Gelände des Kraftwerks übergesprungen", twitterte am Mittwochabend der Bürgermeister von Milas, Muhammet Tokat. Das Kraftwerk nahe der Westküste der Türkei sei vollständig geräumt worden.
«Die Wälder in der Mittelmeerregion werden von einer neuen Generation von Bränden heimgesucht», hieß es in einer Mitteilung des WWF. Die Umweltorganisation befürchtet, «dass im gesamten Mittelmeerraum in diesem Jahr erneut mehr als eine halbe Million Hektar Wald in Flammen aufgehen werden».
Die Türkei und Griechenland erfasst seit Tagen eine Hitzewelle mit Extremtemperaturen. Es herrschen teilweise über 40 Grad, «die Böden trocknen aus, es ist lang kein Niederschlag gefallen», sagte Andreas Friedrich, Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD), der Deutschen Presse-Agentur.
Auch Brandstifter unterwegs
Auslöser für die Brände kann es viele geben. In Italien etwa haben Polizisten zwei Brandstifter auf Sizilien festgenommen. Die Carabinieri hätten die beiden Männer im Alter von 80 und 25 Jahren am Montag auf frischer Tat in der zentralen Provinz Enna ertappt, hieß es am Dienstag in einer Mitteilung. Demnach waren sie dabei, einen Brand im Gebiet des Gebirges Monti Nebrodi zu legen, einem bekannten Naturareal Siziliens, das teils unter Naturschutz steht.
In der Türkei befördern die Brände auch die politische Debatte. Von Beginn an wurde besonders in den sozialen Medien Kritik an der Ausstattung der Einsatzkräfte laut. Zu wenige Lösch-Flugzeuge, zu wenig Vorbereitung auf derartige Krisen. Laut dem türkischen Luftfahrtverband verfügt die Türkei über 3 Löschflugzeuge und 17 Helikopter. Zum Vergleich: Griechenland verfügt über mehr als 40 Löschflugzeuge und 25 Hubschrauber. Die Regierung gestand den Fehler ein, aus dem Ausland wurden weitere Flieger zur Unterstützung der Löscharbeiten angefordert. Die Europäische Union sendete drei Flieger aus Kroatien und Spanien zum Löschen. Aus Aserbaidschan kamen Hunderte Helfer.
Scharfe Kritik wurde auch am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan laut. Ein in den sozialen Medien häufig geteiltes Video zeigt Erdogan dabei, wie er auf seiner Reise in das Katastrophengebiet abgepackten Tee aus einem rasch vorbeifahrenden Bus in Richtung von Menschen am Straßenrand wirft. Ein Mensch in Uniform duckt sich weg, um nicht von dem Teepaket getroffen zu werden. Das Video wurde von vielen als Beweis für die Unfähigkeit der Regierung gewertet, adäquat auf den Notstand zu reagieren.
Stromverbrauch steigt
Mit der großen Hitze steigt in den Ländern auch der Stromverbrauch. Das griechische Energieministerium rief alle Bürger auf, die Klimaanlagen nicht auf ganz niedrige Temperaturen zu stellen. «26 Grad und nicht mehr», hieß es vom Ministerium. In der Türkei fiel am Montag bereits in zahlreichen Orten des Landes der Strom aus, Grund sei der mit der Hitze stark gestiegene Verbrauch, hieß es in einer Mitteilung des Ministeriums für Energie und natürliche Ressourcen.
Niederschlag sei auch bis Ende der kommenden Woche in allen drei Ländern nicht in Sicht, hieß es vom DWD. Für die nächsten zehn Tage halte das trocken-heiße Wetter an. Die Brandgefahr werde angesichts der Dürre auch nach dem Ende dieser Hitzewelle enorm sein, warnten Meteorologen: Wenn Winde einsetzten, könne es zu verheerenden Feuern kommen.
Zwei Forstarbeiter sterben in Bulgarien
In Bulgarien sind zwei Forstarbeiter beim Löschen eines neuen Großbrandes ums Leben gekommen. Ein weiterer Forstarbeiter erlitt bei dem Brand im Raum Sandanski an der Grenze zu Griechenland Verbrennungen und wurde in eine Klinik gebracht. Zudem entflammten in Südbulgarien zwei weitere Großbrände, wie Medien am Mittwochabend in Sofia berichteten.
Zwei Waldbrände waren unterdessen unter Kontrolle gebracht worden. Ein Großbrand am Fuß des Balkangebirges bei Karlowo wurde gebändigt, wie der Fernsehsender bTV am Mittwoch berichtete. Auch ein seit Tagen tobender Großbrand im Südwesten Bulgariens ist einem Bericht des Staatsradios zufolge unter Kontrolle.
Die Dauerhitze hielt in Bulgarien am Mittwoch an - jetzt allerdings bei etwas niedrigeren Temperaturen knapp unter 40 Grad. Für Donnerstag wurde für einen Großteil des Landes wieder die zweithöchste Alarmstufe Orange ausgerufen.Die bulgarische Schwarzmeerküste im Osten des Landes blieb soweit von den Waldbränden und der Dauerhitze verschont. Die Badeorte sorgten für Erfrischung bei angenehmen Temperaturen bis 30 Grad.