Corona-Krise macht erfinderisch

Corona-Schutzbrillen mit Stil

Markus Temming, Geschätsführer des Designbrillenherstellers Markus T aus Isselhorst. | © MarkusT

09.05.2020 | 24.08.2020, 16:41

Als Corona seine Branche zum Wanken brachte, hat sich Markus Temming, Geschäftsführer des Brillenherstellers Markus T aus Gütersloh-Isselhorst, eine Produktalternative für sein Unternehmen ausgedacht: stylishe Schutzbrillen.

Schutzbrillen als Schutz gegen Corona

Herr Temming, normalerweise produziert Ihr Unternehmen Designbrillen. Dann kam Corona. Wann war klar, dass das Virus große Auswirkungen für Sie haben wird?
Markus Temming:
In unserer Branche spüren wir wirtschaftliche Veränderungen sehr schnell. Eine Brille wird im Schnitt alle vier Jahre erneuert. Passiert etwas Negatives, sind Brillen aber ein Posten, der vom Verbraucher gerne geschoben wird. Darum war mir schon als die Nachrichten aus Spanien und Italien kamen klar, dass sich Corona drastisch auswirken wird.

Aus Polycarbonat: Das Visier schützt das ganze Gesicht, ohne die Mimik zu verdecken. Das kann zum Beispiel bei Ärzten wichtig sein. - © MarkusT
Aus Polycarbonat: Das Visier schützt das ganze Gesicht, ohne die Mimik zu verdecken. Das kann zum Beispiel bei Ärzten wichtig sein. | © MarkusT

Was war Ihre erste Reaktion? Hatten Sie Existenzangst?
Temming:
Das liegt nicht in meinem Naturell. Ich bin eher nach vorne gerichtet und versuche, Lösungen zu finden. Aber natürlich trage ich nicht nur Verantwortung für mich. Darum habe ich zuerst mal alles vorbereitet, um Kurzarbeit anmelden zu können und damit Arbeitsplätze zu sichern. Das ist für Unternehmen unserer Größe in NRW leider das einzige Instrument. Direkte Unterstützung gibt es nicht – das macht mich ehrlich gesagt manchmal etwas traurig.

Corona-Schutzbrillen sexy machen

Darum haben Sie selbst noch eine Lösung überlegt: Schutzbrillen. Das klingt im Gegensatz zu Designbrillen erstmal unsexy. Was ist das Besondere an Ihren Modellen?
Temming:
(lacht) Genau das war unser Ziel: Schutzbrillen sexy machen. Modelle, die nicht nur einen Zweck erfüllen, sondern auch komfortabel sind und gut aussehen. Außerdem sollten Sie universell einsetzbar sein, mit der Möglichkeit, sie immer tragen zu können. Auch nach Corona.

Wie kamen Sie auf die Idee?
Temming:
Der Auslöser war die breitgestreute öffentliche Anfrage der Stadt Gütersloh nach Schutzausrüstung. Es fehlte ja eine Zeit lang überall. Dadurch habe ich allgemein überlegt, was ich tun kann. Es ging schließlich darum, anderen Menschen zu helfen. Die Idee mit den Schutzbrillen kam mir ganz klassisch unter der Dusche.

Mund-Nasen-Schutz und Visier gegen Corona-Infektion

Wo kommen Ihre Modelle zum Einsatz?
Temming:
Wir haben sie für unterschiedliche Zwecke konstruiert – darum gibt es zwei Versionen. Eine nur für die Augen, die man zum Beispiel beim Joggen als Mückenschutz tragen kann – und wenn man dann unter Menschen geht, nimmt man einen Mund-Nasen-Schutz dazu. Viren treten über Schleimhäute in den Körper ein. Die Bindehaut gehört auch dazu, und Studien haben gezeigt, dass wir uns viel öfter ins Auge fassen, als an Mund oder Nase. Zusätzlich haben wir aber auch ein Visier entwickelt, das das gesamte Gesicht schützt, es aber nicht verdeckt. Mimik ist wichtig, vor allem, wenn es um Emotionen geht, zum Beispiel in psychotherapeutischen Sitzungen. Es kann also im Gesundheitssektor eingesetzt werden aber auch jeder andere kann sich damit schützen.

Mit den Schutzbrillen haben Sie Neuland betreten. Wie tastet man sich da heran?
Temming:
Am Anfang stand die wirtschaftliche Frage: Wie kann ich das machen? Was haben wir im Fundus – an Material, an Know-how –, was brauchen wir noch? So haben wir Stück für Stück unseren Bausatz zusammengesetzt. Danach haben wir angefangen, zu zeichnen. Mit der Materialvorgabe waren wir in der Kreativität völlig frei.

Und wie war es, dann auch technisch darauf umzustellen?
Temming:
Es war bisweilen komplizierter, als gedacht. Wir wollten zum Beispiel mit hochwertigem Polycarbonat als Schutzschild arbeiten. Es gab zu der Zeit aber kaum Material, weil die Nachfrage plötzlich so hoch war. Ansonsten haben wir aber das Glück, dass wir fast alles selbst herstellen können. Wir haben sogar einen eigenen Werkzeugbau. Insofern sind wir in großen Bereichen auch unabhängig. Das hat die Umstellung erleichtert.

Mit was für einem Gefühl investiert man in so einer Situation?
Temming:
Ich habe eben von dem Polycarbonat erzählt. Wir haben einen Zulieferer gefunden, der noch zwei Rollen hatte. Die Frage, ob ich sie reservieren könne, verneinte er. Also musste ich spontan entscheiden, ob ich Material für 100.000 Schutzbrillen anschaffe – ohne zu wissen, ob sie jemand kauft. Wir haben es gemacht. Allerdings mit Bauchschmerzen. Aber mein Team stand absolut hinter mir, weil klar war, dass wir dieses Risiko eingehen, um anderen Menschen zu helfen. Außerdem waren die Brillen kein Schnellschuss. Sie bleiben auch nach Corona fester Bestandteil von Markus T.

Aktuell ist Verkaufsstart. Sind Sie aufgeregt?
Temming:
Ja, eine gewisse Aufregung ist dabei. Ich bin sehr gespannt, wie es sich entwickelt. Und ich freue mich schon auf den Tag, an dem wir mit diesen Maßnahmen die Kurzarbeit hoffentlich beenden können. Ich weiß genau, welche Entbehrungen das für mein Team bedeutet.

Konnten Sie etwas Positives aus der Krise ziehen?
Temming:
Ganz viel. Für mich ist diese Zeit – abgesehen von den schlimmen Schicksalen, von denen man hört – eine sehr bewusste Zeit des Runterfahrens, der Kreativität, des Umorientierens. Ich war neulich mit dem Auto auf dem fast leeren Ostwestfalendamm unterwegs und habe mich plötzlich gefragt: Was mache ich hier?. Seitdem fahre ich häufiger mit dem Fahrrad in die Firma. Mir ist wichtig, dass viele solcher Momente, die wir in unserer Social-Media-Kampagne #coroNO sammeln, bei uns allen hängen bleiben und wir sie mit in die Zukunft nehmen.

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