Gutes Hören ist immer wichtig - auch in der Corona-Krise

Deshalb kommt das Hörakustik-Handwerk auch in der Krisenzeit seiner Verantwortung für das Gesundheitswesen nach. Lothar Vollbach und Thorsten Gerland sprechen im Interview über Schutzmaßnahmen, Kundenvertrauen und Chancen.

Gerade in Krisenzeiten: Hörakustiker sind wichtig für die Volksgesundheit. | © picture alliance/dpa

01.05.2020 | 04.05.2020, 11:45

Die hier ansässigen Familienunternehmen Hörakustik Vollbach und Gerland Hörgeräte kehren nun langsam zum Regelbetrieb zurück – trotzdem wird einiges anders sein.

Als Hörgeräte-Akustiker müssen Sie ja zwangsläufig einen engen Kontakt zu Ihren Kunden pflegen, wie gehen Sie in Corona-Zeiten damit um?
Lothar Vollbach:
Das ist ein Balanceakt zwischen einer räumlichen und gewohnten Kundennähe und andererseits der Verantwortung, mit den Umständen aus der aktuellen Situation angemessen umzugehen. Als Hörakustiker sind wir Gesundheitshandwerker und haben viele Kunden, die der Risikogruppe angehören. Für hörbeeinträchtigte Personen ist es wichtig, einen Ansprechpartner zu haben, wenn das Hörgerät einmal nicht funktionieren sollte. Deshalb haben wir in den letzten Wochen in einem Notbetrieb gearbeitet, um die Betreuung in diesen Fällen sicherstellen zu können. Wir haben jetzt ein Konzept entwickelt, mit dem wir in den kommenden Wochen und Monaten die nochmals erhöhte Sicherheit beim Aufenthalt in unseren Fachgeschäften gewährleisten.

Lothar Vollbach - © Vollbach
Lothar Vollbach | © Vollbach

Welche Schutzmaßnahmen treffen Sie genau?
Thorsten Gerland:
Es gibt zum Glück mittlerweile feste Vorgaben unserer Bundesinnung, die bei kompletter Umsetzung zwar die Arbeitsabläufe verändern, aber weiter eine sichere, zielgerichtete Hörgeräteversorgung erlauben. Wenn wir mit Desinfektion, Mund- und Spuckschutz arbeiten, können auch unsere älteren Kunden gut versorgt werden. Dazu bieten wir außerdem alle Erleichterungen an, die möglich sind. Vom Hausbesuch, über die Reduzierung der Zahl der notwendigen Termine durch vorherige Beratung am Telefon bis zur Fernanpassung über die Apps der Hörgerätehersteller. Wir sind gut gerüstet, arbeiten ohne Qualitätsverlust in den größeren Filialen mit zwei Teams und sind froh, endlich wieder zu starten.

Thorsten Gerland. - © Gerland
Thorsten Gerland. | © Gerland

Sie sind schon sehr lange in OWL als Familienunternehmen präsent. Wie haben Sie die vergangenen Wochen erlebt in Bezug auf die Kommunikation mit Ihren Mitarbeitern?
Vollbach:
Für jeden war und ist es eine neue und zugleich veränderte Situation. Wir haben früh angefangen Maßnahmen zu ergreifen und es gab Gespräche über das Für und Wider. Wir haben mit unseren Mitarbeitern immer offen kommuniziert, Möglichkeiten und Maßnahmen abgestimmt und diese dann gemeinsam umgesetzt. Nur so kann es gelingen, mit jedem Mitarbeiter gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Ihr Zuspruch ist durchweg positiv. Als Familienunternehmen, das es nun schon 35 Jahre gibt, übernehmen wir Verantwortung für unsere Mitarbeiter und deren Familien – in guten wie auch in jetzigen, herausfordernden Zeiten.
Gerland: Auch ich muss alle meine Mitarbeiter loben, die die notwendigen Schutzmaßnahmen gewissenhaft verfolgen. Aber auch der Einnahmeverlust durch die Kurzarbeit war für das komplette Team alternativlos. Jetzt erleben wir ausnahmslos positive Rückmeldungen, auch von den Kunden. Zum Beispiel über unseren Notdienst der vergangenen Wochen, aber auch beim Neustart der Anpassungen berichten sie von einer Vorfreude auf die kommenden Termine. Zu erleben, dass unsere Arbeit von den Kunden wertgeschätzt wird, ist schön!

Was bedeutet gerade in Anbetracht der aktuellen Situation für Sie Kundenbindung? Welche besondere Rolle spielen Sie als Gesundheitshandwerker?
Gerland:
Es war schon immer unser Prinzip mit langjährigen Mitarbeitern zu arbeiten und so sicherzustellen, dass unsere Kunden auch über mehrere Jahre hinweg ihre konstanten Ansprechpartner behalten. Ich persönlich betreue manche Kunden schon mehr als zwanzig Jahre lang. Nach so einer langen Zeit kennt man sich, Bedürfnisse und Wünsche genau und kann passend beraten. Ein Kunde kann heute überall erwarten, dass der Mitarbeiter gut ausgebildet ist, aber es ist leichter, wenn das Vertrauen schon besteht und so immer fair beraten wird. Ich denke, diese Kontinuität ist der Grundsatz für fast alle Familienunternehmen.
Vollbach: Ja, genau. Als Gesundheitshandwerker sehen wir uns daher in der Verantwortung, auch in dieser Zeit für unsere Kunden da zu sein. Kunden, die ein defektes Hörgerät haben, können eben nicht vier Wochen warten, sondern benötigen zeitnah Hilfe. Das Hören ist elementar für unsere Lebensqualität.

Wie elementar genau? Welche Bedeutung hat gutes Hören für uns Menschen?
Vollbach:
Immanuel Kant hat einmal gesagt: „Nicht sehen trennt von den Dingen, aber nicht hören trennt von den Menschen." Ich glaube, das Zitat trifft aktuell sehr gut zu. In Zeiten von Social Distancing kommunizieren wir doch gerade über die Stimme mit unseren Mitmenschen. Per Telefon und Videochat halten wir Kontakt zu unseren Mitmenschen, Freunden und Familie – gutes Hören ist hier von essenzieller Bedeutung.
Gerland: Neben der technischen hat das Hören eben auch immer eine emotionale Bedeutung. Nur wer hört und versteht, kann am sozialen Leben teilnehmen. Hören ist ein Grundbedürfnis. Wäre es anders, wäre unser Beruf weniger wichtig und weniger interessant.

Die Digitalisierung schreitet ständig voran und macht auch vor der Hörakustik nicht halt. Inwieweit profitieren Ihre Kunden von modernster Technik? Welche Entwicklungen gibt es?
Gerland:
Die Hörsysteme, die wir jetzt anbieten, egal in welcher Leistungsklasse, sind die mit Abstand besten, die es je gab. Auch durch die mittlerweile hochwertige Grundversorgung der gesetzlichen Krankenkasse ist gutes Hören nicht mehr einigen wenigen vorbehalten, sondern für jedermann erlebbar. Man muss sich manchmal nur fragen, warum es immer noch viele Menschen gibt, die auf diese Möglichkeiten verzichten und noch keine Hörgeräte tragen. Aktuell gibt es noch Millionen Menschen, die aus Unwissenheit oder Eitelkeit den Gang zum HNO-Facharzt oder Akustiker scheuen.
Vollbach: Dabei sind Hörgeräte von heute kleine Hochleistungscomputer, die optisch und technisch nichts mehr mit Geräten aus den 90er-Jahren gemeinsam haben. Hörgeräte lassen sich heute wunderbar mit dem Smartphone und dem Fernseher verbinden. Für den Träger bedeutet das eine enorme Erleichterung. Das Telefongespräch wird direkt in beide Hörgeräte übertragen. Mittlerweile gibt es sogar die ersten Hörgeräte, die bestimmte und wiederkehrende Hörsituationen des Trägers intelligent analysieren und automatisch das entsprechende Hörprogramm wählen.

Wie haben Sie persönlich die vergangenen Wochen erlebt? Was daraus mitgenommen?
Gerland:
Ich war jetzt für etwa vier Wochen im Homeoffice und habe gemerkt, dass unsere Firma fit für die digitale Zukunft und Online-Anpassungen ist. Unser Team hat aus dem Homeoffice gut gearbeitet, unsere Azubis werden mit Videokonferenzen von uns beschult. Die Basis für die nächsten 50 Jahre ist gelegt. Und das Allerbeste: Ich habe nicht das Gefühl, die Familie zu Hause unter der Woche zu stören und darf ruhig so wie in den letzten Wochen weiterarbeiten.
Vollbach: Wir haben die Zeit auch dafür genutzt, liegengebliebene Dinge aufzuarbeiten, Abläufe neu zu strukturieren und uns positiv auf die Zeit danach vorzubereiten. Privat hat sich zwangsläufig die Möglichkeit ergeben, einmal mehr durchzuatmen, länger am Fenster sitzen zu bleiben und Gedanken freien Lauf zu lassen und auch mal länger mit alten Freunden zu telefonieren. Häufig bleibt dazu im hektischen Alltag zu wenig Zeit.

Gibt es etwas, was Ihnen jetzt Mut macht für die Zukunft?
Vollbach:
Gesellschaftlich glaube ich, haben wir alle gelernt, uns auf grundlegende Dinge zu konzentrieren. Ich freue mich, wenn wir mit einem neuen Wir-Gefühl aus diesen Herausforderungen hervorgehen. Dieses Bewusstsein wünsche ich mir in Zukunft noch stärker. Ich persönlich habe Grundvertrauen auf unsere Wissenschaft als System, die Stärke unserer Wirtschaft und die Solidarität der Gesellschaft, vorausgesetzt, die Politik strebt weiterhin Klarheit für die Bürger an.
Gerland: Unser gutes Team, die Freude wieder arbeiten zu dürfen und das Feedback der Kunden geben mir das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Vielleicht wird diese Krise auch dazu beitragen, alles etwas ruhiger, partnerschaftlicher und lokaler anzugehen. Ich habe mir auf jeden Fall vorgenommen, meine Firma umweltschonender, also nachhaltiger zu führen und mir mehr Zeit für Familie, Mitarbeiter, aber auch Gespräche mit den Kunden zu nehmen. Nachdem ich noch vor vier Wochen meine wirtschaftliche Existenz stark bedroht sah, denke ich ab heute wieder nur noch nach vorne.

INFORMATION


Mut zur Zukunft: Erfolgsgeschichten aus der Region

Mit langsamen und vorsichtigen Schritten nimmt das öffentliche Leben wieder Fahrt auf. Damit das so weitergeht, ist es weiterhin geboten, auf sich und andere aufzupassen – durch Distanzhalten, Händewaschen und das Tragen von Masken. Genauso wichtig sind aber Einfallsreichtum, Optimismus, Solidarität und Treue. Wie Ideen in die Tat umgesetzt werden und wie man mit positiven Gedanken an neue Projekte herangeht, zeigen wir in unseren Erfolgsgeschichten aus der Region. Beschrieben werden Menschen, Unternehmen und Institutionen, die trotz Krisenzeiten den Mut nicht verloren haben und die mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln um eine gute Zukunft kämpfen.

Hier geht es zu den weiteren Artikeln.