Die Bewohner von Cagliari staunten nicht schlecht, als sie ins Hafenbecken schauten. Zum ersten Mal seit Jahren schwamm dort wieder ein Delfin. Wo sich sonst Fischerboote und Kreuzfahrtschiffe tummeln, traut sich jetzt ein seltener Meeressäuger ins Wasser. Kein Wunder, dass Aufnahmen des Delfins im Netz tausendfach geklickt werden. Nicht nur in Cagliari, sondern auch andernorts in Italien machen Fische gerade Schlagzeilen. Ganze Populationen sind wieder in Venedigs Kanäle gezogen, jetzt, wo aus sonst der übelriechenden Brühe wieder glasklares Wasser geworden ist.
Der Grund dafür ist die Corona-Krise. Italien ist besonders schwer von der Pandemie getroffen, seit Wochen regiert dort der Ausnahmezustand. Nicht nur der Schiffsverkehr ist im Land eingestellt, sondern die gesamte Wirtschaft steht still. Auch das öffentliche Leben liegt brach: Nur noch zum Einkaufen oder – wenn überhaupt – zur Arbeit dürfen die Italiener ihr Zuhause verlassen.
Durch den Corona-Stillstand könnten bis zu 100 Millionen Tonnen CO2 eingesparten werden
Was in Italien Fische sind, sind in China und den USA Satellitenbilder. Aufnahmen aus dem All zeigen, wie die Luftverschmutzung durch den dortigen Lockdown rapide abgenommen hat. Wo kürzlich noch Smog die Luft vernebelte, können die Bewohner von Shanghai oder New York wieder tief durchatmen – vorausgesetzt, sie dürfen das Haus verlassen. So zynisch es klingen mag: Die Natur scheint sich zu erholen, während die Menschheit unter Corona leidet.
Auch hierzulande bleiben die Menschen zu Hause und Autos in den Garagen. Die Denkfabrik Agora Energiewende geht davon aus, dass allein durch den Corona-Stillstand 30 bis 100 Millionen Tonnen CO2 gespart werden. Trotz gegenteiliger Prognosen zum Jahresbeginn könnte Deutschland damit das Klimaschutzziel 2020 erreichen.
Gefahr eines "Rebound-Effekts"
Auch die Tierwelt profitiert vom Lockdown. Über weniger Verkehr und mehr Ruhe freuen sich Vögel, Wildschweine und Füchse. Dass Vögel wie der Buntspecht den Weg in die Städte finden, hat aber grundsätzlich nichts mit der Corona-Pandemie zu tun, sagt Birgit Königs, Pressesprecherin des NABU Nordrhein-Westfalen. Dieser Trend sei schon lange vor der Krise zu beobachten gewesen. „Städte sind durch die hier herrschende Jagdruhe und die intensive Nutzung des Umlandes mittlerweile zu attraktiven Lebensräumen für zahlreiche Tiere geworden", so Königs.
All diese positiven Nachrichten haben jedoch einen Haken: Über ihnen schwebt die Gefahr eines „Rebound-Effekts". Dieser entsteht, wenn positive Folgen für Klima und Umwelt durch das Wiederaufleben der Wirtschaft zunichtegemacht werden. Passiert ist das schon einmal nach der Finanzkrise. 2009 brach die Wirtschaft um 5,6 Prozent ein und der Ausstoß von Treibhausgasen lag historisch niedrig – aber als die Konjunktur wieder auf Fahrt kam, verpuffte der Effekt.
Mobilitätswende: "Wichtig, um Umwelt und Gesundheit gleichermaßen zu schützen"
Wichtig ist es deshalb, dass aus der Verschnaufpause ein Umlenken und Umdenken wird. Die richtigen Reformen würden die kurzzeitig positiven Entwicklungen auf Dauer absichern. Birgit Königs vom NABU meint daher: „Ministerpräsident Armin Laschet darf beim Hochfahren der Wirtschaft nach der Corona-Krise den Klimaschutz nicht außer Acht lassen." Denn generell bestünde die Gefahr, dass das Thema durch Corona ins Hintertreffen geriete.
Als Maßnahme nennt Königs eine Mobilitätswende. Diese sei nötig, um Umwelt und Gesundheit gleichermaßen zu schützen. „Der Ausbau des ÖPNV, verstärktes Arbeiten im Homeoffice oder eine Geschwindigkeitsbegrenzung könnten zukünftig die Auswirkungen des Verkehrs reduzieren", sagt Königs. Auch dürfe klimaschädliches Verhalten nicht weiter subventioniert werden. Stattdessen sollten Nachhaltigkeitskriterien als Basis für Entscheidungen auf kommunaler bis zur Bundesebene gelten.
Energiewende könnte auch ein Jobmotor sein
In diese Richtung geht auch eine Studie der Naturschutzorganisation BUND, die sich mit dem Wirtschaftsleben nach Corona befasst. Die Krise sei eine Chance für Klima und Umwelt – vorausgesetzt, die Politik hält an den Klimaschutzzielen fest. An dem Erhalt von Naturschutzgebieten und Biotopen gäbe es ebenfalls nicht zu rütteln. Denn laut BUND sei Erholung in der Natur gut für die Gesundheit, aber auch ein Wirtschaftsfaktor, zum Beispiel für Tourismus und Gastronomie.
Im zweiten Schritt müsse dem BUND zufolge an den entscheidenden Stellschrauben gedreht werden. Neben einer Verkehrswende und vermehrter Arbeit im Homeoffice müsse die Energieversorgung auf erneuerbare Quellen umgestellt werden.
Gelinge das dezentral, wäre die Energiewende darüber hinaus ein Jobmotor. Weitere Maßnahmen beträfen energie- und klimaschonende Gebäudesanierungen, Hilfen für die Landwirtschaft nach ökologischen Kriterien und Kreislaufsysteme zur Ressourceneinsparung.
Inwiefern sich die Auswirkungen von Corona auf die Natur verstetigen, wird sich zeigen. Der Staat gibt derzeit beherzt Geld aus, um die Schäden des Shutdowns zu beseitigen. Bleibt zu hoffen, dass die Wirtschaftshilfen die positiven Corona-Effekte nicht einkassieren. Und, wer weiß, vielleicht bleibt der Delfin im Hafen von Cagliari dann keine Seltenheit.
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Mut zur Zukunft: Erfolgsgeschichten aus der Region
Mit langsamen und vorsichtigen Schritten nimmt das öffentliche Leben wieder Fahrt auf. Damit das so weitergeht, ist es weiterhin geboten, auf sich und andere aufzupassen – durch Distanzhalten, Händewaschen und das Tragen von Masken. Genauso wichtig sind aber Einfallsreichtum, Optimismus, Solidarität und Treue. Wie Ideen in die Tat umgesetzt werden und wie man mit positiven Gedanken an neue Projekte herangeht, zeigen wir in unseren Erfolgsgeschichten aus der Region. Beschrieben werden Menschen, Unternehmen und Institutionen, die trotz Krisenzeiten den Mut nicht verloren haben und die mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln um eine gute Zukunft kämpfen.
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