Detmold

Auschwitz-Prozess: LKA hörte Telefon des Angeklagten ab

Verurteilter SS-Mann Oskar Gröning sagt nicht in Detmold aus

In Detmold: Der Angeklagte Reinhold Hanning wird mit einem Rollstuhl in den Verhandlungssaal gefahren. | © dpa

Dirk-Ulrich Brüggemann
22.04.2016 | 28.04.2016, 14:33

Detmold.Der „Buchhalter von Auschwitz", Oskar Gröning aus Lüneburg, wird nicht im Detmolder Auschwitz-Prozess aussagen. Dies erklärte die Vorsitzende Richterin Anke Grudda zu Beginn des zehnten Prozesstages gegen den ehemaligen SS-Wachmann Reinhold Hanning aus Lage. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 94-jährigen Angeklagten Beihilfe zum Mord an mindestens 170.000 Menschen im Konzentrationslager Auschwitz vor.

Markus Bessler aus Stuttgart, einer der Rechtsanwälte der Nebenkläger, hatte am letzten Verhandlungstag den Antrag gestellt, den ebenfalls 94-jährigen Oskar Gröning, den das Landgericht Lüneburg wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen im Konzentrationslager Auschwitz zu vier Jahren Haft verurteilt hatte, als Zeugen in Detmold zu vernehmen.

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Detmold: Der Auschwitz-Prozess

Weil das Urteil gegen Gröning aber noch nicht rechtskräftig ist, würde der ehemalige SS-Unterscharführer vor der Schwurgerichtskammer des Detmolder Landgerichts von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen, ließ dieser über seine Anwälte dem Gericht mitteilen. Daher lehnte die Kammer den Antrag auf Ladung von Gröning ab. „Durch die Aussageverweigerung ist das Ziel des Beweisantrages unerreichbar", sagte Grudda.

Onur U. Özata, ein weiterer Anwalt der Nebenkläger, beantragte, einen ebenfalls in Lage wohnenden Freund von Hanning als Zeugen zu vernehmen. Auf diesen Mann waren die Ermittler des Landeskriminalamtes im Juni 2014
gestoßen, als sie über einen Zeitraum von drei Monaten den
Telefonanschluss Hannings abhörten. Dabei verfolgten sie auch ein Telefonat mit dem Mann, der ebenfalls während des Zweiten Weltkriegs Soldat gewesen ist. Die beiden sprachen über Hannings Erlebnisse während seines Einsatzes an der Front in Russland. 

Für Rechtsanwalt Özata deutet dieses Telefonat auf ein besonderes Vertrauensverhältnis hin und er hält es für wahrscheinlich, dass sich der Angeklagte mit dem Mann auch über andere Erlebnisse während seiner Dienstzeit in Auschwitz ausgetauscht hat. Richterin Grudda schlug vor, diesen Antrag zurückzustellen, bis die Erklärung des Angeklagten erfolgt sei. Diese wollen seine Anwälte Johannes Salmen und Andreas Scharmer nächste Woche Freitag abgeben.

Als Gutachter setzte der Leiter der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora aus Nordhausen, Stefan Hördler, seine Erklärungen zu den Aufgaben der SS-Wachmannschaften in Auschwitz fort. Der Historiker machte deutlich, dass jeder SS-Mann, der keinen Dienst in den Konzentrationslagern mehr tun wollte, sich für einen Fronteinsatz melden konnte, ohne dass ihm Nachteile entstanden wären. „Reinhold Hanning war laut seiner Akte kriegsverwendungsfähig", sagte der Historiker. Er schilderte dem Gericht aber auch „die zunehmende Entgrenzung der Gewalt" im Konzentrationslager Auschwitz.

„Morden war in Ordnung, aber nur auf Befehl und in Absprache", sagte Hördler und berichtete von Erschießungen auf der Flucht, die in Wirklichkeit Exekutionen waren.Die von Hannings Verteidiger Andreas Scharmer angekündigte Strafanzeige gegen Unbekannt ist zwischenzeitlich auch bei der Staatsanwaltschaft Detmold eingegangen, bestätigte Oberstaatsanwalt Ralf Vetter. Er muss nun ermitteln, wie Informationen aus den Prozessakten in die Presse gelangen konnten.