Dortmund/Detmold

Justiz macht Jagd auf NS-Täter

Razzia wegen Mordvorwürfen gegen drei frühere SS-Mitglieder. Detmolder Fall bald vor Gericht

Ermittler und Ankläger: Staatsanwalt Andreas Brendel. | © picture alliance / dpa

31.01.2016 | 31.01.2016, 11:10

Dortmund/Detmold (dpa/nw). Die Ermittlungen dauerten Jahre, jetzt schlugen die Fahnder zu: Ehemalige Mitglieder einer SS-Einheit sollen an Gräueltaten im französischen Ascq ein Jahr vor Kriegsende beteiligt gewesen sein. Insgesamt bearbeitet die Schwerpunktsstaatsanwaltschaft NRW nun zehn Komplexe zu Verbrechen der SS in Frankreich, Italien und osteuropäischen Ländern.

Dazu zählt auch der Fall des früheren Wachmanns Reinhold H. (94), gegen den am 11. Februar am Detmolder Landgericht der Prozess beginnt – wegen Beihilfe zum Mord in 170.000 Fällen.

Die neuen Razzien richten sich gegen drei frühere Angehörige der SS-Panzer-Division „Hitlerjugend". Bei einer Razzia wurden in Sachsen und Niedersachsen Wohnungen durchsucht und die Beschuldigten vernommen. Sie streiten eine Beteiligung an Gräueltaten ab, hieß es von der Staatsanwaltschaft.

Auch in NRW Wohnungen durchsucht

Auch in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen wurden Wohnungen von zwei Männern mit „Nähe zur Waffen-SS" nach Beweisen durchsucht. Die beiden werden aber nicht als Beschuldigte geführt. Beteiligt waren die zuständigen Landeskriminalämter. Die betagten Männer im Alter von etwa 90 Jahren – zwei der Beschuldigten wohnen im Raum Dresden, einer im Raum Hannover – räumten lediglich ein, der Einheit angehört zu haben.

Die früheren SS-Männer sollen an dem Massaker an 86 Einwohnern aus Ascq beteiligt gewesen sein. Es soll ein Racheakt gewesen sein. Zuvor hatten Widerständler am 1. April 1944 an der Bahnlinie in der Nähe des Ortes ein Anschlag auf den Truppentransporter mit der SS-Einheit an Bord verübt.
Nach dem Anschlag sollen Führer der Einheit, die von Deutschland aus unterwegs in die Normandie war, das Massaker an den Einwohnern angeordnet haben. Feldjäger sollen noch die Erschießung weiterer Bewohner verhindert haben. Die Rädelsführer kamen nach dem Krieg vor Gericht und wurden verurteilt. In Ascq erinnert eine Gedenkstätte an die Gräueltaten.

Ermittlungsleiter Andreas Brendel, der auch die Anklage im Detmolder Fall vertritt, sagte, das Massaker in Ascq, einer Stadt bei Lille, sei nicht der einzige Tatvorwurf. Es gehe auch um weitere Tötungen, unter anderem an einem US-amerikanischen Fallschirmspringer auf deutschem Boden. Die Staatsanwaltschaft ermittele in mehreren Fällen zwischen April 1944 bis Kriegsende im Mai 1945. „Ascq ist aber der gravierendste Fall", sagte Brendel.