Detmold. Das Verfahren gegen einen 93 Jahre alten Rentner aus Lippe, der in der Zeit von Januar 1943 bis Juni 1944 an zahlreichen Verbrechen im NS-Vernichtungslager Auschwitz beteiligt gewesen sein soll und deshalb wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 170.000 Fällen angeklagt wurde, ist noch mit einigen Fragezeichen versehen.
Nach Angaben des Landgerichts Detmold, wo die Schwurgerichtskammer für das Verfahren zuständig ist, hat der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Johannes Salmen, beantragt, die Eröffnung der Hauptverhandlung gegen den betagten Mann wegen Verhandlungsunfähigkeit abzulehnen. Er habe mehrere Einwände, sagte Salmen dieser Zeitung. Sein Mandant, der im angeklagten Tatzeitraum im Konzentrationslager Auschwitz als Wachmann eingesetzt war und der SS-Einheit "Totenkopf-Sturmbann" angehörte, sei weder geistig noch körperlich in der Lage, dieses Strafverfahren, das vermutlich länger dauern und umfangreiche Befragungen nötig machen würde, durchzustehen. Deshalb werde er entsprechende Beweisanträge zur Erstellung von ärztlichen Gutachten formulieren, über die das Gericht zu entscheiden habe. "Meine Aufgabe ist es, für ein faires Verfahren zu sorgen", betonte Salmen.
Neben der Frage der Verhandlungsfähigkeit seines Mandanten führt der Verteidiger auch noch andere Gesichtspunkte an. Der Angeklagte habe die Beteiligung an Tötungshandlungen in Ausschwitz bestritten. Um zu einer Verurteilung zu gelangen, müsste ihm aber eine konkrete Tathandlung nachgewiesen werden. So sehe das jedenfalls ein Teil der Rechtsprechung. Der andere Teil der Rechtsprechung gehe davon aus, dass jeder SS-Mann der in Ausschwitz war, von den dortigen Gräueltaten wusste und sich daher mindestens der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht habe.