Kindesmissbrauch

Polizei ermittelt gegen zwei weitere Beschuldigte im Fall Lügde

Behörden ermitteln auch gegen einen Jugendlichen mit geistiger Einschränkung und eine Mutter. Verteidiger und Landgericht Detmold rechnen im Laufe der Woche mit der Anklageschrift gegen Inhaftierte

Ein Ort des Grauens: Ein rosafarbenes Kinderauto liegt unter dem Trümmern vor der inzwischen abgerissenen Parzelle des mutmaßlichen Täters auf dem Campingplatz Eichwald in Lügde. | © dpa

08.05.2019 | 08.05.2019, 11:48

Düsseldorf/Lügde. Im Fall des Kindesmissbrauchs von Lügde gibt es zwei weitere Beschuldigte, von denen die Öffentlichkeit bislang nichts wusste. Damit gibt es in dem Fall jetzt insgesamt neun Beschuldigte.

Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln seit Mitte April auch gegen einen 21-jährigen Mann mit geistigen Einschränkungen. Das geht aus einem vertraulichen Bericht der Staatsanwaltschaft an den Rechtsausschuss des Landtags hervor. Der junge Mann war zum Tatzeitpunkt noch Heranwachsender und lebt in einer Behinderteneinrichtung. Bei einer Durchsuchung seines Zimmers wurde ein Mobiltelefon beschlagnahmt, dessen Auswertung andauert. Es besteht der Verdacht, dass er selbst Opfer geworden ist.

Fünf Millionen Fotos und 218.000 Videos

Außerdem ermitteln die Behörden seit Mitte April gegen die Mutter eines Geschwisterpaares, das zu den Opfern gehört. Der Vorwurf: Beihilfe zum sexuellen Missbrauch eines der beiden Geschwister.

In dem Bericht heißt es weiter, die Auswertung der beschlagnahmten Dateien sei inzwischen zu 80 Prozent abgeschlossen. Es seien fünf Millionen Foto- und 218.000 Videodateien ausgewertet worden. Zwei Drittel seien gelöscht gewesen und hätten wiederhergestellt werden müssen. 31.000 Bilder und 11.000 Videos Kinder- und Jugendpornografie, davon allein 26.500 Bilder und 10.300 Videos, die dem inhaftierten Beschuldigten Heiko V. gehört haben sollen. Selbst erstellte Dateien seien nur bei den ebenfalls Inhaftierten Andreas V. und Mario S. gefunden worden.

Die drei Beschuldigten in dem dramatischen Fall, die bereits seit Monaten in U-Haft sitzen, sollen vor dem Prozess begutachtet werden. Die Sachverständigen prüfen dabei vor allem die Frage der Schuldfähigkeit. Zudem soll die Anklageschrift Ende der Woche fertiggestellt und den Prozessbeteiligten zugestellt werden.

Mario S. hat gegenüber den Ermittlern noch keine Angaben gemacht

Jürgen Bogner verteidigt den Beschuldigten Mario S., einen 34-jährigen, ledigen Arbeitslosen aus Steinheim. S. muss sich wegen schweren sexuellen Missbrauchs verantworten.

„Er ist sich der Vorwürfe bewusst und wir haben ausführlich darüber geredet. Gegenüber den Ermittlungsbehörden hat Mario S. noch keine Angaben gemacht", sagt Bogner. Der Pflichtverteidiger setzt auf ein Aussageverhalten im Sinne der Opfer. Im Klartext: Bogner will den Opfern eine Aussage vor Gericht ersparen. „Ich bin optimistisch, dass mein Mandant diesen Weg einschlagen wird." Bogner habe zudem Kontakt zu den Familienangehörigen des Steinheimers, die auch ein solches Aussageverhalten begrüßten.

Anwalt von Andreas V. lehnt Begutachtung ab

Der Verteidiger des 56-jährigen Beschuldigten Andreas V., Johannes Salmen, lehnt zur Zeit eine Begutachtung seines Mandanten ab. „In so einem Gespräch wird auch über konkrete Taten gesprochen: Da wir derzeit nicht wissen, was meinem Mandaten definitiv vorgeworfen wird, gibt es aus meiner Sicht auch keinen Bedarf für ein solches Gespräch." Dies könne sich ändern, wenn die Anklagepunkte konkret benannt würden.

Rechtsanwalt Jann Henrik Popkes aus Schlangen verteidigt den 48-jährigen Beschuldigten Heiko V. aus Stade, der an zwei Sex-Videochats teilgenommen haben soll. V. ist geständig. Nach erfolgloser Haftprüfung und -beschwerde an Detmolder Gerichten liegt die Sache nun zur Entscheidung beim Oberlandesgericht Hamm. Der Vorwurf gegen V. lautet Anstiftung zu schwerem sexuellen Missbrauch an Minderjährigen.

Ermittlungen gegen vier weitere Beschuldigte

Der Detmolder Oberstaatsanwalt Ralf Vetter bestätigte, dass eine Begutachtung der Beschuldigten erfolge. Zudem erklärte Vetter, dass gegen vier weitere Beschuldigte wegen des Verdachts auf Strafvereitlung oder Beihilfe ermittelt werde.

Die Präsenz der Polizei am Tatort, dem Campingplatz „Eichwald" in Lügde, ist nach Angaben der Polizei Bielefeld mittlerweile Geschichte. Da sich zusätzliche Ermittler auf dem Platz aufhalten, um erneute Befragungen der Camper durchzuführen, seien die an der Schranke des Eingangs postierten Beamten bereits abgezogen worden, heißt es weiter.