Missbrauchsskandal Lügde

NRW-Innenminister Reul: „Ich sorge für Aufklärung“

Drei Monate nach dem Missbrauchsfall Lügde trifft der CDU-Politiker lippische Polizeibeamte, die er zuvor heftig kritisiert hat, und bekennt sich zu seiner "politischen Gesamtverantwortung"

Gute Laune: Innenminister Herbert Reul trat den rund 200 lippischen Polizisten während der Personalversammlung in Detmold mit einem Lächeln entgegen. Foto: Bernhard Preuss | © Bernhard Preuss

28.03.2019 | 29.03.2019, 10:19

Herr Reul, Sie waren zwei Stunden bei der Personalversammlung der lippischen Polizei – wie war’s?
Herbert Reul:
Wir haben sogar über zweieinhalb Stunden miteinander diskutiert. Eigentlich drängte bei mir schon der nächste Termin. Aber es war mir wichtig, dass alle Fragen, die bei den Beschäftigten bestehen, auch gestellt werden können. Nach meiner Wahrnehmung war das eine sehr offene und ehrliche Aussprache. Sie hat sehr zum gegenseitigen Verständnis beigetragen – auf allen Seiten.

Warum sind Sie jetzt erst in Lippe?
Reul:
Am Anfang bin ich ganz bewusst nicht hergekommen. Sonst wären ganz schnell Stimmen laut geworden, der Minister behindere die Aufklärung. Diesen Eindruck wollte ich vermeiden. Dann kam die Einladung des Personalrats zu der Personalversammlung vor zwei Wochen. Da habe ich mich sehr drüber gefreut und sofort gesagt: Da muss ich hin! Aber leider tagte am selben Tag der Landtags-Innenausschuss. Das hat natürlich Vorrang. Aber heute hat es gepasst.

Sind alle Fragen geklärt – oder gibt es noch Gesprächsbedarf?
Reul: Ich hatte schon den Eindruck, dass da alle wesentlichen Dinge zur Sprache gekommen sind. Aber ich komme trotzdem gerne wieder ins schöne Lipperland.

Wenn der Innenminister davon redet, dass seine Oma das besser gekonnt hätte, kommt das bei den Kollegen nicht so gut an, kritisieren viele Polizeibeamte in Lippe. Haben Sie Verständnis dafür?
Reul:
Ja, das kann ich sogar gut verstehen. Aber der Satz war gar nicht auf die Polizei gemünzt. Ich habe ihn gesagt, als ich erstmals die Bilder von dem Wohnwagen auf dem Campingplatz in Lügde gesehen habe. Ich habe damals einfach nicht verstanden, wie man da ein Pflegekind reingeben kann. Das verstehe ich übrigens bis heute nicht.

Die Aufklärung der Missbrauchsfälle haben Sie zu Ihrem Projekt erklärt – wo steht das Projekt derzeit?
Reul:
Wir sind schon einen wichtigen Schritt vorangekommen. Der Sonderermittler hat gute Arbeit geleistet. Die Ermittler in Bielefeld arbeiten ebenfalls sehr professionell. Und im April nimmt in meinem Ministerbüro die neue Stabsstelle „Kindesmissbrauch/Kinderpornografie" ihre Arbeit auf. Also: Wir sind auf einem guten Weg. Aber noch lange nicht am Ziel.

Wie bewerten Sie Ihre Verantwortung?
Reul:
Als Minister trage ich natürlich die politische Gesamtverantwortung. Zu dieser stehe ich auch. Deshalb sorge ich für rückhaltlose Aufklärung. Aber die individuellen Fehler liegen natürlich in der Verantwortung derer, die sie begangen haben.

Polizeigewerkschafter haben Ihnen vorgeworfen, dass Sie durch Ihre Kritik an den Verfehlungen einzelner Beamter in Lippe die gesamte Polizei in Misskredit bringen...
Reul:
Ich habe in der Personalversammlung klargestellt, dass ich da verkürzt zitiert worden bin. Es stimmt: Ich habe gesagt, dass in Lippe schwere Fehler gemacht wurden. Aber der zweite Satz war immer, dass es sich dabei um das Fehlverhalten einiger weniger handelt. Und: Dass der weit überwiegende Teil der Polizei einen tollen Job macht. In Lippe und im ganzen Land. Das sind 50.000 Beschäftigte, die Tag und Nacht für unsere Sicherheit sorgen. Da können wir als Landesregierung und als Gesellschaft nur Danke sagen.

Welche Lehren ziehen Sie?
Reul: Die wichtigste Lehre aus Lügde ist für mich, dass wir da jahrzehntelang ein Thema sträflich vernachlässigt haben. In der Polizei, in der Politik, aber auch in der gesamten Gesellschaft. Ich hoffe, dass die schrecklichen Straftaten Kindesmissbrauch und Kinderpornografie jetzt endlich die öffentliche Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen.

Sie haben eine eigene Ermittlungskommission entsandt, die in der Polizei Lippe gravierende Fehler aufgedeckt hat. Sehen Sie strukturelle Probleme?
Reul:
Das kann ich seriös erst dann beantworten, wenn mir der Abschlussbericht vorliegt.

Sollten nach Ihrer Meinung die Kreispolizeibehörden in NRW von Profi-Polizeibeamten geleitet werden und nicht von Landräten, die wenig Ahnung von Polizeiarbeit haben?
Reul:
Ich glaube, die Fehler, die in Lippe passiert sind, lagen nicht an der Behördenstruktur der Polizei in NRW. So einfach ist es nicht.

Das Gespräch führte Erol Kamisli

INFORMATION


Gewerkschaft kritisiert Reul

Immer wieder hat Innenminister Reul von „Polizeiversagen" und einem „Desaster" gesprochen und sogar eine Beteiligung von Beamten an Missbrauchsfällen nicht ausgeschlossen. Wenn der Innenminister davon rede, „dass seine Oma das besser gekonnt hätte", komme das bei den Kollegen, die sich „jeden Tag den Hintern aufreißen", nicht gut an, kritisiert die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Das Krisenmanagement von Reul könne nicht nur darin bestehen, Polizisten an den Pranger zu stellen.