Düsseldorf

Streit um Förderschulen und ihre Rolle in der Inklusion

SPD-Mann verteidigt Kurs der schwarz-gelben Landesregierung

Inklusiver Unterricht: Die Schulassistenten Moni Floetenmeyer (l.) und Philipp Schneider beschäftigen sich mit Kindern während des Unterrichts. | © picture alliance / Holger Hollemann/dpa

Lothar Schmalen
30.01.2019 | 07.02.2019, 15:45

Düsseldorf. Nordrhein-Westfalen hat in den ersten zehn Jahren nach der Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention zwar Fortschritte gemacht, kommt aber in der Inklusion von Behinderten und Nichtbehinderten nur langsam voran. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Menschenrechte in einer Studie im Auftrag des Landtags. Dabei üben die Experten auch Kritik an der Politik der Landesregierung. Insgesamt leben in NRW 1,8 Millionen Menschen mit Behinderungen.

Als einen „klaren Rückschritt" bezeichnete Valentin Aichele, der Leiter der Monitoringstelle für die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention, den Schwenk der neuen Landesregierung zurück zur Stärkung der Förderschulen für Behinderte. „Die UN-Konvention fordert den gemeinsamen Unterricht von Behinderten und Nicht-Behinderten", sagte Aichele.

"Das ist inakzeptabel"

In der schulischen Inklusion bescheinigt Aichele NRW nur wenig Fortschritte. Der Anteil der Schüler außerhalb des normalen Schulbetriebs sei in den vergangenen zehn Jahren nur geringfügig von 5,2 auf 4,6 Prozent zurückgegangen. „Die Förderung von Schülern mit Förderbedarf findet nahezu unvermindert in Sondereinrichtungen statt – das ist inakzeptabel", sagt Aichele.

Der Experte lässt dabei offenbar auch nicht gelten, dass der Anteil der Schüler mit Förderbedarf an allgemeinbildenden Schulen in den vergangenen zehn Jahren immerhin von 12,4 auf rund 39,7 Prozent gestiegen ist. Letztlich fordern Aichele und die Monitoringstelle eine Abschaffung der Förderschulen.

"Wir müssen Inklusion von den Schülern aus denken"

Dem widerspricht ausgerechnet ein prominenter Sozialdemokrat. Matthias Löb, Direktor des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, sagt: „Förderschulen und Inklusion – das muss kein Gegensatz sein." Für viele Kinder und Jugendliche sei das Gemeinsame Lernen der richtige Weg. „Aber eben nicht für alle", sagte Löb. „Wir müssen Inklusion von den Schülerinnen und Schülern aus denken."

Er begrüße es darum, dass die Landesregierung sich klar dazu bekannt habe, die Wahlmöglichkeiten der Eltern zwischen der allgemeinen Schule und einer Förderschule zu wahren.

Die Monitoringstelle kritisiert in ihre Studie auch die Änderung des Baurechts durch die neue Landesregierung. Die eingeführte Quote, wonach beim Bau von acht Wohnungen eine barrierefrei sein müsse, ist wieder abgeschafft worden – „ein Rückschritt, für den es keine plausible Begründung gibt", so Aichele.

Kritik üben die Experten des vom Deutschen Bundestag bezahlten Berliner Instituts für Menschenrechte auch an der Förderung von Behinderten-Werkstätten in NRW. Das stehe im Widerspruch zu den Verpflichtungen der UN-Behindertenrechtskonvention.

Jährlich stelle die Landesregierung fünf Millionen Euro für den Aufbau und die Modernisierung von Arbeitsplätzen in Behindertenwerkstätten zur Verfügung. Deshalb sei die Anzahl der Beschäftigten in den Werkstätten in den vergangenen zehn Jahren von 68.000 auf 80.262 gestiegen.

Die UN-Konvention fordere aber, dass möglichst viele Menschen mit Behinderung aus den Werkstätten in normale Betriebe wechseln sollten, die Behinderten-Werkstätten also zurückgebaut werden müssten.