Düsseldorf/Bielefeld

Schulen schlagen Alarm: Zu wenig Lehrer für die Inklusion

Inklusion: Statt der angekündigten Verbesserungen gibt es eher Verschlechterungen für die „Schulen des gemeinsamen Lernens“, sagen Schulleiter. Das Ministerium verteidigt sich.

Schulen in NRW beklagen, dass Lehrer fehlen, um die Inklusion umzusetzen. | © picture alliance

Lothar Schmalen
15.12.2018 | 15.12.2018, 08:08

Düsseldorf/Bielefeld. An den Schulen in NRW wächst die Befürchtung, dass die versprochene Verbesserungen der Bedingungen für gemeinsamen Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderungen (Inklusion) ausbleiben. Viele Schulleiter glauben im Gegenteil, dass die Inklusion noch schwieriger wird – vor allem weil die Schüler mit „Bedarf an sonderpädagogische Unterstützung", wie es in der Fachsprache heißt, auf weniger Schulen als bisher konzentriert werde und deshalb die Zahl dort steigt – vorläufig aber ohne zusätzliche Ressourcen.

Die Kritik der Schulleiter richtet sich vor allem dagegen, dass die neue Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) bislang Verbesserungen nur angekündigt habe. So sei beispielsweise noch im Juli von der neuen Inklusionsklausel „25:3:1,5" die Rede gewesen. Die Klausel besagt, dass die Stärke der Inklusionsklassen auf 25 Schüler reduziert werden soll, und dass in diesen kleineren Klassen drei Kinder (statt bislang zwei) mit sonderpädagogischem Bedarf aufgenommen werden sollen. Auf jede Inklusionsklasse solle aber statt bislang einer Lehrerstelle 1,5 Stellen kommen. Bei einer sechszügigen Schule würde dies eine Verdreifachung des sonderpädagogischen Personals bedeuten.

„Sicher ist nur, dass vom kommenden Schuljahr an drei statt bislang zwei Schüler mit sonderpädagogischem Bedarf in den Eingangsklassen der Inklusionsschulen aufgenommen werden müssen", sagt Lutz van Spankeren, Sprecher der Gesamtschulen und Sekundarschulen in OWL. Im neuen Inklusionserlass sei weder die Reduzierung der Klassenstärke von 27 auf 25 Schüler noch die Aufstockung des Personals in rechtlich verbindliche Form gegossen, so der Leiter der Martin-Niemöller-Gesamtschule in Bielefeld.

Fachkräftemangel: Stellen können nicht besetzt werden

Allein an dieser Gesamtschule würde die angekündigte Aufstockung des Personals drei neue Lehrerstellen bedeuten, sagt van Spankeren. Allerdings sei die angekündigte Aufstockung schon allein deshalb unrealistisch, weil die zusätzlichen Stellen mangels vorhandener Fachkräfte gar nicht besetzt werden könnten.

Auch der Sprecher der Schulleitervereinigung NRW der Gesamtschulen und Sekundarschulen, Mario Vallana (Siegen), bezeichnete die Inklusionspolitik der neuen Regierung als „Augenwischerei". Einerseits würde die Zahl der Schüler mit Sonderbedarf an den Inklusionsschulen angehoben, andererseits werde es das versprochene zusätzliche Personal erst in mehreren Jahren geben, weil zurzeit zu wenig Sonderpädagogen verfügbar seien.

Außerdem würden jetzt noch mehr der vorhandenen Fachkräfte von den wiedererstarkten Förderschulen aufgesogen. Vallana kritisierte auch, dass die Gymnasien sich nun aus der Inklusion verabschieden könnten. Dadurch würden immer mehr Lasten auf die Gesamt-, Sekundar- und Realschulen verschoben.

Versprechen: Zusätzliche Lehrerstellen in kleineren Klassen

Die Kritik an der schulischen Inklusionspolitik der damaligen NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) hatte im Landtagswahlkampf 2017 eine große Rolle gespielt und zur Abwahl der alten rot-grünen Landesregierung beigetragen. CDU und FDP hatten im Wahlkampf immer wieder versprochen, die Rahmenbedingungen für die schulische Inklusion, die auf sogenannte Schwerpunktschulen konzentriert werden sollte, deutlich verbessern zu wollen.

Jetzt aber steht auch die neue FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer in der Kritik. Das Ministerium verteidigt sich. Die Formel „25:3:1,5" (also Reduzierung der Klassenstärke, zusätzliche Lehrerstellen) solle erst in einem Ressourcen-Erlass „konkretisiert" werden, sagt Ministeriumssprecher Jörg Harm. Dieser Erlass aber liegt noch nicht vor.