Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen hat der Friedensbewegung angesichts der beginnenden Ostermärsche fehlende Glaubwürdigkeit attestiert. „Unter den Teilnehmern der Ostermärsche gab und gibt es unterschiedliche Motivationen und Einstellungen; dominierend war aber immer linker Anti-Amerikanismus“, sagte er dieser Redaktion. „Nach diesem Weltbild führen jetzt die Falschen Krieg, nicht die Amerikaner, sondern (der russische Präsident Wladimir) Putin. Damit ist die sogenannte Friedensbewegung nie fertig geworden. Dieser Glaubwürdigkeitsverlust ist es und nicht das Wetter, warum nicht viele Menschen teilnehmen werden.“
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europaparlament, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sagte: „Es ist das gute Recht, auf die Straße zu gehen und für den Frieden zu demonstrieren. Wie wunderbar, dass dies bei uns möglich ist.“
Sie fügte jedoch hinzu: „Ich hoffe, es ist jedem der Teilnehmer klar, wer der Mörder und Verbrecher ist, wer diese Welt anzündet und wer das Völkerrecht bricht. Der Protest sollte sich deshalb deutlich gegen Putin richten – und inzwischen auch gegen das Weiße Haus, welches Putin nicht nur nicht verurteilt für seine grausamen Angriffe gegen Zivilisten, sondern ihm auch noch den blutroten Teppich ausrollt.“
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Ramelow: „Ostermärsche sind nicht anti-amerikanisch oder pro-russisch“
Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow sagte: „Wir brauchen einen Aufbruch für Frieden und eine europäische Friedensordnung. Wer glaubt, dass Krieg die Lösung für globale Probleme wie den Klimawandel ist, der führt uns in eine Katastrophe.“ Der Linken-Politiker stellte aber klar: „Ostermärsche treten für Frieden und Abrüstung ein und ergreifen nicht Partei für eine Seite. Sie sind nicht anti-amerikanisch oder pro-russisch. Zu den Imperialisten zähle ich Herrn Putin vielmehr genauso wie Herrn Trump. Und wer sein Heil in Russland sucht, der kann gerne die russische Staatsbürgerschaft annehmen.“
Die diesjährigen Ostermärsche sollen laut „Netzwerk Friedenskooperative“ in mehr als 120 Städten starten. In OWL fand der Ostermarsch Gütersloh bereits am Karfreitag statt, in Bielefeld treffen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Karsamstag um 14 Uhr vor dem Hauptbahnhof. In einer Pressemitteilung des „Netzwerks Friedenskooperative“ heißt es, nötig seien „keine Milliarden für eine ungezügelte Aufrüstung und ein globales Wettrüsten, sondern Abrüstung und Rüstungskontrolle“. Dabei wollen die Ostermarschierer auch mehr Einsatz für diplomatische Initiativen zur Beendigung der Kriege – insbesondere in der Ukraine und Gaza – fordern.
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Weitere Themen des Anstoßes sind demnach die Debatten über einen europäischen Atomschirm im Zuge der Entfremdung zwischen den USA und Europa sowie die Ablehnung der für 2026 geplanten Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland. „Die Friedensbewegung lehnt landgestützte Mittelstreckenwaffen in Europa ganz grundsätzlich ab“, steht in der Mitteilung zu lesen. „Dazu zählen ausdrücklich auch russische Systeme mit fraglicher Reichweite und die Entwicklung, Stationierung und der Einsatz von Waffen dieses Typs.“
Der Hinweis, dass Russland die aktuelle Ost-West-Konfrontation mit seinem Angriff auf die Ukraine erst ausgelöst hat, fehlt indes. Dafür wird darauf verwiesen, dass die Ostermärsche in lokaler und regionaler Verantwortung organisiert würden und es thematisch unterschiedliche Schwerpunkte geben könne.
Auch Extremisten sind auf Ostermärschen unterwegs
Auch in diesem Jahr sind nicht bloß ehrlich Friedensbewegte unterwegs. Ebenso rufen Russlandfreunde und Verschwörungsideologen aus der „Querdenker“-Szene in mehreren Städten zur Teilnahme an Ostermärschen auf. In Heidelberg kündigt etwa die Gruppe „Heidelberger Impulse“ in ihrem Telegram-Kanal die Teilnahme am örtlichen Ostermarsch an. Die Gruppe demonstriert in Heidelberg regelmäßig „für eine Konzentration auf nationale Interessen anstelle von globalistischen und staatenlosen Finanz-Militärinteressen“ – angelehnt an antisemitische Verschwörungserzählungen vom „raffenden“ und staatenlosen jüdischen Finanzkapital, das die Geschicke der Welt lenke. Die Gruppe bewirbt auch russische Kulturabende eines Kreml-freundlichen Propagandavereins.
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In Dresden organisierte der ehemalige Linke Diether Dehm zusammen mit mehreren Akteuren aus der „Querdenker“-Bewegung am Karfreitag eine „Friedensprozession“. Zu den Organisatoren gehört laut Angaben auf der Website der Demonstration Markus Fuchs, „Querdenker“ und ehemaliger Dresdner Oberbürgermeisterkandidat. Im Januar 2025 verurteilte das Landgericht Dresden Fuchs in erster Instanz zu einer Geldstrafe, weil er auf einer Demonstration der Neonazi-Kleinpartei „Freie Sachsen“ im Oktober 2022 den russischen Angriffskrieg gebilligt haben soll. Die „Freien Sachsen“ bewerben die „Friedensprozession“ in ihrem Telegram-Kanal.
Konflikte zwischen dieser „neuen Friedensbewegung“, die sich ab 2014 vor allem bei pro-russischen und anti-ukrainischen Mahnwachen und Demonstrationen zusammenfand, und der alten bundesrepublikanischen Friedensbewegung treten seit Jahren sichtbar zutage. Mehrfach gab es Gegenproteste pazifistischer Organisationen gegen Kundgebungen Kreml-freundlicher „Friedensfreunde“.
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Vor den diesjährigen Ostermärschen stört man sich in den pro-russischen Telegram-Gruppen vor allem an einer Erklärung des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Darin spricht sich der DGB zwar gegen Militarismus und Wettrüsten aus, erkennt jedoch „die Notwendigkeit, in Deutschland und Europa verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um gemeinsam verteidigungsfähiger zu werden“.
Der Gewerkschaftsbund verweist überdies auf Russlands völkerrechtswidrigen Angriffskrieg und darauf, dass auf die USA unter Donald Trump als Schutzmacht kein Verlass mehr sei, woraus die Europäer ihre Konsequenzen zögen. Freilich müsse verhindert werden, „dass die Erhöhung der Verteidigungsausgaben zulasten sozialer Leistungen oder dringend notwendiger Zukunftsinvestitionen geht“.