Markus Söder: Der Meister der Kehrtwende macht Politik auf eigene Faust

Gäbe es ein Synonym für einen vor Selbstbewusstsein strotzenden Vorsitzenden trotz schlechtester Wahlergebnisse in der Parteigeschichte, - Söder wäre vielleicht ein passender Begriff. Markus Söder. Er markiert als CSU-Chef den Tiefststand von 37 Prozent der Partei bei Landtagswahlen und ist trotzdem oben auf. Und so muss er sich auch keine Sorgen um seine Wiederwahl zum bayerischen Ministerpräsidenten an diesem Dienstag im Landtag machen. Seine erneut geschmiedete Koalition mit den Freien Wählern hat eine deutliche Mehrheit. Von den 203 Abgeordneten gehören 85 der CSU und 37 den Freien Wählern an. Interessant wird allenfalls, ob es unter ihnen Parlamentarier gibt, die Nein zum 56-Jährigen sagen. Bei der Wahl 2018 verfügte diese Koalition über 112 Stimmen, Söder erhielt 110. Ein paar Gegenstimmen dürfte der Franke wieder locker wegstecken. Früher hätte sich ein CSU-Chef bei einem Landtagswahlergebnis von unter 40 Prozent mit Rücktrittsforderungen konfrontiert gesehen. Aber die Zeiten haben sich geändert, das Parteiengefüge hat sich geändert. Wie in anderen Länder in Europa auch, verlieren hierzulande die großen Volksparteien an Rückhalt, rechtsradikale Parteien wie die AfD haben Zulauf. 37 Prozent und ein weiter Abstand zu allen anderen Parteien steht da im bundesweiten Vergleich als ein sehr gutes Ergebnis da. Und weil kaum ein anderer außer Söder in der CSU wirklich etwas zu sagen hat, wird er weiter die Richtung und den Ton vorgeben. Jedenfalls vorerst. In der CDU trauen viele Söder nicht Sollten die Freien Wähler mit Hubert Aiwanger ihren Rückhalt in der Bevölkerung weiter ausbauen, dürfte das in der CSU maßgeblich Söder angelastet werden. Er hatte mehrfach seine liebe Not mit Aiwanger, der während der Corona-Pandemie in der Auseinandersetzung über Impfungen von einer &bdquo;Apartheidsdiskussion“ gesprochen hatte. Zuletzt war die Koalition unter Druck geraten, weil Aiwanger zu seinen Schulzeiten ein antisemitisches Flugblatt in der Schultasche hatte. Sein teilweise befremdlicher Umgang mit der Debatte schadete den Freien Wählern aber nicht. Sie gewannen bei der Landtagswahl hinzu. Spannend wird aber vor allem, wie Söder bundespolitisch von sich reden machen wird. Er zählt weiterhin zu den beliebtesten Politikern Deutschlands - und lag zuletzt auch wieder vor CDU-Chef Friedrich Merz. Aus der Schwesterpartei verlautet, Merz werde alles daran setzen, Kanzlerkandidat der Union für die Bundestagswahl 2025 zu werden. Und Söder hat mehrfach öffentlich ausgeschlossen, selbst noch einmal danach zu greifen. Doch das Problem ist: In der CDU trauen viele Söder nicht mehr über den Weg. Er ist ein Meister der Kehrtwende, er kann Positionen über Nacht räumen und nichts Verwerfliches dabei finden. Geschweige denn, dass ihn Selbstzweifel beschlichen. Erst Verfechter der Atomkraft, dann an vorderster Front des Atomausstiegs, danach wieder Verfechter der Kernenergie. Oder erst Bäume umarmen und Grüne umgarnen, anschließend diese wieder verteufeln. Skrupellose Attacken auf die Schwesterpartei Oder 2021 beteuern, nicht Kanzlerkandidat werden zu wollen, dann erbittert mit dem damaligen CDU-Chef Armin Laschet darum kämpfen, ihm schließlich &bdquo;ohne Groll und mit ganzer Kraft“ Unterstützung zusagen, jedoch fortan den glücklos agierenden Konkurrenten attackieren. Seine politische Skrupellosigkeit habe der Union am Ende den Wahlsieg gekostet, sagen Christdemokratinnen und Christdemokraten. Seit seinem Umgang mit Laschet kann man bundesweit zumindest eine Ahnung davon haben, was es bedeutet, Söder zum Gegner zu haben. Merz hat auch schon eine Kostprobe davon bekommen, wie es ist, wenn sich Söder wie vor zehn Tagen öffentlich Gedanken über das politische Berlin macht. Bundeskanzler Olaf Scholz solle FDP und Grüne rausschmeißen und eine große Koalition bilden - die Union also ohne Neuwahlen zum Juniorpartner und Merz vielleicht zum Vizekanzler machen, obwohl sie derzeit in Umfragen doppelt so stark wie Scholz´ SPD ist. Merz soll dem Vernehmen nach nicht vorgewarnt worden sein. So ist Söder. Er macht Politik eben auf eigene Faust.

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