Kann Friedrich Merz sich noch mal aufrappeln?

Die Himmel ist bedeckt, als sich die &bdquo;Omas gegen Rechts“ an einem Augusttag vor dem Konrad-Adenauer-Haus versammeln. Die etwa ein Dutzend Frauen haben Schilder in der Hand, auf denen etwa &bdquo;Bürgernahe Kommunalpolitik statt Nähe zur AfD“ steht. Eigentlich ist die Bürgerinitiative bekannt für ihr Engagement gegen Nazis, an diesem Tag stehen sie vor der CDU-Zentrale, um gegen Friedrich Merz zu demonstrieren. Dabei kann man ihn keinesfalls in Nazi-Nähe rücken. Er steht nur auch für den rechten CDU-Flügel, der für Volkspartei enorm wichtig ist. Die CDU-Bundesgeschäftsstelle nahe des Berliner Tiergartens mit großer Glasfassade wurde im Jahr 2000 eingeweiht. Damals von Parteichefin Angela Merkel. Seither haben drei Nachfolger – Annegret Kramp-Karrenbauer, Armin Laschet und Friedrich Merz – das Büro bezogen. Von Merkels Amtszeit von 18 Jahren sind sie weit entfernt. Und manch einer in der CDU glaubt nicht mal zwei Jahre nach Amtsantritt, &bdquo;das Anfang vom Ende“ einer kurzen Ära Merz zu erleben. Fehltritt folgt auf Fehltritt Merz steht vor allem in der eigenen Partei in der Kritik. In den vergangenen Wochen reiht sich Fehltritt an Fehltritt, derweil scheint Merz von parteiinternen Attacken stets überrascht zu sein. Wie konnte es soweit kommen – und kann er überhaupt noch Kanzlerkandidat werden? Für große Aufregung sorgt Merz am 23. Juli. Aus Sicht vieler in der CDU erweckt er im ZDF-Sommerinterview den Eindruck, als sei eine Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene möglich. Was dann folgt, ist ein Aufstand. Ein kurzweiliger zwar, aber er ist da, auch wenn ihn manche jetzt versuchen, klein zu reden. Prominente Christdemokratinnen und Christdemokraten distanzieren sich deutlich von Merz – darunter Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas und der Bundestagsabgeordnete Norbert Röttgen. Sogar Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner, der Merz im Kampf um den Parteivorsitz unterstützte, warnt: &bdquo;Die AfD kennt nur Dagegen und Spaltung.“ Das Merz-Umfeld ist geschockt, kann den Wirbel nicht nachvollziehen. Man wolle Merz bewusst falsch verstehen, ärgern sich seine Vertrauten. Dennoch fühlt sich das Team von Merz, in dem es über die Monate viele Wechsel gab, gezwungen, via Generalsekretär Carsten Linnemann eine Klarstellung nachzuschieben. Das Statement wird um kurz nach 0 Uhr verbreitet. Ein klareres Zeichen dafür, dass in der CDU die Hütte brennt, gibt es nicht. Noch am Abend streut Merz Team zudem, dass er sich am nächsten Tag äußern wird. Das macht er dann auch. Öffentlich sind die Kritiker wieder verstummt Jedenfalls öffentlich verstummen die Kritiker wieder. Der Schaden bleibt. Merz selber zeigt sich angefasst. In einem Interview beschwert er sich, dass seine Kritiker ihn nicht anrufen, sondern sich auf Twitter äußern. Mit dieser Reaktion gibt der Parteichef indirekt zu, dass viele keinen Draht zu ihm haben – weil die anderen es nicht wollen oder weil er es nicht will. Ein hochrangiger CDU-Funktionär, der nicht genannt werden will, glaubt an letzteres und wirft Merz eine &bdquo;Wagenburgmentalität“ vor. Wenn sich ein Parteichef einmauert, ist das meistens ein Zeichen dafür, dass er sich in der Defensive statt in der Offensive befindet. Dabei hat er so lange dafür gekämpft, Chef der CDU zu werden. Über Jahre pflegt er das Image des Konservativen, der gegen die Politik der Bundesregierung und gegen die Kanzlerin wettert. Dass Merkel ihn aus dem Fraktionsvorsitz gedrängt hat, hat er nie verschmerzt. Für Christdemokraten, die den Kurs von Merkel ablehnen, ist er der Hoffnungsträger, der die CDU wieder rechts der Mitte positionieren kann. Einst traute er sich gar zu, die AfD zu halbieren. Im dritten Anlauf – nach der Wahlniederlage 2021 – kann er die Partei endlich von sich überzeugen. In einer Basisbefragung setzt er sich mit 62,1 Prozent gegen Röttgen und Ex-Kanzleramtschef Helge Braun durch, die Parteitagsdelegierten wählen ihn später mit knapp 95 Prozent. Für Merz geht ein Traum in Erfüllung: Beim virtuellen Parteitag im Januar 2020 ist er gerührt, kann die Tränen nur schwer unterdrücken. &bdquo;Liebe Freundinnen und Freunde, ich nehme das Wahlergebnis an“, sagt er. &bdquo;Ich bin tief bewegt.“ Neue Strategie: CDU rechts der Mitte aufstellen Doch Merz könnte nun auch an den Erwartungen scheitern, die er selber für sich aufgebaut hat und, die ihn ins Amt gehoben haben. Die AfD erlebt ein Umfragehoch. Hingegen wird die CDU nicht als echtes Gegenangebot zur Ampel wahrgenommen, sonst würden die von der Regierungskoalition enttäuschten Wähler zur Union wandern. Vor einigen Wochen dann der Strategiewechsel: Es ist Ende Juni, als Merz mit dem geschassten Generalsekretär Mario Czaja und dem Neuen Carsten Linnemann vor die Presse tritt. Merz verabschiedet im Adenauerhaus Sozialpolitiker Czaja mit Dankesworten und begrüßt Wirtschaftspolitiker Linnemann mit einer Lobeshymne. Die Strategie der Ergänzung (mit Czaja) ist beendet, nun setzt Merz auf Merz pur (mit Linnemann). Der neue General ist wie Merz wertkonservativ, Wirtschaftsexperte und stammt ebenfalls aus Nordrhein-Westfalen. Merz betont: &bdquo;Das ist ein Personalwechsel, aber kein Richtungswechsel.“ Ein Signal an die Zweifler in der Partei, die sich um eine Verschiebung der CDU nach rechts fürchten, ohne dass die Mitte besetzt bleibt. Und doch sieht es nicht nur nach einem Personalwechsel aus. In der Partei schwelt ein Konflikt um die Ausrichtung Gleich in seiner ersten Woche lässt Linnemann aufhorchen, indem er Schnellurteile gegen Freibadrowdies fordert. Der Fraktionsmanager im Bundestag, Thorsten Frei, dringt auf eine Abkehr vom individuellen Asylrecht. Kurz danach nennt Merz die CDU eine &bdquo;Alternative für Deutschland mit Substanz“. Und die stellvertretende Generalsekretärin Christina Stumpp fordert in einem Namensbeitrag mit dem Bundestagsabgeordneten Christoph Ploß de facto eine längere Lebensarbeitszeit. Die CDU-Spitze hat wohl die Hoffnung, dass die Partei so an Zustimmung gewinnt. Aktuell liegen die Christdemokraten zwar auf Platz eins der Umfragen, allerdings haben sie einige Prozentpunkte eingebüßt und stehen bei 25 bis 27 Prozent. Je nachdem bei wem man sich umhört, gibt es dafür unterschiedlichen Erklärungen. Entweder sei mangelnde Geschlossenheit Schuld oder die Fehler von Friedrich Merz. Das fehlende inhaltliche Profil wird ebenfalls genannt. Am wahrscheinlichsten ist, dass es ein Mix aus mehreren Gründen ist. CDU-Mann Dennis Radtke vom Sozialflügel fordert eine &bdquo;empathische und wertschätzende“ Kommunikation. Für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen müsse die CDU etwas im Angebot haben. &bdquo;Wenn die Parteispitze diesen Kurs einschlägt, können wir auch die 30 Prozent plus x erreichen.“ Andere wie Philipp Amthor, der zu Merz Unterstützern gezählt wird, wollen den ihrer Ansicht nach von Merkel durch einen strikten Mittekurs vernachlässigten rechten Flügel wieder stärken. So würde es die AfD unzulässig überhöhen, wenn die CDU ihr die Repräsentationslücke rechts der Ampel überlassen würden, sagt er und pocht auf &bdquo;inhaltliche Breite“. Während CDU-Vize Andreas Jung betont: &bdquo;Werte verpflichten: Wir sind die Volkspartei der Mitte mit dem C.“ Die K-Frage bleibt – und Merz ist nicht der Favorit Ob Merz den Konflikt um die Ausrichtung befrieden kann, ist fraglich. Zwar verspricht er immer wieder, der Parteivorsitzender von allen zu sein. Diese Erwartung erfüllt er aber nicht, wenn er das überhaupt noch will. Nach wie vor hat Merz gewichtige Unterstützer, besonders in den Ostlandesverbänden. In Brandenburg, Sachsen und Thüringen wird 2024 gewählt. Die Wahlen könnten für die CDU im Fiasko enden, weil die AfD derzeit vorne liegt. Sie wollen mit Merz vor Ort Wahlkampf machen, der als förderlich und nicht als hinderlich gilt. Es wundert nicht, dass sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer und der Thüringer CDU-Chef Mario Voigt für Merz als Kanzlerkandidaten der Union ausgesprochen haben. Streit um die K-Frage wollen sie vermeiden. Es gibt aber noch andere, die Interesse bekunden zu scheinen. Zum Beispiel Hendrik Wüst, der jüngst einen Testballon steigen ließ. Manche in der CDU sind sich sicher: Wenn Wüst Kanzlerkandidat werden wolle, dann werde er das. Große Fehler unterlaufen ihm bisher nicht, die Beliebtheitswerte sind deutlich besser als die von Merz. Nur 20 Prozent der Unionswähler glauben, dass CDU und CSU mit Merz als Kanzlerkandidat die besten Chancen hätte. 29 Prozent favorisieren Wüst und 38 Prozent hätten gerne Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Der Druck auf Wüst wird zunehmen, vor allem durch die, die Söder als Spitzenkandidat für 2025 verhindern wollen. Söders Querschüsse verhagelten den Wahlkampf 2021 – und er stichelt wieder Immerhin ist der CSU-Chef aus Sicht vieler CDUler der Mann, der mit Querschüssen den Wahlkampf 2021 verhagelte. Nun beginnt er erneut mit Sticheleien und fordert die K-Entscheidung erst nach den Wahlen in Ostdeutschland. Die Union müsse die Ergebnisse sehr genau analysieren und daraus gute Argumente für die Personalfrage finden. Sollten die Wahlen 2024 schlecht für die CDU ausgehen, wird Merz stark beschädigt sein. Söder weiß das. Er ist Medienprofi, sagt so viel, dass seine Sätze interpretierbar sind und so wenig, dass er alles herunterspielen kann. Noch im Juni zeigt er sich vor einem gemeinsamen Fraktionssitzung mit Merz beim Grillen. Beide tragen eine schwarze Schürze, halten eine Grillzange mit Würstchen nach oben und lachen. Sie wollen Geschlossenheit signalisieren. In Wahrheit trauen sie einander nicht über den Weg. Jetzt fange er bei Merz auf subtile Art und Weise an, was er bei Laschet gemacht habe, befürchtet ein CDU-Mann. Dass Söder erneut ausschließt, ein weiteres Mal die Kanzlerkandidatur anzustreben, glaubt ihm in der CDU keiner. Was soll er vor der bayerischen Landtagswahl am 8. Oktober anderes sagen? Söders Vorstoß trifft Merz unvorbereitet, immerhin hat er stets von einer Entscheidung im Spätsommer gesprochen. Nach RND-Informationen macht er in der darauffolgenden Gremiensitzung deutlich, dass es keinen Dissens zwischen ihm und dem CSU-Chef gebe. So wird es auch aus dem Umfeld von Merz kolportiert. Der kalendarische Sommer ende schließlich nach der Landtagswahl in Brandenburg am 22. September, heißt es. Wieder muss Merz sich aus der Defensive heraus erklären, der Bayer hat den Ton gesetzt. Warten auf die nächsten Fehler von Merz Überhaupt regt sich gerade Widerstand unter den CDU-Ministerpräsidenten, die Anspruch auf Mitsprache erheben. &bdquo;Zu Recht gibt es hier die Erwartung, dass dies eine gemeinsame Entscheidung ist“, sagt etwa Kai Wegner. Merz werde &bdquo;an ganz entscheidender Stelle die Gespräche mitführen“. Als Parteichef &bdquo;mitführen“ – starker Tobak von Wegner. Der CDU-Mann ist nicht der einzige, der Merz einst unterstützte und jetzt offensichtlich auf Distanz zum Parteichef geht. Viele wollen abwarten und beobachten, wie sich Merz schlägt. Herausforderungen gibt es genug: ein weiteres Sommerinterview am 27. August, die Wahlen in Hessen und Bayern, die Europawahl und die Wahlen im Osten. Die &bdquo;Omas“ sind Merz kleinstes Problem im Kampf um die Kanzlerkandidatur.

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