Meinung

Angela Merkel legt Schwächen des Kandidaten Merz offen

Die Alt-Kanzlerin kritisiert die CDU für die Unterstützung durch die AfD. Ein Parteichef darf polarisieren, ein Kanzler sollte es nicht tun, ebenso wenig wie ein Kanzlerkandidat, meint unser Autor.

Friedrich Merz an der Seite von Angela Merkel bei der Feier zu ihrem 70. Geburtstag in Berlin. | © picture alliance/dpa

Thomas Seim
30.01.2025 | 30.01.2025, 17:58

Am Morgen danach wirkt das politische Deutschland wie eine verkehrte Welt. Die Bundeskanzlerin a.D. Angela Merkel, selbst 18 Jahre lang CDU-Vorsitzende, bescheinigt ihrem Nachfolger Friedrich Merz, dass er sich nicht im Sinne seiner staatspolitischen Verantwortung verhalte, wenn er auf Mehrheiten mit der AfD setze. Sie halte das für falsch. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums verteidigt – ausgerechnet – Sarah Wagenknecht den CDU-Chef für die gemeinsame Mehrheit mit der AfD, deren Einstufung durch den Verfassungsschutz als gesichert rechtsradikal angeblich bevorstehen soll.

In NRW reklamiert die Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur von den Grünen, sie spreche für die gesamte gemeinsame Landesregierung mit der NRW-CDU, wenn sie sage: Mit Rechtsextremen macht man keine gemeinsame Sache. Zeitgleich wird hinter den Kulissen nicht nur der NRW-CDU darauf verwiesen, dass man bis hinauf in die Spitze um Ministerpräsident Hendrik Wüst versucht habe, Merz von dieser Initiative abzubringen.

Ja wie, ist man da geneigt zu fragen: Zählt der Vorsitzende des CDU-Landesverbandes mit den meisten Mitgliedern deutschlandweit, der auf Parteitagen etwa ein Drittel der Delegierten stellt, so wenig bei seinem Bundesvorsitzenden und Kanzlerkandidaten? Und wieso gilt offenbar der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch, der einst zum legendären Anden-Pakt der Union gegen Helmut Kohl gehörte und eine Postkarten-Aktion gegen Ausländer organisierte, dort mehr? Und wo ist Merz-Vorgänger Armin Laschet, der die Mehrheit der Wähler stets in der Mitte suchen wollte?

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Merz hat Union in schwierige Lage manövriert

Wie auch immer man es dreht und wendet: Der Kanzlerkandidat von CDU/CSU hat sich und mit sich die gesamte Union in eine äußerst schwierige Lage manövriert. Er hat durch seinen Wortbruch Angela Merkel dazu motiviert, sich in das Irrlichtern ihrer Partei um den Umgang mit Rechtsradikalen einzumischen. Selbst wenn man daran kritisiert, dass Ex-Amtsinhaberinnen sich nicht ins Aktuelle einmischen sollten: Merkel liegt richtig und verleiht denen eine Stimme, die sich allein nicht trauen, ihre Zweifel offenzulegen. Merz hat die Erfolgsstrategie seiner Vor-Vor-Vorgängerin beerdigt, dem politischen Gegner wenig Anlass zu geben, seine Anhänger zu mobilisieren. Erste Trends aus – wohl noch nicht repräsentativen – Befragungen scheinen das zu signalisieren.

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Merz scheint also alte Fehler zu wiederholen. Ein Parteichef darf polarisieren, ein Kanzler sollte es nicht, ebenso wenig wie ein Kanzlerkandidat. Man wartet darauf, dass der Kandidat das noch lernt – mindestens von guten Ratgebern – und darauf verzichtet, heute ein Gesetz mit der AfD durch den Bundestag zu bringen. Es ist nur eine Hoffnung.