
Ende Januar machte Christine Lambrecht eine Ankündigung, die für Aufsehen, vor allem aber für Spott sorgte. Statt der Lieferung von Waffen an die von Russland bedrängte Ukraine stellte die sozialdemokratische Verteidigungsministerin die Lieferung von 5.000 Schutzhelmen in Aussicht. Der sehr fordernd auftretende ukrainische Botschafter Andrij Melnyk sprach von einer „reinen Symbolgeste“. Der einstige Grünen-Chef Reinhard Bütikofer nannte die Ankündigung „bestenfalls peinlich“.
Nur: Auch die Helme sind bislang nicht in Kiew angekommen. „Die Übergabemodalitäten werden mit der Ukraine derzeit noch geklärt“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums am Donnerstag dem Nachrichtenportal t-online. „Die Schutzhelme liegen verpackt und bereit zum Transport in einem Depot der Bundeswehr.“ Damit setzt sich das Tauziehen, wenn auch diesmal ungewollt, fort.
Die ukrainische Seite, die Russland militärisch nach allgemeiner Einschätzung hoffnungslos unterlegen ist, sucht seit längerem um Waffen nach, die sie aus anderen Nato-Ländern auch bekommt. Im Sommer letzten Jahres etwa bat der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij in Berlin um Raketenschnellboote, Patrouillenboote oder Sturmgewehre.
Ukraine hat lange Wunschliste
Anfang Februar folgte eine weitere Bitte. In einem Brief an das Auswärtige Amt forderte die ukrainische Botschaft angesichts des sich zuspitzenden Konflikts „unverzügliche Hilfeleistung“. Auf der Wunschliste stehen seither Flugabwehr-Raketensysteme mittlerer Reichweite, tragbare Flugabwehr-Raketensysteme, Anti-Drohnen-Gewehre, Mikrowellen-Zerstörungssysteme, elektronische Ortungssysteme, aber auch Nachtsichtgeräte, Überwachungskameras und Munition. Es handle sich um „Waffensysteme defensiver Natur“ – oder, wie aus Experten-Kreisen derzeit öfter verlautet, nicht letale, also nicht tödliche Waffen.
Im vorigen Sommer sagte der damalige Außenminister Heiko Maas (SPD) noch: „Natürlich stellen wir das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine nicht in Frage.“ Allerdings könne der Konflikt lediglich politisch gelöst werden. „Waffenlieferungen helfen dabei nicht.“ Der damalige Grünen-Chef Robert Habeck zeigte sich bei einer Reise in das Land hingegen offen für solche Lieferungen – und erregte damit Aufsehen und bisweilen Unmut.
Bundeswehr leidet selbst unter Ausrüstungsmangel
Vor der jüngsten Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Kiew klang die Weigerung der Regierung schon weniger kategorisch. Auf der von der Ukraine vorgelegten Wunschliste für militärische Ausrüstung sei „das eine oder andere“, was „man sich genauer anschauen kann“, sagten Insider. Das werde nun geprüft. Es spiele dabei neben der politischen Entscheidung nicht zuletzt die tatsächliche Verfügbarkeit des Materials, das von der Bundeswehr ebenfalls gebraucht werde, eine Rolle. Wann diese Prüfung abgeschlossen sein wird, blieb im Dunkeln.
Einerseits – so viel steht fest – geht es um die Mühlen der deutschen Bürokratie und eine Bundeswehr, die selbst unter Ausrüstungsmängeln leidet. Andererseits geht es um eine sehr prinzipielle Frage: nämlich ob Deutschland Waffen in ein Krisengebiet liefern kann und will. Normalerweise gilt das als Ausschlussgrund – mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass die Ukraine aus westlicher Sicht nicht bloß als Krisengebiet, sondern in gewisser Weise auch als Verbündeter gilt. Mit anderen Worten: Das Land ist ein Grenzfall.
Was geschieht, wenn in der Ukraine tatsächlich ein großer Krieg ausbricht, ist einstweilen ungewiss. Gut möglich, dass die Debatte um deutsche Waffenlieferungen dann noch einmal in einem anderen Licht erscheint.