Frankfurt . Der Fall sorgte in diesem Sommer für Aufsehen: Als die österreichische Schauspielerin Eva Herzig öffentlich machte, dass sie sich nicht gegen das Corona-Virus impfen lassen wolle, berichteten einige Medien, das Drehbuch für den nächsten ORF-Landkrimi aus der Steiermark sei deshalb geändert worden. Die nächste Episode wird ohne die Pathologin Eva Merz auskommen müssen, die von Eva Herzig gespielt wird.
In den USA hat der Streaming-Anbieter Netflix angekündigt, er werde eine Impfpflicht am Set einführen. Ende Juli haben die Hollywood-Gewerkschaften eine entsprechende Vereinbarung mit den Studios getroffen: Impfungen sind damit für Schauspielerinnen und Schauspieler sowie für alle, die am Set eng mit jenen zusammenarbeiten, verbindlich.
Auch in Deutschland gehen Schauspieler von einer Impfpflicht durch die Hintertür aus. Offiziell wollen sich die Produktionsunternehmen nicht zu dieser Frage äußern. Sebastian Lambeck, Sprecher der Produzentenallianz, will auch den Fall Herzig nicht kommentieren, da es sich hier um ein österreichisches Unternehmen handelt. "Für unsere Mitglieder ist solch ein Vorgehen kein Thema, auch rechtlich wäre das schwierig", sagte er.
Ein Teammitglied könne ausgetauscht werden, ein wichtiger Schauspieler nicht
Der Bundesverband Schauspiel teilte knapp mit: „Wir orientieren uns an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission. Die Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, rechtfertigt in keiner Weise eine arbeitsrechtliche Kündigung."
Am 30. September läuft der Ausfallfonds für TV-Produktionen aus, der im vergangenen Jahr wegen der Corona-Pandemie aufgelegt wurde. Dieser Fonds springt ein, wenn Dreharbeiten trotz Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen unterbrochen werden müssen, weil Mitwirkende oder Mitglieder der Crew positiv auf das Coronavirus getestet wurden.
Ab dem 1. Oktober, mutmaßt ein vielbeschäftigter Schauspieler, könnte "ein Produzent in so einem Fall komplett auf den Kosten sitzenbleiben, wenn er eine Produktion unterbrechen muss, weil es einen positiven Test bei einem Ensemblemitglied gab." Ein Teammitglied könne ausgetauscht werden, ein wichtiger Schauspieler nicht. Der Schauspieler, der anonym bleiben möchte, vermutet, dass die Produktionsfirmen spätestens im Herbst keine Ungeimpften mehr ans Set lassen: "Das wäre aus unternehmerischer Sicht ein viel zu großes Risiko."
Kosten für regelmäßige Tests am Set werden auf 70.000 bis 80.000 Euro geschätzt
In der Branche gehen daher viele davon aus, dass eine Impfung zum Auswahlkriterium bei der Besetzung wird. Spätestens beim Casting stellt sich heraus, ob Schauspielerinnen und Schauspieler geimpft sind. Ein Vorwand für eine Ablehnung findet sich immer. Es wird auch nicht ausgeschlossen, dass Agenturen damit werben, wenn ihre Klientinnen und Klienten geimpft seien.
Die Kosten für regelmäßige Tests am Set werden auf 70.000 bis 80.000 Euro pro Film geschätzt. Die Frage ist, ob Produktionsfirmen sich das noch länger leisten wollen, wenn alle Anwesenden am Set geimpft sind. Derzeit werden bei Dreharbeiten täglich Schnelltests sowie mehrmals pro Woche PCR-Tests durchgeführt. Die Testunwilligkeit bei den Schauspielern steige jedoch mit der Zahl der Impfungen, berichtet der Schauspieler.
Dennoch haben sich in den vergangenen Monaten die Hygieneauflagen, die die Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse im Frühjahr 2020 in Abstimmung mit der Allianz der Film- und Fernsehproduzenten entwickelt hat, nach Meinung der Produzenten bewährt. Laut Juliane Müller, Ansprechpartnerin für Arbeitsschutz- und Hygienemaßnahmen bei der Produzentenallianz, hat die überwiegende Mehrheit der Produzenten zudem zusätzliche freiwillige Maßnahmen ergriffen: "Wie gut sich die Branche an die Auflagen gehalten hat, zeigt sich unter anderem daran, dass der Ausfallfonds kaum in Anspruch genommen werden musste."