Berlin (dpa/AFP/jack). Die Bundesregierung berät über erweiterte Testpflichten für Reiserückkehrer als Corona-Schutz zum Ende der Sommerferienzeit. Das Gesundheitsministerium ist für "eine schnellstmögliche Ausweitung der Testpflichten bei Einreise", wie eine Sprecherin auf Anfrage am Dienstag sagte. Die Abstimmungen innerhalb der Regierung dazu liefen. Zunächst berichteten die Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag) darüber. Minister Jens Spahn (CDU) hatte bereits in der vergangenen Woche deutlich gemacht, dass eine Ausweitung der Testpflicht aus seiner Sicht wie der des Bundesinnenministeriums sehr schnell kommen solle.
Eine generelle Testpflicht besteht bisher für alle Flugpassagiere. Der Nachweis eines negativen Ergebnisses muss bereits im Urlaubsland gemacht und vor dem Start nach Deutschland vorgezeigt werden - oder aber ein Nachweis als Genesener oder vollständig Geimpfter. Nach den Vorstellungen von Spahn und Innenminister Horst Seehofer (CSU) sollte künftig grundsätzlich ein Test verlangt werden, unabhängig davon, aus welchen Gebieten und mit welchen Verkehrsmitteln Reisende nach Deutschland kommen. Wer weder geimpft ist noch eine Corona-Infektion hinter sich hat müsste dann beispielsweise auch dann, wenn er oder sie mit dem Auto aus Polen einreist, einen Corona-Test machen. Stationäre Grenzkontrollen sind aber dem Vernehmen nach nicht Teil des Konzepts.
Bestehende Regelungen werden vorerst bis 10. September verlängert
An diesem Mittwoch tritt bereits eine vom Kabinett beschlossene neue Einreiseverordnung in Kraft. Da es zu der von Spahn und Seehofer geplanten Regelung keine Einigkeit gab, werden im Wesentlichen die bestehenden Regelungen bis vorerst 10. September verlängert. Eine Erleichterung gibt es für Einreisende aus Virusvariantengebieten, in denen neue, besorgniserregende Virusformen kursieren. Bisher müssen auch Genesene und Geimpfte, die von dort zurückkommen, für 14 Tage in Quarantäne. Künftig kann diese vorzeitig beendet werden, wenn die betroffene Region noch während der Quarantänezeit nicht mehr als Virusvariantengebiet eingestuft wird.
Welche ausländischen Regionen die Bundesregierung als Risiko-, Hochinzidenz- oder Virusvariantengebiete mit besonderen Vorgaben einstuft, veröffentlicht das Robert Koch-Institut (RKI) auf seiner Internetseite.
"Dass das Testen wirksam ist, konnten wir im Frühjahr beobachten"
Ulrich Schaible, Direktor des Programmbereichs Infektionen beim Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum, begrüßt eine generelle Test-Pflicht - sowohl für Nicht-Geimpfte, als auch für Genesene und Geimpfte. "Wie wir schon gesehen haben, können auch Geimpfte weiterhin an Covid erkranken", sagt Schaible. Die Impfung schütze in erster Linie gegen einen schweren Verlauf.
Für einen besseren Schutz der Bevölkerung hält Schaible eine Testpflicht aktuell für angebrachter. Ganz gleich ob für den Restaurant- oder Stadionbesuch und unabhängig davon, ob geimpft, genesen oder nicht geimpft: "Dass das Testen wirksam ist, konnten wir im Frühjahr beobachten, als die Zahlen so niedrig waren wie noch nie zuvor", sagt Schaible.
Der Anstieg der Infektionszahlen kommt laut Virologen zu früh
Der Frankfurter Virologe Martin Stürmer begrüßt die Idee einer Ausweitung der Corona-Testpflicht für zurückkehrende Urlauber. "Wir sehen tatsächlich schon, dass Reiserückkehrer gehäuft dazu beitragen, Infektionen nach Deutschland zu bringen", sagte er am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin". Das sei sicher auch darin begründet, dass bei Geimpften und Genesenen auf die Tests verzichtet werde, auch wenn sie aus Hochrisikogebieten kämen. Ein solches Vorgehen nannte er "fahrlässig", weil bereits bekannt sei, dass sich auch Geimpfte mit der Delta-Variante anstecken könnten.
Bisher gilt die Testpflicht für Flugpassagiere und Einreisende aus Hochrisikogebieten, die nicht vollständig gegen das Coronavirus geimpft oder von einer Covid-19-Erkrankung genesen sind. Die Abstimmung in der Regierung zu der Verschärfung der Corona-Reiseauflagen laufe, sagte eine Sprecherin des Ministeriums den Funke-Medien. Stürmer ist inzwischen deutlich skeptischer als noch vor einem Monat, ob es gelingen kann, eine vierte Welle zu verhindern. Der Anstieg der Infektionszahlen komme deutlich zu früh, sagte er im "Morgenmagazin".
Eine Impfpflicht lehnte der Virologe ab
Zwar würden sich Inzidenz und Krankenhauseinweisungen langsam entkoppeln, steigende Fallzahlen resultierten nicht automatisch darin, dass mehr Menschen ins Krankenhaus müssten. Wenn die Inzidenz aber kein wichtiger Parameter mehr sein solle, bleibe die Gruppe der Kinder und Jugendlichen völlig ungeschützt. "Wir haben ein Virus, wo wir immer noch nicht genau wissen, welche Folgeschäden letztlich angerichtet werden", sagte Stürmer. Darum bleibe die Inzidenz ein wichtiger Parameter.
Stürmer forderte, die Sommerferien zu nutzen, um die Schulen sicherer zu machen. Präsenzunterricht sei notwendig, aber es gebe genügend Ideen, diesen sicherer zu gestalten. Eine Impfpflicht lehnte der Virologe ab. Er plädierte dafür, "die Menschen zu überzeugen, dass es wichtig ist, sich impfen zu lassen".