Neuer CDU-Chef

Laschets Heine sei Dank - GroKo verschiebt Start des Superwahlkampfes

Mit der Corona-Krise ist der Koalitionsausschuss von SPD und Union in Vergessenheit geraten. Zum Start des Superwahljahres meldet er sich zurück. Und nicht nur das - es herrscht auch ungewohnte Harmonie.

Armin Laschet (r), CDU-Bundesvorsitzender, trifft zum Koalitionsausschuss am Bundeskanzleramt ein. | © picture alliance/dpa

04.02.2021 | 04.02.2021, 07:58

Berlin (dpa). Gelungene Premiere für den neuen CDU-Chef Armin Laschet und die ungeliebte große Koalition: In überraschender Harmonie haben die Spitzen von Union und SPD mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Start ins Superwahljahr 2021 geschafft. Zahlreiche strittige Themen wie einen Corona-Bonus für Familien und Menschen in Grundsicherung, die Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie und weitere Corona-Hilfen für Unternehmen konnte der Koalitionsausschuss am Mittwochabend in knapp viereinhalb Stunden lösen.

Die gelebte Harmonie unter den Koalitionären war keineswegs zu erwarten. Immer wieder hatten sich beide Seiten in den vergangenen Tagen vorgeworfen, zu früh in den Wahlkampfmodus zu verfallen. Noch am Morgen weist SPD-Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz in seiner nordischen Gelassenheit Kritik zurück, wonach die Forderungen seiner Partei „Wahlkampfmusik" seien.

Doch hinter den Türen, so ist zu hören, ist die Stimmung alles andere als gereizt. Zur guten Laune dürfte auch Laschets Geschenk beigetragen haben. Vor Beginn seines ersten Koalitionsausschusses im Kanzleramt überreicht er allen Anwesenden Bücher mit gesammelten Gedichten des Dichters Heinrich Heine. Ein Lesepräsent mit Zeilen des in Düsseldorf geborenen Schriftstellers Heine aus der Hand des in Düsseldorf regierenden NRW-Ministerpräsidenten ist naheliegend und vieldeutig zugleich. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass Laschet schon in wenigen Monaten nach der Kanzlerschaft greifen könnte.

Laschet muss klare Kante zeigen

„Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht, ich kann nicht mehr die Augen schließen, und meine heißen Tränen fließen", heißt es in Heines berühmten Versen. Ob Laschet bei der Auswahl des Geschenks überhaupt an jenes Gedicht „Nachtgedanken" dachte, dürfte wohl sein Geheimnis bleiben. Fest steht aber, besser (und lyrischer) lässt sich die Situation der Anwesenden im Kanzleramt zum Start ins Superwahljahr 2021 kaum beschreiben - sie alle eint in der Corona-Krise die Sehnsucht nach einem schöneren Deutschland.

Dass Laschet bei seiner Premiere im Gegenzug auf politische Geschenke hoffen konnte, durfte getrost bezweifelt werden. Vielmehr wartet auf ihn ein ganz besonderer Spagat. So muss er sowohl dafür sorgen, dass der Berliner Koalitionsmotor möglichst geschmeidig weiterläuft, damit sich Merkel ohne Störfeuer um die Corona-Krise und die - wann auch immer beginnende - Zeit danach kümmern kann. Zugleich muss gerade Laschet klare Kante zeigen, will er sich für die Kanzlerkandidatur in der Union empfehlen. Denn noch sehen die Menschen im Land einen anderen Unionspolitiker mehrheitlich als deutlich besser geeignet dafür an - den von Laschet beschenkten Markus Söder.

Das Fazit über Laschets Auftreten fiel denn Ende auch bei den Beteiligten gut aus, auch wenn manche Teilnehmer fanden, dass er nicht allzu viel gesprochen habe. Er habe sich „prima eingefügt", sagte Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU). Dank Laschets guter Vernetzung in Berlin sei „gar keine Einarbeitungszeit notwendig gewesen. Es war so, als wenn er immer da gewesen wäre".

Koalition zeigt, dass sie etwas bewegen kann

Und dann sitzt mit der SPD auch ja noch eine Partei am Tisch, für die es bei der Bundestagswahl am 26. September - und bei den Landtagswahlen zuvor - einmal mehr ums Ganze geht. Mit Umfragewerten von aktuell 15, 16 Prozent stehen die Sozialdemokraten nochmals deutlich schlechter da als mit ihren 20,5 Prozent bei der Wahl 2017.

Um in der Bürgergunst zu klettern, müssen sich die SPD-Chefs Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sowie ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz mächtig anstrengen. Auch für sie geht es um einen Spagat: Einerseits müssen sie zeigen, dass sich sozialdemokratisches Mitregieren lohnt - und gleichzeitig müssen sie sich acht Monate vor der Wahl verstärkt von der Union abgrenzen. Keine Frage - die Entlastungen für Geringverdiener und Familien sind da wichtige Erfolge. Bleibt nur die Frage, ob diese am Ende auch auf das Konto der SPD einzahlen werden.

Ungeachtet aller parteitaktischen Fragen zeigt die Koalition zumindest an diesem Abend vielen Beobachtern, dass sie durchaus noch Dinge bewegen kann - und will. Sogar beim konfliktträchtigen Thema Eurodrohne finden beide Seiten eine Kompromissformel, die die Anschaffung des unbemannten Flugobjekts durch die Bundeswehr noch im März unter Dach und Fach bringen will. Dass dabei der eigentliche Streitpunkt, die mögliche Bewaffnung der Drohne elegant ausgeklammert wurde, zeigt, dass an diesem Abend keine Seite an einer Eskalation interessiert war.

Auch das ist Anfang 2021 durchaus eine Nachricht. Ironische Stimmen in der Koalition hatten es vor den Verhandlungen ja schon als Erfolg gesehen, dass die GroKo Anfang 2021 überhaupt noch existiert.

Bei den Beratungen in der neuen Besetzung - unterbrochen von einem deftigen Abendessen mit Rouladen, Kartoffeln und Rosenkohl und dem ein oder anderen Heine-Zitat - dürfte es geholfen haben, dass sich alle Beteiligten schon lange aus verschiedenen Rollen und Ämtern kennen. Söder und Laschet, die beide ein Interesse daran haben dürften, die Union weiter als geschlossen zu präsentieren. Walter-Borjans und Laschet, deren Verhältnis nach vielen gemeinsamen Düsseldorfer Jahren als ungetrübt gilt.

Nach dem konstruktiven Verlauf der Beratungen bleibt die Frage, was die schon so oft für tot erklärten GroKo noch vor der Wahl alles bewegen kann. Eine verlässliche Antwort für die kommenden Monate ist nicht möglich. Und wie fragil die Harmonie ist, zeigten jüngst die Spannungen, nachdem die SPD immer heftiger Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für dessen Corona-Management kritisiert hatte. Manche in der Union erinnerte das Vorgehen an einen Untersuchungsausschuss. Fortsetzung folgt.