Wieso die AfD nicht von den Corona-Demos profitiert

Bielefeld. Während die meisten Parteien den Corona-Demos kritisch gegenüberstehen und gar den Verfassungsschutz ins Spiel bringen, solidarisiert sich die AfD mit der Bewegung. Dass die Partei davon jedoch profitiert, bezweifelt ein Experte. Doch wieso? Dass sich Politiker der AfD unter die Corona-Proteste mischen, ist immer wieder zu beobachten. Der Bundestagabgeordnete Hansjörg Müller ergriff etwa bei einer Demo in Berlin vor gut zwei Wochen das Wort und stimmte ein hallendes "Wir sind das Volk" in Richtung Reichstagsgebäude an. Auch andere AfD-Abgeordnete wie der Harsewinkler Udo Hemmelgarn mischten sich bereits unter die bundesweiten Proteste, andere traten als Redner auf. Auch auf lokaler Ebene, etwa in OWL, sind diese Tendenzen zu beobachten. Die AfD auf Stimmenfang? Parlamentarischer Arm der Proteste Die AfD solidarisiert sich mit der Protest-Bewegung, berichtet der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder vom Wissenschaftszentrum Berlin. Er setzt sich immer wieder mit der Rechts-Partei auseinander. "Die AfD sieht sich selbst als Anti-Establishment-Partei. Daher ist es für sie sehr reizvoll, sich als parlamentarischer Arm des Straßenprotests zu verstehen." Die große Frage: Profitieren Alice Weidel, Alexander Gauland und Co. von den Corona-Protesten? "Ein klassisches 'Ja, aber...'", entgegnet Schroeder. Zum einen sammele die AfD durch ihre Solidarisierung und ihre Positionierung mit den Straßenprotesten Wähler ein, die sie womöglich sonst nie erreicht hätte. "Unter den Corona-Demonstranten sind auch einige Esoteriker oder Mitglieder der ersten Umweltbewegung", nennt Schroeder Beispiele. Doch die Partei zahle einen hohen Preis: Denn auf der anderen Seite verliere die AfD dadurch auch Wähler aus der breiten Masse. "Bisher sind die Umfragedaten der AfD im Vergleich zu vor einem Jahr um 30 bis 40 Prozent gesunken", sagt Schroeder. Ein Indiz: die NRW-Kommunalwahlen. Im Vergleich zur Landtagswahl 2017 sank der AfD-Wert von 7,4 auf etwa 5 Prozent. Die Erwartungen waren weitaus höher. Paradoxe Positionierung Generell, so erklärt Schroeder, sei die Positionierung der AfD paradox. "Auf der einen Seite unterstützen große Teile der Partei den Weg der Wissenschaftskritiker - auf der anderen Seite beruft sich die AfD auf wissenschaftlich-technische Möglichkeiten wie den Impfstoff, um die Pandemie bald zu beenden", sagt Schroeder. So oder so - am Ende könne sich die Partei auf eine "Wir haben es ja gesagt"-Position stellen. Doch wird die Corona-Krise eher zum Beinbruch für die Partei? Das will Schroeder so nicht unterschreiben. Denn es gibt laut dem Experten in der Partei gleich mehrere Baustellen, "die die AfD runterziehen könnten". Zum einen die innerparteilichen Konflikte um und mit dem rechten Flügel. Zum anderen die mangelnde Distanzierung zum Rechtsextremismus außerhalb der Partei, der dazu führt, dass die AfD zunehmend flächendeckend zum Verdachtsfall des Verfassungsschutzes wird. Und zuletzt die Corona-Krise. AfD nicht an der Spitze der Proteste Dabei sah die Position zu Beginn der Pandemie durchaus anders aus: So warf die Bundestagsfraktions-Co-Chefin Alice Weidel der Regierung vor, nicht genug gegen das Coronavirus unternommen zu haben. Mittlerweile finden Störer ihren Weg in den Bundestag - offenbar auf Einladung einzelner AfD-Abgeordneter -, um andere Politiker zu bedrängen, als es eigentlich darum ging, Corona-Maßnahmen zu erweitern oder zu verlängern. Eine aktuelle Studie von Forschern der Hochschule Düsseldorf, die sich mit den Corona-Protesten in NRW auseinandergesetzt hat, kommt zudem zu dem Schluss: In dem Bundesland hat die AfD weder von der Bewegung profitiert, noch hat es die Partei an die Spitze solcher Corona-Proteste geschafft. AfD-Wählerschaft bei Corona gespalten Wie kommt das? "Die Wählerschaft der AfD ist in Corona-Fragen gespalten. Das weiß die AfD-Führung. Deshalb versucht man, den Protest und den Zorn der Straße gegen 'die da oben' zu nutzen. Und zugleich weiß man auch, dass die Straße unabhängig von der AfD agiert. Man könnte also sagen, dass selbst, wenn sie sich an die Spitze der Proteste stellen wollen, es würde nicht klappen", berichtet Schroeder. Damit würde sich die Partei zudem selbst zu sehr unter öffentlichen Druck setzen. Außerdem hat hier mit dem NRW-Chef der AfD, Rüdiger Lucassen, eher ein Gegenpol zu den Rechtsaußen aus dem AfD-Flügel das Wort. Dennoch habe die Partei die Front der Corona-Kritiker und Gegner der Maßnahmen enorm befeuert. Er resümiert: "Parteien, die mit der Sicherheit und der Gesundheit der Bevölkerung spielen, bringen sich sowohl bei politischen Mitstreitern als auch bei den Wählern ins Aus."

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