Klimaschutz

Mit diesen Maßnahmen könnte die Verkehrswende sozial werden

Mehr Klimaschutz im Verkehr ist ungerecht, weil sich dann nur noch die Reichen Mobilität leisten können? Nein, meinen der NABU und der Sozialverband Deutschland – und wollen ran an Dienstwagen, Entfernungspauschale und Parkgebühren.

Das Parken muss teurer werden, fordern die Autoren einer Studie zur Verkehrswende. | © Pixabay

Hanna Gersmann
30.11.2020 | 30.11.2020, 13:08

Berlin. Wie soll eine Familie zurecht kommen, die auf ein großes Fahrzeug angewiesen ist, die Steuern für CO2-intensive Pkw aber steigen? Geht der Klimaschutz im Verkehr zu Lasten der Ärmeren? Im Gegenteil, sagt Jörg-Andreas Krüger, der Präsident des NABU, des Naturschutzbundes Deutschland. Es brauche nur andere Maßnahmen.

Krüger sagt: „Heute leisten wir uns eine ganze Reihe von Anreizen und Subventionen im Verkehrssektor, die ein Umsteuern nicht nur aus Klimaschutzgründen, sondern auch sozialpolitisch erforderlich machen."

Die Vizepräsidentin des Sozialverbandes Deutschland, Ursula Engelen-Kefer, pflichtet ihm bei: „Die Faktenlage wird schlichtweg verkannt, wenn behauptet wird, dass ein umwelt- und klimafreundliches Mobilitätssystem zu Lasten der Ärmsten ginge." Die Beiden berufen sich auf eine neue Studie, die das Ökoinstitut im Auftrag des NABU gemacht hat - Titel: „Impulse für mehr Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit in der Verkehrspolitik".

Im Schnitt ist demnach jede und jeder Deutsche am Tag 38 Kilometer unterwegs. Doch das Einkommen macht einen Unterschied, bei den Reicheren sind es 50 Kilometer. Und: Das Gros der Haushalte in den oberen Einkommensklassen (2.500 Euro netto pro Person und mehr) hat zwei oder mehr PKW, von jenen in den untersten Einkommensklassen besitzen hingegen mehr als 40 Prozent gar kein Auto.

So profitieren Besserverdienende finanziell besonders von steuerlichen Vorteilen für Dienstwagen, von der Entfernungspauschale, auch von Kaufprämien für Neuwagen. Ruth Blanck und die anderen Autoren der Studie schreiben: „Es kommt letztlich zu einer Umverteilung von unten nach oben." Das wollen sie umkehren. Wie?

Beispiel 1: Dienstwagenbesteuerung
Mehr als 40 Prozent der Führungskräfte und mehr als 50 Prozent aller Arbeitnehmer mit einem Jahreseinkommen über 100.000 Euro hätten einen Dienstwagen. Diese genössen steuerliche Vorteile, von denen Geringverdienende, die zumeist keinen Dienstwagen haben, ausgeschlossen sind, sagt Blanck. Dann rechnet sie vor: Frau Müller hat eine Führungsposition in einer großen Firma, ihr Jahreseinkommen: 100.000 Euro. Der Arbeitgeber stellt zusätzlich einen Dienstwagen, mit dem sie auch privat fahren kann. Es ist ein Audi A6 mit Dieselmotor. Würde sich Frau Müller dasselbe Auto privat zulegen, würde es sie einschließlich Wertverlust und Kraftstoffkosten rund 17.400 Euro pro Jahr kosten, so sind es aber nur 13.302 Euro.

Vorschlag: „Auch die private Fahrleistung besteuern", sagt Blanck. Und damit es keine Fahrtenbuchpflicht gibt, könne dies zum Beispiel pauschal erfolgen - mit 75 Prozent der Jahresfahrleistung (nach Abzug der Wege zur Arbeit). Zudem solle die Besteuerung umso höher ausfallen je höher der CO2-Ausstoß des Wagens ist.

Beispiel 2: Entfernungspauschale
Wer ein niedriges Einkommen hat, bekommt auch kaum bei der Steuererklärung etwa zurück – und geht bei der Entfernungspauschale eher leer aus. Anders ist das bei jenen mit gutem Einkommen. Wieder rechnet Blanck vor: Frau Huber, 60.000 Euro Bruttojahreseinkommen, wohnt im Speckgürtel von München, pendelt 40 Kilometer an 220 Tagen pro Jahr mit dem Auto zur Arbeit. Für den Arbeitsweg kann sie 2.640 Euro (30 Cent pro Kilometer) als Werbungskosten in der Steuererklärung angeben. Im Jahr 2020 bekommt sie dadurch 1.109 Euro an Steuern zurück. Ab dem nächsten Jahr wird die Entfernungspauschale angehoben. Das soll den CO2-Preis an Tankstellen ausgleichen. Bei Frau Huber werde er aber überkompensiert", sagt Blanck – sie haben dann nochmal 12 Euro extra.

Vorschlag: „Die Entfernungspauschale im Falle der Pkw-Nutzung halbieren – es sei denn man benötigt mit dem öffentlichen Verkehr 60 Minuten länger als mit dem Pkw.", sagt Blanck. In Norwegen und Schweden sind schon heute Fahrtkosten mit dem PKW nur absetzbar, wenn die Nutzung des öffentlichen Verkehrs 120 Minuten länger dauert.

Was sonst noch besser zu machen wäre:
In München seien die Preise für eine ÖPNV-Monatskarte zwischen 2003 und 2017 um 74 Prozent gestiegen, heißt es in der Studie, der Preis für eine Stunde Parken aber gleich geblieben. Das müsse sich ändern, Parken teurer werden.

Zudem solle es ein Bonus-Malus-System beim Kauf neuer Wagen geben – je klimaschädigender desto teurer die Zulassung. Also werden Familien, die große Wagen brauchen, die meist mehr CO2 ausstoßen, doch benachteiligt? In Frankreich zum Beispiel werde der CO2-Aufschlag ab dem dritten Kind gesenkt, sagt Blanck, das sei aber begrenzt auf ein Fahrzeug.