Rechtsextremismus und Polizei

Kommentar: "Innenminister müssen ihrer Aufgabe endlich gerecht werden"

Sie sollten sich als Vorgesetzte nicht in vorauseilender Jovialität mit ihren Angestellten üben, sondern eine Haltung der kritischen Distanz einnehmen, kommentiert unser Autor.

Erneut gibt es einen Rechtsextremismus-Fall bei der Polizei. Diesmal in NRW. | © picture alliance / Fotostand

Markus Decker
16.09.2020 | 17.09.2020, 06:55

Der neue Rechtsextremismus-Fall in der nordrhein-westfälischen Polizei ist erschütternd. Fünf Chatgruppen mit 29 Mitgliedern, von denen 14 so stark belastet sind, dass eine Entfernung aus dem Dienst zwingend wurde – das ist erneut mehr als einer jener "Einzelfälle”, von denen sonst mal ernsthaft, mal sarkastisch die Rede ist. Längst werden die "Einzelfälle" ja im Wochenrhythmus ruchbar.

Nein, es geht nicht darum, "die Polizei" und damit rund 300.000 Menschen pauschal als "rechts" zu stigmatisieren. Wer es doch tut, spielt jenen in die Hände, die einem sinnlosen Generalverdacht mit einer Generalabsolution begegnen, sodass am Ende nur die berüchtigten "Einzelfälle" übrig bleiben.

Allerdings müssen die Innenminister ihrer Aufgabe endlich gerecht werden. Sie sollten sich als Vorgesetzte nicht in vorauseilender Jovialität mit ihren Angestellten üben, sondern eine Haltung der kritischen Distanz einnehmen. Diese Haltung muss den Rechtsauslegern in den eigenen Reihen gelten. Sie muss aber auch jenen gelten, die im Sinne einer schlechten "Cop Culture" wegsehen.

Chatgruppen seit 2013

So soll eine der jetzt aufgeflogenen Chatgruppen seit 2013 existiert haben. Unmöglich, dass da niemand etwas mitbekommen hat. Polizeigewerkschaften spielen zuweilen ebenfalls eine unrühmliche Rolle - etwa wenn sie sich gegen wissenschaftliche Untersuchungen wenden. Man kann den Radikalismus von Polizisten schließlich nicht mit den Angriffen verrechnen, denen sie selbst ausgesetzt sind. Staatsdiener müssen besonderen Anforderungen genügen.

Das Problem wird an Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul deutlich. Derselbe Reul, der in Essen lobenswerterweise reinen Tisch macht, sagte noch Ende Juni, es sei möglich, "dass es in der Polizei sogar weniger Rassisten gibt als im Rest der Bevölkerung”. Das klingt gerade sehr verwegen.