Trumps Spiel mit dem Feuer

Washington. Als Mark Potok vom &bdquo;Southern Poverty Law Center” in Alabama einmal gefragt wurde, was der Auslöser für bürgerkriegsähnliche Unruhen in Amerika sein könnte, sagte der landesweit bekannte Extremismus-Experte: &bdquo;Ein toter Märtyrer der Rechten, den Linke auf dem Gewissen haben.” Nach dem Tod von Aaron Danielson (alias Jay Bishop), der zur rechtsradikalen Splittergruppe "Patriot Prayer” im Westküsten-Bundesstaat Washington gehörte und am Wochenende am Rande einer Anti-Rassismus-Demonstration in Portland/Oregon durch einen Schuss in die Brust starb, drohen den USA bis zur Präsidentschaftswahl im November schlimme Wochen. Eine Blaupause für künftige Konfrontationen Der laut Polizei tatverdächtige Michael Forest Reinoehl ist ausweislich sozialer Medien ein &bdquo;100-prozentiger” Anhänger der linken Antifa. Die Gruppe versucht seit dem Tod des in Minneapolis von der Polizei umgebrachten Schwarzen George Floyd Ende Mai das Anliegen der gegen Polizeibrutalität aufbegehrenden &bdquo;Black Lives Matter”-Bewegung mit Gewalt und Sachbeschädigung in Portland zu kapern. Nach Danielsons Tod, der von &bdquo;Patriot Prayer”-Gründer und Trump-Bewunderer Joey Gibson bestätigt wurde, kondolierte Trump auf Twitter (&bdquo;Ruhe in Frieden, Jay”) und bekundete Sympathie mit einer Aktion seiner Anhänger, die gewissermaßen die Kulisse für den tödlichen Zwischenfall lieferte. Und von der Kritiker des Präsidenten befürchten, dass sie die Blaupause für künftige Konfrontationen sein könnte. Demonstranten wurden beinahe überfahren Rund 2.500 Trumpianer waren in einem Korso aus 600 mit Trump-Fahnen bestückten Autos am Samstagabend aggressiv durch die Innenstadt Portlands gefahren. Dabei versprühten sie von Pickup-Ladeflächen Pfefferspray, schossen mit Paintball-Gewehren (Farbpatronen) auf linke Gegendemonstranten und lieferten sich Prügeleien. Mehrfach wurden Demonstranten, die wiederum mit Wasserflaschen und anderen Gegenständen warfen, beinahe überfahren. Die Polizei wirkte überfordert. Zu der Demonstration hatten Trump-Sympathisanten im Internet aufgerufen. Der Präsident nannte sie auf Twitter &bdquo;großartige Patrioten” und drohte erneute mit der Entsendung der Nationalgarde. Bürgermeister Ted Wheeler bezeichnete er als &bdquo;Idiot” und &bdquo;zu schwach”, um Sicherheit und Ordnung herzustellen. Der Demokrat warf dem Präsidenten vor, &bdquo;Hass und Spaltung zu erzeugen”, um von der Coronavirus-Katastrophe (180.000 Tote) abzulenken und aus den Gewaltexzessen Honig für die Wahl am 3. November saugen zu wollen. Was als erwiesen gilt. Trump profititiert von den Unruhen In einer ihrer letzten Amtshandlungen hatte Trumps ehemalige Chef-Beraterin Kellyanne Conway vor laufender Kamera klargemacht, dass der Amtsinhaber von den Unruhen profitieren wird: &bdquo;Je mehr Chaos und Anarchie und Vandalismus und Gewalt herrscht, desto besser ist es für die sehr klare Wahl, wer am besten bei öffentlicher Sicherheit und Recht und Ordnung ist.” Trump verfährt darum nach der Taktik, seinen Herausforderer Joe Biden und die Demokraten als Komplizen der Demonstranten darzustellen, die er pauschal als &bdquo;Anarchisten”, &bdquo;Aufwiegler”, &bdquo;Krawallmacher” und &bdquo;Plünderer” bezeichnet. So soll die Verunsicherung verängstigter Vorstadt-Bürger geschürt werden. &bdquo;Niemand wird in Joe Bidens Amerika sicher sein”, sagte Trump jüngst am Weißen Haus. Sorge um die öffentliche Ordnung Er macht sich dabei zunutze, dass in der Bevölkerung die Zustimmung für die &bdquo;Black Lives Matter”-Bewegung zu kippen droht. Mehr als 50 Prozent sagen laut aktuellen Umfragen, die Demonstrationen der vergangenen Wochen, insbesondere die tödliche Konfrontation zwischen einem 17-jährigen Trump-Fan und zwei linken Gegendemonstranten in Kenosha/Wisconsin, gingen &bdquo;zu weit”. Rund 60 Prozent haben die Sorge, dass die öffentliche Ordnung zusammenbrechen könnte. Das Biden-Lager hat die Gefahr erkannt, als indifferent oder zu lasch dargestellt zu werden. Zum wiederholten Mal hat der 77-Jährige, der am Montag in Pittsburgh dazu eigens einen öffentlichen Auftritt plante, Gewalt &bdquo;ob von links oder rechts unmissverständlich verurteilt”. Biden: &bdquo;Wir dürfen nicht zu einem Land werden, das im Krieg mit sich selbst ist. Der Alt-Vizepräsident rief Trump eindringlich dazu auf, nicht länger &bdquo;die Flammen des Hasses und der Spaltung in unserer Gesellschaft zu entfachen”. Trumps Aufgabe müsse sei es, &bdquo;die Temperatur zu senken”. Neue Eskalation befürchtet Dass Donald Trump rhetorisch abrüsten wird, steht jedoch nicht zu erwarten. Bereits heute (Dienstag) befürchten Kritiker eine erneue Eskalation. Trump hat sich in Kenosha/Wisconsin zur Stippvisite angekündigt. Dort war vor neun Tagen dem Schwarzen Jacob Blake (29) bei einem umstrittenen Polizeieinsatz sieben Mal in den Rücken geschossen worden. Der 29-jährige, dessen Namen Trump bisher nicht ein einziges Mal in den Mund nahm, überlebte nach eine Not-Operation, bleibt aber möglicherweise gelähmt. Im Gefolge der Tragödie kam es zu heftigsten Ausschreitungen und Zerstörungen in der Stadt, ganze Häuser und Geschäfte wurden von wütenden Demonstranten dem Erdboden gleich gemacht. Trump will sich ein Bild von den Schäden machen und der Polizei den Rücken stärken, sagt das Weiße Haus. Von einem Kontakt mit der Familie von Blake ist nicht die Rede. Als Gegenreaktion liefen zuletzt rechtsgerichtete Bürger-Milizen in Kenosha auf, um nach eigenen Worten linke Demonstranten in Schach zu halten und &bdquo;Eigentum zu schützen”. Sie wurden dabei von der Polizei nicht gestoppt. Dabei erschoss der 17-jährige Kyle Rittenhouse, ein erklärter Trump-, Waffen- und Polizei-Fan, mit einem Sturmgewehr zwei Männer und verletzte einen dritten schwer. Die Taten sind auf Video dokumentiert, polizeilich aber noch nicht ausermittelt. Trump soll nicht nach Kenosha kommen Trump hat über Twitter Sympathie für Rittenhouse erkennen lassen, der eine Anklage wegen Mordes zu gewärtigen hat. In konservativen Kreisen meinungsbildende Medien wie Fox News lancieren die Ansicht, der 17-Jährige habe in Notwehr gehandelt. Trumps Auftritt in Kenosha ist aus Sicht des demokratischen Gouverneurs von Wisconsin eine überflüssige Provokation. &bdquo;Ich bin besorgt, dass ihre Anwesenheit unsere Heilung nur behindern wird”, schrieb Tony Evers an den Präsidenten und bat ihn: Bitte kommen Sie nicht!”.

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