Neue Zahlen

Umweltbundesamt: Deutschland hat ein Verpackungsproblem

Pakete, Käse in Scheiben statt am Stück, Kaffee zum Mitnehmen - der Verpackungsmüll in Deutschland nimmt weiter zu. Und es gibt einen neuen Rekord: Pro Kopf und Jahr fallen 227 Kilo an.

Gelbe Säcke vor blauen Papiertonnen - Volle Plastikmüllsäcke stehen am Straßenrand. | © picture alliance/dpa

Hanna Gersmann
18.11.2019 | 18.11.2019, 05:00

Berlin. Eigentlich wollen die Deutschen die Hüllen fallen lassen - das Land will weg von Ex und Hopp und immer mehr Verpackungsmüll. Doch im Gegenteil: Allein im Jahr 2017 haben die Deutschen 18,7 Millionen Tonnen Verpackungen in den Müll geworfen, Um- und Transportverpackungen inklusive.

Rekord, genauer: drei Prozent mehr als noch im Jahr 2016. Pro Kopf macht das 226,5 Kilo. Das zeigt der „Bericht zu Aufkommen und Verwertung von Verpackungen in Deutschland", den das Umweltbundesamt heute veröffentlicht. nw.de lag er vorab vor.

Mit der Zahnpasta fängt es an

Für die Chefin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, fängt das Problem schon mit der Zahnpasta an. Selbst die sei oft nochmals verpackt. Sie fordert: „Wir müssen Abfälle vermeiden, möglichst schon in der Produktionsphase."

Auf „unnötige und unnötig materialintensive Verpackungen" solle verzichtet werden. Der wachsende Müllberg habe mit dem Wirtschaftswachstum zu tun, aber auch mit den derzeitigen Lebens- und Einkaufsgewohnheiten.

Drei Beispiele

Erstens, heißt es in dem Bericht: „Der Verbrauch von Kartonagen und Folien für die Lieferung über den Versandhandel steigt." Egal aus welchem Internet-Kaufhaus etwas kommt – an Verpackung wird nicht gespart.

Zweitens gäbe es immer mehr Flüssigwaschmittel in Flaschen. Drittens böten Supermärkte Ananas und den Salat schon geputzt und geschnitten in Plastikbechern an. Fertiggerichte, Tiefkühlkost – all das wird ohnehin beliebter.

Zudem wird die Gesellschaft älter, und die Haushalte werden kleiner. Senioren und Singles greifen gerne zu kleineren Portionsgrößen. Das Umweltbundesamt rechnet aber vor: Wer den 200-Gramm-Sahnebecher durch eine 7,5-Gramm-Portionsverpackung Kaffeesahne ersetzt, erhöht den Verpackungsverbrauch um gut 38 Prozent.

Gute Vorsätze seit 35 Jahren

Nimmt man den Käse nicht am Stück, sondern die Scheiben in Folie, sorge man sogar schnell für fast das Vierfache an Plastikmüll. So bekommen die Mülltonnen immer mehr zu schlucken.

Dabei nimmt sich Deutschland schon seit 35 Jahren einen anderen Umgang mit dem Müll vor. 1994 ersann der damalige CDU-Bundesumweltminister Klaus Töpfer das Kreislaufwirtschaftsgesetz.

Seither sammeln und sortieren die Deutschen ihren Müll in verschiedene Tonnen - Altpapier in die blaue, Verpackungen in die gelbe, Glas in den Extracontainer, Restmüll in die graue. Denn: Wenn sich der Müll schon nicht vermeiden lässt, soll er zumindest recycelt werden kann. Nur: Er nimmt verschiedene Wege – und nicht immer den in die Recyclinganlage.

Unterschiedliche Quoten beim Recycling

Je nach Art der Verpackung sieht die Recyclingquote unterschiedlich aus: Bei Papier und Karton liegt sie laut den neuen Zahlen bei knapp 88 Prozent. Bei Glas sind es knapp 85, bei Kunststoffverpackungen jedoch nur knapp 50.

Und selbst diese Zahl ist trügerisch: Gezählt wird nicht etwa, was am Ende tatsächlich recycelt wird, sondern das was einer Sortieranlage zugeführt wird. Der Kunststoff-Kreislauf ist alles andere als perfekt.

Aus einer alten Reinigungsmittelflasche kann wieder eine neue werden - das geht. Als Vorreiter gilt die mittelständische Firma Werner Mertz mit der Öko-Marke Frosch. Bisher ist das jedoch selten.

Technische Schwierigkeiten

Das hat auch technische Gründe. Die Farbe schwarz zum Beispiel ist für die meisten Sortiermaschinen schwierig. Sie können zwischen dem schwarzen Fließband und dem schwarzen Kunststoff nicht richtig unterscheiden.

Aber beispielsweise auch die Verpackungen für den Scheibenkäse sind schlecht zu recyceln, weil mehrere verschiedene Folien miteinander verschweißt sind – eine, die vor Licht schützt, eine vor hoher Temperatur. Und und und.

Seit Anfang diesen Jahres hat Deutschland zwar ein neues Verpackungsgesetz. Mit ihm werden höhere Recyclingquoten für den Gelben-Sack-Müll gefordert, mit ihm kam auch eine „Zentrale Stelle Verpackungsregister”.

Neue Verpackungen sind günstiger

Alle Firmen, die Verpackungen in Umlauf bringen, müssen sich in dieses Register eintragen. Und: Hersteller sollen an die Entsorgungsfirmen theoretisch mehr zahlen als andere, wenn ihre Produkte aus Neu-Plastik bestehen oder sich schlecht recyceln lassen.

Doch gibt es grundsätzlich wenig ökonomische Anreize, Rezyklate zu nutzen. Auch wenn sich die Wirtschaft grüner gibt, weil Plastik bei Kunden in Verruf geraten ist, seit es sich selbst in den Mägen von Walen und Vögeln wiederfindet: Neu produzierter Kunststoff aus Rohöl ist noch immer unschlagbar günstig.

Weniger Getränke in Mehrwegflaschen gekauft

Letzte Zahl: 2017 wurden so wenig Getränke in Mehrwegflaschen verkauft wie nie zuvor. Stattdessen werden die meisten in Einwegkunststoffflaschen abgefüllt, ihr Marktanteil liegt bei etwa 52 Prozent.

Für Krautzberger ist das freilich der falsche Trend. Sie sagt: „Auch den Kaffee kann man im Mehrwegbecher mitnehmen und wer sein Essen mitnimmt, sollte das auch in Mehrwegbehältern tun können."