Kliniken in OWL wollen Klimakiller im OP reduzieren

Sie sorgen für einen sanften Schleier der Betäubung – Narkosegase sind ein unverzichtbarer Bestandteil moderner medizinischer Eingriffe. Ihr Nachteil: Sie belasten die Umwelt massiv und zählen zu den schlimmsten Klimakillern weltweit. Laut einer Studie des Klimaprojekts &bdquo;Klik Green“, das von 2019 bis 2022 Potenziale zum Klimaschutz im Gesundheitswesen zusammengestellt hat, verursachen Narkosegase bis zu 35 Prozent der Emissionen einer Klinik. Die Gase fallen in die Kategorie der Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW). Die früher in Alltagsprodukten wie Haarspraydosen und Kühlschränken enthaltenen FCKW-Gase sind seit 1995 in Europa verboten, im medizinischen Bereich gibt es aber Ausnahmen. In Baden-Württemberg werden die Gase bereits aus der Abluft gefiltert In Deutschland werden jährlich sieben Millionen Vollnarkosen mit Narkosegasen durchgeführt, die in den wenigsten Fällen wieder aufgefangen werden. Während der Narkose werden die Gase zum größten Teil vom Patienten wieder ausgeatmet, abgesaugt und dann in die Abluft gegeben. In Baden-Württemberg wurden die Uni-Kliniken bereits 2022 von der damaligen Grünen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer dazu aufgefordert, Maßnahmen zum Ersatz der klimaschädlichen Gase oder zum Filtern und Recyceln zu treffen. &bdquo;Die Maßnahmen ermöglichen es, sehr kurzfristig und ohne hohe Kosten einen relevanten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten“, sagte Bauer damals. Das Bundesland übernahm darüber hinaus die Finanzierung von Narkosegas-Filtern in weiteren Kliniken. Bundesweit wird über ähnliche Maßnahmen diskutiert. Wie sieht es bei der Verwendung von Narkosegasen und Filteranlagen bei den Kliniken in Ostwestfalen-Lippe aus? Große Unterschiede zwischen den Kliniken &bdquo;Die Nachhaltigkeit in der Anästhesie ist sicherlich seit einigen Jahren ein wichtiges Thema“, sagt Professor Jochen Hinkelbein, Direktor der Universitätsklinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin am Johannes Wesling Klinikum (JWK) Minden. &bdquo;In den letzten fünf Jahren ist dabei zunehmend die klimaschädliche Auswirkung von Narkosegasen in den Fokus geraten. Ich glaube, das ist auch gut, auch wenn es nur einen kleinen Teil der Emissionen ausmacht, ist das ein Bereich, wo man positive Akzente setzen kann.“ Im JWK werden die klimaschädlichen Gase kaum mehr verwendet. &bdquo;Wir machen seit 2008 nahezu ausschließlich intravenöse Narkosen“. Die einzige Ausnahme davon sei die Narkoseeinleitung bei sehr jungen Kindern, bei denen das Legen von venösen Zugängen schwierig sei. &bdquo;Kinder sind natürlich nicht kooperativ. Die möchten das nicht und wehren sich, das führt dann zu viel Stress.“ Sie bekommen also eine Maske auf und atmen das Gas zum Einschlafen ein, danach kann dann auch ein Zugang gelegt werden. &bdquo;Das sind dann vielleicht 50 Fälle pro Jahr“, sagt Dr. Sunil Jagoda, Leitender Oberarzt der Universitätsklinik. Eine Filteranlage würde sich nicht lohnen Wegen der wenigen Fälle, in denen Narkosegase genutzt werden, existieren in den OP-Sälen in der Uniklinik auch keine Absauge-Einrichtungen für die Gase. &bdquo;Wir haben vor Kurzem überlegt, ob wir Filteranlagen anschaffen, aber wir müssten für jeden einzelnen Saal einen Filter kaufen. Er würde aber aufgrund dessen, dass wir so wenig Narkosen mit Gas machen, höchst selten eingesetzt und würde wahrscheinlich regelmäßig weggeworfen werden müssen, obwohl er überhaupt nicht voll ist. Das wäre Ressourcenverschwendung. Deswegen haben wir uns dagegen entschieden“, erklärt Hinkelbein. Anders sieht es dagegen am Klinikum Bielefeld aus. Bei 80 Prozent der Narkosen erhalten die Patienten eine sogenannte balancierte Anästhesie, also eine Narkose, bei der auch Gas verwendet wird, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. Dabei komme aber fast ausschließlich Sevofluran zum Einsatz, dessen Klimaschädlichkeit mit am niedrigsten eingeschätzt wird. Die Gase sind hundertfach schädlicher als CO? Das Gas ist dennoch 130-fach klimaschädlicher als CO?, wie aus der &bdquo;Klik“-Studie hervorgeht. Allerdings weit weniger schädlich als die Narkosegase Desfluran (2.540-fach), Isofluran (510-fach) oder das bei vielen Zahnärzten gebräuchliche Lachgas (300-fach). Die klimaschädlichen Emissionen einer siebenstündigen OP mit dem Narkosegas Desfluran entsprächen etwa einer Autofahrt von fast 8.000 Kilometern, so &bdquo;Klik Green“. Das Klinikum Bielefeld versuche, auf das besonders schädliche Desfluran zu verzichten, soweit dies medizinisch möglich ist. Verwendet werde dies nur noch in der Adipositas-Klinik. Die Gase werden aktuell noch ungefiltert in die Luft entlassen. &bdquo;Wir informieren uns momentan über Filtersysteme und nachhaltige Lösungen“, heißt es dazu. Der Verbrauch an Narkosegasen werde aber durch den Einsatz von Minimal-Flow-Narkosen reduziert. Bei dieser automatisierten Narkosegasdosierung wird Gas eingespart im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren. Die Paderborner St. Vincenz-Kliniken verfahren ähnlich wie das Klinikum Bielefeld. &bdquo;Geschätzt werden von den circa 13.500 Anästhesien, die wir pro Jahr in den St. Vincenz-Kliniken durchführen, etwa 5.000 bis 6.000 mit dem volatilen Anästhetikum Sevofluran durchgeführt“, sagt Dr. Martin Baur, Chefarzt der Anästhesiologie. Die verwendeten Anästhesiegeräte würden ebenfalls im sogenannten Minimal-Flow-Betrieb arbeiten. Ein Filtersystem wird in Paderborn aber noch nicht verwendet. Narkosegase haben medizinische Vorteile &bdquo;Wir haben auch bereits über diese Filtersysteme nachgedacht, aber vorerst noch zurückgestellt“, sagt Baur. Selbst unter optimalen Bedingungen würden nur 30 Prozent der Gase herausgefiltert werden, erläutert der Arzt. &bdquo;Den Kliniken entstehen durch diese Option erst mal deutliche Mehrkosten. Es ist aber davon auszugehen, dass diese Option weiter Verbreitung finden wird.“ Alle drei Klinikverbünde sprechen aber davon, dass Narkosegase nicht nur bezüglich ihres klimaschädlichen Aspekts bewertet werden dürfen. &bdquo;Im medizinischen Kontext haben Narkosegase im Zuge von Vollnarkosen bei vielen Patienten Vorteile. Zudem gibt es bei den intravenösen Narkotika ebenfalls bedenkliche umweltschädigende Eigenschaften“, heißt es dazu etwa vom Klinikum Bielefeld. Für alle angefragten Kliniken gebe es noch keinen Nachhaltigkeitsbericht. Dieser wird jedoch ab dem Geschäftsjahr 2025 Pflicht und wird in Zukunft auch den Bereich Narkosegase beinhalten. Ein weiterer großer Aspekt ist auch die Verwendung von Einmal-Instrumenten und weiteren Wegwerfprodukten.

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